Skimpflation: Gleicher Preis, weniger Qualität

Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg beschäftigt sich mit Lebensmitteln, deren Rezeptur zum Nachteil der Konsumenten geändert wird – Skimpflation heißt das Phänomen.

Das Bild zeigt einen halbvollen Einkaufwagen im Supermarkt. Das Bild illustriert einen Artikel über das Phänomen „Skimpflation“.
„Skimpflation“: Die Menge bleibt gleich, aber die Qualität sinkt. Weniger teure Zutaten und mehr billige Füllstoffe: Wenn Hersteller die Rezeptur ihrer Produkte verändern, ist das oft eine heimliche Sparmaßnahme. © Getty Images

Preise steigen, Packungen werden kleiner – Shrinkflation ist längst bekannt. Doch nun haben Konsumenten mit einem neuen Phänomen zu kämpfen: Skimpflation. Ob Orangensaft, Schokolade oder Kaffee, die Masche ist immer dieselbe: Die Menge bleibt gleich, aber die Qualität sinkt – teure Zutaten werden reduziert oder durch billigere ersetzt. Für die Konsumenten ist das oft kaum zu erkennen. Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg erklärt, wie Hersteller dabei vorgehen, warum die Tricks kaum auffallen und wieso Skimpflation weiter zunehmen dürfte.

Wir alle kennen Preiserhöhungen und Shrinkflation – also weniger Inhalt zum gleichen Preis. Aber was ist Skimpflation?

Armin Valet: Shrinkflation bedeutet: gleiche Verpackung, gleiche Aufmachung, aber weniger Inhalt. Bei Skimpflation geht es nicht um die Menge, sondern um die Qualität. Teure Rohstoffe werden durch billigere ersetzt oder reduziert, ohne dass das auf den ersten Blick auffällt. Ein klassisches Beispiel: Ein Saft, der früher 100 % Frucht enthielt, wird auf 50 % reduziert und mit Zuckerwasser aufgefüllt. Die Flasche sieht gleich aus, es steht weiter ein Liter drauf, und der Preis bleibt gleich – nur die Qualität ist spürbar gesunken.

Ist das ein neues Phänomen?

Ganz neu ist es nicht. Fälle gab es schon vor einigen Jahren, aber seit 2023 und 2024 beobachten wir einen deutlichen Anstieg. Grund sind die massiv gestiegenen Rohstoffpreise, zum Beispiel bei Kakao oder Orangensaft. Hersteller versuchen, Kosten zu sparen, indem sie Rezepturen verändern. Bei Schokoladenprodukten wird etwa die teure Kakaobutter durch pflanzliche Fette ersetzt. Das sieht aus wie Schokolade, ist aber qualitativ nicht das Gleiche.

Zwei Packungen Schogetten und ein virtueller Sticker mit der Aufschrift „mit Aroma, kein echtes Vanilleextrakt mehr“.
Bei den Edel-Alpenvollmilch-Haselnuss-Schogetten wurde die echte Vanille durch Vanillearoma ersetzt. Für den Hersteller ist das eine „Neue einzigartige Rezeptur“. © Verbraucherzentrale Hamburg

Welche Produkte trifft es besonders?

Einerseits jene, wo ein einzelner Rohstoff dominiert und dessen Preis stark schwankt: Kakao, Kaffee oder eben der erwähnte Orangensaft. Aber auch Produkte mit vielen Inhaltsstoffen, wo es zu geänderten Zusammensetzungen kommt – ein Fett wird beispielsweise durch ein billigeres ausgetauscht.

Muss das gekennzeichnet werden?

Ja, aber so, dass es den wenigsten auffällt. Bei Saft zum Beispiel darf nicht mehr „100 % Fruchtsaft“ draufstehen, sondern „Nektar“. Auch die Zutatenliste muss angepasst werden. Aber realistisch betrachtet: Wer überprüft beim Einkauf ein Produkt, das er seit Jahren kennt? Die Verpackung sieht gleich aus, vorne ist kein Hinweis, nur im Kleingedruckten ändert sich etwas. Für Konsumenten ist das kaum transparent und deshalb fordern wir auch, dass eklatante Änderungen den Verbrauchern mitgeteilt werden müssen.

Zwei Packungen Capri Sun Orange und ein virtueller Sticker mit der Aufschrift "weniger Orangensaft"
Wo einst noch 7% Orangensaft waren, sind es nun 10% Fruchtsaftkonzentrat – mit nur 5% Orangensaft. Aus einer Fruchtsaftlimonade wurde ein Erfrischungsgetränk, weil es die Anforderungen des Österreichischen Lebensmittelbuchs für ersteres nicht mehr erfüllt. © Verbraucherzentrale Hamburg

Wie kommen Sie zu Ihren Beispielen?

