Gleichstellung macht die Welt nicht besser

Die Politik muss akzeptieren, dass Männer und Frauen verschieden sind. Nicht jede junge Mutter will Karriere machen. Ist die Gleichberechtigung bereits erreicht?

Zeichnung auf dem Bürgersteig an der Volksbühne während einer Kundgebung eines Bündnisses aus feministischen Gruppen, Gewerkschaftern, Klima- und Pflegeaktivisten am Rosa-Luxemburg-Platz.
Am internationalen Frauentag gehen jährlich Millionen Menschen weltweit auf die Straße, um für Gleichberechtigung von Frauen zu demonstrieren. Aber werden Frauen in der westlichen Welt heute noch diskriminiert und ist die Forderung nach Gleichstellung von Mann und Frau überhaupt sinnvoll? © Getty Images

Werden Frauen noch immer diskriminiert? Die Frauenpolitik behauptet das. Ich wurde schon in meiner Zeit als Familienministerin das Gefühl nicht los, dass die meisten der beklagten „Diskriminierungen“ gar keine sind, sondern auf unterschiedliche Lebensentscheidungen von Männern und Frauen zurückgehen. 

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In freien Gesellschaften müssen und dürfen wir immer wieder auswählen, welchen Weg wir einschlagen. Das beginnt spätestens mit der Wahl der Ausbildung oder des Studienplatzes, geht über die Entscheidung für einen Beruf, einen Partner, für oder gegen Kinder bis hin zu der Frage, wo man leben oder wie viel man arbeiten möchte. Und genau diese Entscheidungen sind es, die in frauenpolitischen Debatten fast immer gnadenlos ignoriert werden.

Die übliche frauenpolitische Logik leitet aus der schlichten Tatsache, dass es gleich viele Frauen und Männer gibt, diese aber in DAX-Vorständen, bei Germanistikstudenten und unter Teilzeitarbeitskräften ungleich vertreten sind, einen Handlungsauftrag ab. Dieser sei erst dann erfüllt, wenn die Gleichstellung, also die anteilig gleiche Vertretung beider Geschlechter in allen gesellschaftlichen Bereichen und Positionen, erreicht ist. „Das Ziel muss Parität sein, Parität überall“, sagte 2018 die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Diese Forderung ergibt nur dann Sinn, wenn man davon ausgeht, dass Frauen und Männer im Prinzip gleich sind. Dass also die für den Feminismus grundlegende These Simone de Beauvoirs „Man ist nicht als Frau geboren, man wird es“ empirisch zutrifft. Die stärkere Neigung von Männern zu technischen Berufen, der Wunsch vieler Frauen, nach der Geburt eines Kindes weniger zu arbeiten, Muster der Partnerwahl, nach denen junge Frauen und erfolgreiche Männer bevorzugt werden – alles Kultur, nicht Natur, alles Erziehung, nicht Anlage.

1940er 1950er: Rückansicht einer Familie, die gemeinsam die Treppe hinaufgeht und sich an den Händen hält, Mutter, Vater und Tochter und Sohn.
In den 1950er war die Rollenverteilung innerhalb der Familie klar geregelt. Aber auch heute entscheiden sich viele Frauen bewusst dafür, nach der Geburt eines Kindes weniger zu arbeiten. © Getty Images

Diskriminierung oder falsches Bewusstsein?

Wenn man das glaubt, ist jede Abweichung von einer 50:50 Verteilung zumindest erklärungsbedürftig. Dann liegt es nahe, Diskriminierung zu vermuten. Doch marxistisch ausgedrückt haben Frauen einfach das falsche Bewusstsein. Sie wählen immer noch häufig das falsche Studienfach, den falschen Ehemann und die falsche Steuerklasse. Und nach der Geburt des ersten Kindes scheiden sie länger als ihr Mann ganz aus dem Beruf aus. Natürlich nicht alle Frauen. Aber bei 1.000 zufällig ausgewählten Männern und 1.000 zufällig ausgewählten Frauen wird sich diese Tendenz sehr klar zeigen, und zwar kulturübergreifend. Es gibt sogar Hinweise, dass dieses unterschiedliche Verhalten der Geschlechter gerade in besonders freien Ländern besonders ausgeprägt ist. 

Alles aufgrund patriarchalischer Strukturen? Oder könnte nicht doch die Biologie zumindest eine kleine Rolle spielen? In Zeiten, in denen jeder selbst sein Geschlecht wählt, sind solche Überlegungen verpönt. Ich halte es jedoch für plausibel, dass die komplementären Rollen der Geschlechter bei etwas evolutionär so Entscheidendem wie Zeugung, Schwangerschaft und Geburt auch mit komplementären Verhaltensweisen und Präferenzen in anderen Lebensphasen einhergehen.

Wer lebt das bessere Leben?

Ein Problem wäre das nur, wenn bei diesen unterschiedlichen Leben die Sieger- und Verliererrolle eindeutig verteilt wären. Das bezweifle ich. Männer machen häufiger Karriere, Frauen verbringen mehr Zeit mit ihren Kindern, Frauen verdienen weniger, Männer machen die dreckigeren Arbeiten und sterben öfter im Job, die Wahrscheinlichkeit, einen Nobelpreis zu gewinnen oder obdachlos zu werden, ist als Mann deutlich größer denn als Frau. Und schließlich: Männer sterben früher, Frauen ärmer. Wer lebt das bessere Leben? Das Urteil hängt von persönlichen Wertmaßstäben ab. 

In der westlichen Welt sind wir heute so frei wie noch nie. Selbst wenn sich das noch steigern ließe: Ich glaube, dass sich auch in einer Welt größtmöglicher Freiheit die Lebensverläufe von Männern und Frauen wegen ihrer ungleichen Präferenzen immer noch deutlich unterscheiden würden. Und ich kann daran nichts Empörendes finden.

Die Forderung nach Gleichstellung will aber genau das nicht akzeptieren. Sie schließt aus Ungleichheit auf Ungerechtigkeit und fordert daher staatliches Eingreifen. Dabei wurde der Beweis, dass sich etwa die geringere Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen hauptsächlich durch Diskriminierung und nicht doch durch unterschiedliche Präferenzen der Geschlechter erklären lässt, nie erbracht. Erkennt man die Existenz unterschiedlicher Lebensmodelle an, wird es schwierig, für eine Frauenquote zu argumentieren. Nur in seltenen Ausnahmen dürften die Präferenzen der Geschlechter mit der jeweiligen Quote übereinstimmen. 30 Prozent Frauenquote im Vorstand? Was für ein Zufall, wenn unter denen, die eine solche Position überhaupt anstreben, tatsächlich 30 Prozent Frauen wären. Vielleicht sind es 40 Prozent, vielleicht auch nur 20. In aller Regel wird der Staat mit seinen Quoten die tatsächlichen Vorlieben verfehlen. Und wenn er mit 50 Prozent die Parität vorgibt, lässt er nicht einmal mehr den kleinsten Spielraum. 

Männer chancenlos?

Für viele Männer ist derzeit die Chance auf den nächsten Karriereschritt empfindlich gemindert. