Sei Pilot, nicht Passagier!

Obwohl der Staat immer öfter Teil des Problems und nicht der Lösung ist, sehnen sich viele Menschen nach noch mehr Staat. Sehr erwachsen ist das nicht.

Pallas-Athene-Brunnen vor dem österreichischen Parlamentsgebäude am Dr.-Karl-Renner-Ring in Wien.
Der Staat soll’s richten: Die überschaubare Performance, die viele der Regierung zuschreiben, hat keine Auswirkung auf die Staatsgläubigkeit – sie nimmt sogar zu. © Getty Images

Zwei von drei Deutschen, genau 69 Prozent, wie eine Umfrage im Spätsommer ergab, sind der Meinung, der Staat sei „in Bezug auf seine Aufgaben und Probleme überfordert“, nur 27 Prozent meinen, er sei in der Lage, „seine Aufgaben zu erfüllen“.

Leider liegen keine vergleichbaren Zahlen für Österreich vor; doch mit der Annahme, dass sie nicht komplett anders sein dürften, wird man nicht ganz falschliegen.

Wäre der Staat ein Unternehmen, das vom Wohlwollen seiner Kunden lebt, würde der Eigentümer diesfalls wohl das Management vor die Tür setzen, einen Sanierer engagieren und schleunigst den Laden in Ordnung bringen.

Überspannte Erwartungen

Das Bemerkenswerte an diesem Befund, der sich ja weitgehend mit der sehr überschaubaren Performance der Regierungen in Berlin oder Wien deckt, ist die enorme Staatsgläubigkeit, die trotzdem immer noch vorherrscht. Und die sogar zunimmt, je mehr Probleme die Menschen bedrängen. Wo immer eine Störung der gewohnten Komfortzone unseres kuscheligen Sozialstaates auftritt – sofort ruft jemand nach dem Staat, verbunden mit der Forderung, der solle das Problem doch bitte lösen.

Energie zu teuer? Der Staat soll sie billiger machen. Zinsen zu niedrig (Sparer) oder zu hoch (Kredite)? Der Staat soll sie niedriger oder höher machen. Mieten unbezahlbar? Der Staat soll sie bezahlbar machen. Zu wenig Möglichkeiten, an den schönen österreichischen Seen zu baden? Der Staat soll es möglich machen. Unwetter zerstören Häuser in Zonen, in denen man besser keine Häuser baut? Der Staat soll den Schaden ersetzen. 

Es gibt kaum eine Unannehmlichkeit des menschlichen Lebens, deren Linderung durch den Staat nicht irgendwer fordert.

Es gibt kaum eine Unannehmlichkeit des menschlichen Lebens, deren Linderung durch den Staat nicht irgendwer fordert. Demnächst, schließlich stehen Wahlen an, dürfte der Staat auch aufgefordert werden, glücklose Lottospieler schadlos zu halten.

Die gleiche Staatsgläubigkeit gibt’s auch großformatig. Da wird vom Staat erwartet, der Wirtschaft vorzuschreiben, was sie wie produziert, den Bürgern, wie sie heizen sollen und welche Autos sie kaufen dürfen, und ganz generell, dass der Staat uns alle in eine goldene Klima-Zukunft führt.

Das sind, offen gesagt, ziemlich überspannte Erwartungen an eine Institution – den Staat –, die nicht imstande ist, in Berlin einen Flughafen in leidlich akzeptabler Zeit zu errichten oder in Österreich das Klimaticket aufs Handy zu bringen; die berüchtigt ist für ihre Ineffizienz und Unproduktivität und die, wenn sie in die Wirtschaft eingreift, damit fast immer Schiffbruch erleidet.

Einsicht ohne Konsequenz

Es sind vermutlich historisch, kulturell und sogar religiös fundierte Strömungen unseres kollektiven Unterbewusstseins, die Ursache dieser überbordenden Erwartungen sind; allen gegenteiligen Erfahrungen zum Trotz.

Wenn nun mehr Menschen denn je zuvor dem Staat attestieren, es einfach nicht zu können, wäre das vielleicht ein guter Anfang, die Konsequenzen aus dieser Einsicht zu ziehen. Und die Erwartungen an dessen bescheidene Möglichkeiten anzupassen. Endlich Pilot seines Lebens zu sein und nicht immer nur meckernder Passagier macht ohnehin viel mehr Spaß – und ist die einem Erwachsenen zustehende Haltung; auch wenn es mal mühsam wird.

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