Der große Geburtenrückgang in 7 Grafiken
Weltweit sinken die Geburtenraten. In Österreich bekommt eine Frau nur mehr 1,3 Kinder. Wie der Geburtenrückgang die Gesellschaft verändert, zeigen sieben spannende Grafiken.

Wer mit einer Zeitmaschine in das Jahr 1900 zurückreisen könnte und auf eine Geburtenstation in Österreich oder Deutschland ginge, würde eine kuriose Gemeinsamkeit feststellen: zu den beliebtesten Namen des Nachwuchses zählten damals wie heute Emma und Paul. Ansonsten böte sich ein ganz anderes und teilweise düsteres Bild: drei von vier Babys haben ältere Geschwister, viele sogar mehrere. Im Schnitt bekam jede Frau in Österreich damals 4,3 Kinder – statistisch gesehen. Und leider würde jedes dritte Kind seinen fünften Geburtstag nicht erleben.
Trotzdem wurden genug Kinder geboren, dass die Bevölkerung auch ohne Zuzug gewachsen ist. Heute schrumpft die einheimische Bevölkerung: Im Jahr 2023 sank die Geburtenrate auf 1,3 Kinder pro Frau – 2022 waren es noch 1,6. Sieben eindrucksvolle Grafiken zum Geburtenrückgang und seinen Folgen:
1. Der weltweite Geburtenrückgang
Zur vorletzten Jahrhundertwende kamen auf jede Frau in Europa etwa vier bis fünf Geburten. In Russland wurden am eifrigsten Babys gezeugt, nämlich 7,4 pro Frau. Für Afrika und den arabischen Raum fehlen für 1900 jedoch die Daten. Mit steigendem Wohlstand und gesellschaftlichem Wandel fallen die Geburtenzahlen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erreichte die Kinderzahl pro Frau mit 5,3 Kindern ihren Höhepunkt. Heute liegt der globale Schnitt bei 2,3 Kindern. Laut Prognosen wird die sich die Weltbevölkerung, die sich in den letzten 120 Jahren fast verfünffacht hat, in den 2080er-Jahren mit 10,4 Milliarden Menschen ein Höchstmaß erreichen und danach wieder fallen.
2. Einheimische Bevölkerung schrumpft
Ob in einem gegebenen Jahr die Wohnbevölkerung eines Landes schrumpft oder wächst, hängt im Wesentlichen von zwei Fragen ab: Werden mehr Kinder geboren, als Leute sterben? Wandern mehr Menschen ein als aus? Bei der Geburtenbilanz ergibt sich für Österreich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs fast immer ein Plus. Das mag überraschen, liegt doch die Fertilitätsrate hierzulande seit 1972 unter 2,1; was bedeutet, dass sich die Bevölkerung zahlenmäßig nicht erneuert. Das äußert sich jedoch in einem langen Trend.
Ob die Geburtenbilanz in einem Zeitraum positiv oder negativ ist, liegt vor allem daran, ob simultan geburtenstarke Jahrgänge ihr Lebensende und geburtenschwache Kohorten das Alter von Jungeltern erreichen. So „fehlten“ etwa in den 70er-Jahren die Eltern, weil im Krieg und den Mühen danach weniger Kinder zur Welt kamen, während geburtenstarke Jahrgänge aus der optimistischen Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ihr Lebensende erreichten. Die negative Geburtenbilanz seit 2020 spiegelt nicht nur die Übersterblichkeit während der Pandemie wider, sondern die schrumpfenden Kohorten der 1990er.
Dass die Bevölkerung stetig wächst, liegt auch zunehmend an der Migration. Bis auf drei Jahre kamen stets mehr Menschen nach Österreich, als das Land verließen.
3. Österreich wächst
Im Jahr 1955, als die zweite Republik in den Kinderschuhen steckte und die Besatzungsmächte das Land verließen, lebten rund sieben Millionen Menschen im Land. Bis heute ist die Bevölkerung auf über neun Millionen Personen gewachsen. Ein 10-Millionen-Österreich soll es laut Prognosen in den 2060er-Jahren geben. Dies ist jedoch schwer vorhersehbar, weil die einheimische Bevölkerung schrumpft, während Migration stark schwanken kann, und von der heimischen wirtschaftlichen Anziehungskraft, Politik und nicht zuletzt internationalen Krisen abhängig ist.
4. Österreich altert
Mit wachsender Lebenserwartung erreichen sukzessive die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer-Generation das gesetzliche Pensionsalter. In zehn Jahren kommen auf 5,3 Millionen Personen im arbeitsfähigen Alter (20–64) bereits 2,3 Millionen Einwohner über 64. Binnen zehn Jahren dürfte jeder zweite Österreicher über 45 sein. Im Jahr 1955 war die halbe Bevölkerung noch unter 30. Das stellt die Gesellschaft vor zahlreiche Herausforderungen, von sinkender Produktivität bis zur Finanzierung von Pensionen und neuen Ansprüchen an das Gesundheitssystem.
5. Mehr Kinder überleben
Ein wesentlicher Grund für den Geburtenrückgang in Österreich und im Rest der Welt liegt am medizinischen Fortschritt: der Anteil der Kinder, die vor dem fünften Lebensjahr sterben, ging stark zurück. Selbst in einer kurzen Zeitspanne wurden weitere Fortschritte erzielt. Allein seit dem EU-Beitritt, ohne ursächlichen Zusammenhang unterstellen zu wollen, ist die Kindersterblichkeit in Österreich von 1,2 Prozent auf 0,5 Prozent gefallen.
6. Fertilität nach Herkunft
Die im weltweiten Vergleich hohe Migration verändert Österreichs Gesellschaft. Dabei spielt es auch eine Rolle, dass Migrantinnen je nach Herkunft mehr bzw. weniger Kinder kriegen als Österreicherinnen. Syrerinnen gebaren 2022 etwa drei Kinder, während Iranerinnen nur 0,8 Babys bekamen. Das liegt vor allem an der Alterszusammensetzung der Ausländergruppen. Auch kulturelle Unterschiede wirken mit, jedoch beobachten Demografen, dass sich Zuwanderer sehr rasch an die typischen Kinderzahlen der einheimischen Bevölkerung anpassen.
7. Gesunde Lebensjahre gehen zurück
Die Österreicher werden seit den 1970ern nicht nur älter, sondern erhalten ihre Gesundheit auch öfter bis ins höhere Alter. Allerdings sank die Zahl der gesunden Lebensjahre sowohl bei Männern als auch bei Frauen zwischen 2014 und 2019 (siehe interaktive Grafik „Männer“ und „Frauen“). Und die Daten für die Jahre der Pandemie sind noch nicht erhoben. Jedenfalls dürften auch ohne den Corona-Effekt diverse Zivilisationskrankheiten unsere Gesundheit beeinträchtigen. Immerhin weiß die Wissenschaft genau, was dagegen zu tun wäre.
In unserem interaktiven Dashboard sehen Sie, wie sich die Fertilitätsraten auf der ganzen Welt entwickelt haben. Der Trend ist jedoch von Afghanistan bis Zimbabwe der gleiche: es kommen immer weniger Babys zur Welt.
Wo sind all die Babies hin?
Im Durchschnitt bekommt eine Frau in Österreich nur noch 1,3 Kinder. Wie sich der Geburtenrückgang auswirkt, welche staatlichen Maßnahmen Lust auf mehr Kinder machen.