Auf den Spuren des Terrors im Namen Gottes

Magdeburg, New Orleans, der geplante Anschlag auf die Taylor-Swift-Konzerte in Wien: Eine neue Welle des Terror erschüttert den Westen. Was man dagegen tun könnte, diskutierten hochkarätige Experten in der Skylounge der Universität Wien.

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion „Terror im Namen Gottes“
Samstag Abend diskutierten hochkarätige Experten über „Terror im Namen Gottes“. © Matthias Nemmert

Allein in Österreich wurden in den vergangenen Jahren vier Terroranschläge vereitelt; der bekannteste Versuch war jener, der zur Absage der Taylor-Swift-Konzerte in Wien geführt hat. Insbesondere seit dem Hamas-Massaker des 7. Oktober in Israel fühlen sich islamistische Organisationen im Aufwind. Wie hoch ist die Terrorgefahr in Europa derzeit und wie können wir dem politischen Islam entgegentreten?

Diese und andere spannende Fragen diskutierten hochkarätige Teilnehmer bei einer Podiumsdiskussion unter der Moderation von Pragmaticus-Redakteur Thomas Eppinger im Zuge der dreitägigen ICITES-Konferenz (International Conference on Interdisciplinary Terrorism and Extremism Studies in Europe, Asia and Africa), die die Universität Wien in Kooperation mit der Universität Lagos, der „School of Strategic and Global Studies“ der Universität Indonesien und dem Pragmaticus vergangenes Wochenende in Wien abhielt.

Linke als Partner der Islamisten

Susanne Schröter, Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI) an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main, erläuterte zunächst, warum sich die Diskussion um Terror im Namen Gottes nur um eine Religion drehte, den Islam. Zwar sei es wichtig zu betonen, dass auch andere Religionen Terroristen hervorbringen, aber der Fokus liege nicht grundlos auf dem Islam: „In Asien, Afrika und Europa ist der politische Islam der Antreiber des Terrorismus.“ Religiöse Texte würden zur Legitimation des Terrors herangezogen und „die Versuche, einen moderaten Islam zu etablieren, stünden noch in den Anfängen.“

Susanne Schröter bei der Podiumsdiskussion „Terror im Namen Gottes“.
Susanne Schröter: „Das Ideal bleibt die arabische Welt zur Zeit Mohammeds.“ © Matthias Nemmert

Das liege auch daran, dass die Gegner eines moderaten Islam eine ganz klare Vorstellung haben, wie eine Gesellschaft in ihrem Sinne aussehen sollte: „Der politische Islam und der Terrorismus wollen ein islamisches System. Die absolute Antithese zur westlichen Moderne. Das Ideal bleibt die arabische Welt zur Zeit Mohammeds“, sagt sie. Ein zusätzliches Problem sei, dass einige in der westlichen Linken „Muslime als Partner in der Anklage gegen das imperialistische, kapitalistische System sehen.“ Insbesondere zeigte sich das nach dem 7. Oktober, wo Teile der Linken offen die Hamas unterstützten.

Wir tun nicht, was wir tun könnten

Das gehe einher mit einer Art Selbstaufgabe des Westens, sagt Hans-Jakob Schindler, Senior Director des „Counter Extremism Project“: „Wir haben uns entschlossen, den Islamismus nicht mehr vor Ort zu bekämpfen, vernachlässigen aber gleichzeitig die innere Sicherheit“, sagt er. Dazu kommen viele Faktoren, die die Lage noch verkomplizieren: „Russland tut alles, um die gesellschaftlichen Verwerfungen im Westen zu verstärken, den Krieg in Gaza nutzen Islamisten für ihre Progaganda und soziale Netzwerke wie X und neuerdings auch Meta haben sich aus der Moderation der Inhalte auf ihren Plattformen zurückgezogen“, sagt er.

Hans-Jakob Schindler bei der Podiumsdiskussion „Terror im Namen Gottes“.
Hans-Jakob Schindler: „Wir vernachlässigen die innere Sicherheit“ © Matthias Nemmert

Zudem versage der Westen darin, die Finanzierung der Terrornetzwerke lahmzulegen. „Die Dinge, die wir machen könnten, tun wir nicht“, urteilt er. Das führe dazu, dass sich Terrornetzwerke wieder offener zu operieren trauen. „Wir konzentrieren uns auf Einzelpersonen, aber Terrororganisationen gehen bereits wieder das Risiko ein, potentielle Terroristen anzuleiten – etwa bei Taylor Swift in Wien. Trotz des Risikos, dass damit ihre Kommunikationsnetzwerke offengelegt werden“, sagt Schindler.

Das virtuelle Kalifat

Der virtuelle Raum werde insgesamt immer noch unterschätzt, sagt Nicolas Stockhammer, Terrorismus-Experte an der Donau-Universität Krems: Ziel sei es mittlerweile, „ein virtuelles Kalifat zu errichten“. Jugendliche würden ganz gezielt mit „Borderline“-Content – also solchem, der bereits problematisch, aber noch nicht radikal ist – gelockt und dann weiter radikalisiert.

Nicolas Stockhammer bei der Podiumsdiskussion „Terror im Namen Gottes“
Nicolas Stockhammer: „Die Schritte vom politischen Islam zum Dschihadismus sind kleiner geworden.“ © Matthias Nemmert

Und nicht nur das: Auch die Anschläge werden mittlerweile komplett online geplant. „Die Ariana-Grande-Attentäter in London haben alles online bestellt, von den Schrauben bis zum Rucksack, mit dem sie den Sprengsatz transportierten. Das ist der Trend der Zeit – genauso war es bei dem vereitelten Taylor-Swift-Anschlag“, sagt Stockhammer. Ein zusätzliches Problem sei: „Die Schritte vom politischen Islam zum Dschihadismus sind kleiner geworden, die Hemmschwelle ist niedriger geworden und die Radikalisierten sind jünger geworden“, erklärt Stockhammer.

Wir reden nicht mehr über Religion

All das sei korrekt, aber trotzdem müsse man früher ansetzen, findet Lisa Fellhofer, Direktorin des Österreichischen Fonds zur Dokumentation des religiös motivierten politischen Extremismus (Dokumentationszentrum Politischer Islam): „Wir müssen als Gesellschaft Farbe bekennen, aber wir verabsäumen das“, sagt sie. Es falle uns schwer, dem politischen Islam entgegenzutreten, weil „wir verlernt haben, über Religion zu reden.“

Lisa Fellhofer bei der Podiumsdiskussion „Terror im Namen Gottes“
Lisa Fellhofer: „Es ist viel einfacher, über Terrorismus zu sprechen als über das, was an den Schulen passiert.“ © Matthias Nemmert

Aber wenn wir nicht über Religion sprechen, werden wir versagen, glaubt sie: „Weil der politische Islam religiös argumentiert – und wir sehen an den Konversationsraten, dass er damit Erfolg hat. Es ist viel einfacher, über Terrorismus zu sprechen als über das, was an den Schulen passiert.“ Das gelte insbesondere seit dem 7. Oktober, den die Islamisten „als Vehikel nutzten, um Anhänger zu generieren.“ Viele junge Muslime würden „antisemitische Haltungen quasi intravenös verabreicht“ bekommen. Wer all das ignoriere, werde auch den politischen Islam und den Terrorismus nicht stoppen können.

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