Wir sind eine kleine Organisation und bekommen sehr viele Hinweise von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Allein zu Shrinkflation erreichen uns Tausende Beschwerden. Oft stoßen wir durch diese Hinweise auch auf Skimpflation. Manche Konsumenten merken beim Probieren, dass etwas anders schmeckt, oder sie haben zufällig noch eine alte Packung zu Hause und vergleichen. Wir überprüfen die Hinweise, suchen gezielt alte und neue Produkte und fragen bei Herstellern nach. Das meiste kommt tatsächlich aus dieser „Schwarmintelligenz“ der Kundinnen und Kunden.

Wie reagieren die Hersteller?

Bei Shrinkflation heißt es meist: „Die Rohstoffpreise sind gestiegen, wir mussten reagieren.“ Bei Skimpflation hören wir etwas anderes: „Wir überprüfen regelmäßig unsere Rezepturen“, „Wir haben Konsumententests gemacht“ oder „Wir passen den Geschmack an neue Vorlieben an.“

Zwei Packungen Jacobs-3in1-Classic und ein virtueller Sticker mit der Aufschrift „weniger Kaffee“
Die Kaffeesticks haben nun nur 1,20 statt 1,44 Prozent löslichen Bohnenkaffee, dafür mehr beigesetzte Aromen. © Verbraucherzentrale Hamburg

Das heißt, die Überlegung dahinter ist, dass es den Konsumenten eher zu vermitteln ist, dass man weniger in derselben Qualität verkauft, als dass es bei der Qualität Einbußen gibt.

Genau, der Tenor ist: Wir haben verbessert – nicht verschlechtert. Das ist auffällig, denn im Kern geht es um Kosteneinsparungen. Kein Unternehmen will offen zugeben, an der Qualität gespart zu haben, obwohl es im Kern um Kosteneinsparungen geht.

Ein Packung Brunch-Aufstrich und ein virtueller Sticker mit der Aufschrift „weniger Rahm“
Bereits vor zwei Jahren sank der Rahmanteil des Aufstrichs „Brunch Natur“ von 72 auf 66 Prozent. © Verbraucherzentrale Hamburg

Wie groß ist das Problem?

Das ist sehr schwer zu beziffern, weil die Dunkelziffer riesig ist. Eine veränderte Füllmenge fällt schnell auf, eine geänderte Rezeptur dagegen fast nie. Man muss alte und neue Packungen nebeneinanderhalten, um Unterschiede zu sehen. Beispiel: Bei einem Eistee wurde frisch gebrühter Schwarztee durch ein Extrakt ersetzt, der Fruchtanteil reduziert, und die Farbe mit Hibiskus angepasst, damit es gleich aussieht. Ohne direkten Vergleich merkt das niemand.

Zwei Packungen Teekanne „Heiße Liebe“ und ein virtueller Sticker mit der Aufschrift „weniger Inhalt = dünnerer Tee“
Shrinkflation trifft Skimpflation: Die Menge des Tees wurde reduziert, dafür wurde der Anteil an Hibiskus erhöht, damit die tiefrote Farbe des Tees erhalten bleibt. Der Geschmack entsteht aber nur durch Aromen. © Verbraucherzentrale Hamburg

Erwarten Sie, dass Skimpflation zunimmt?

Ja, das ist wahrscheinlich. Shrinkflation ist zwar einfacher, aber auch auffälliger – die Konsumenten sind inzwischen sensibilisiert. Skimpflation funktioniert subtiler und ist schwerer nachweisbar. Das macht sie für Hersteller attraktiv. Wir sehen darin eine Methode, Kosten im Stillen zu senken, während die Kunden glauben, ein gewohntes Produkt zu kaufen.

Wird das auch als Schutz der Konsumenten vor noch höheren Preisen argumentiert?

Dieses Argument hören wir eher bei Shrinkflation. Hersteller verweisen darauf, dass Händler bestimmte Preisschwellen nicht überschreiten wollen. Wenn also ein Produkt nicht über 1,99 Euro kosten darf, bleibt nur die Möglichkeit, weniger hineinzupacken. Skimpflation wird dagegen nicht so offen gerechtfertigt. Hier wird der Eindruck erweckt, es ginge um Innovation oder neue Geschmacksrichtungen – tatsächlich geht es um Einsparungen.

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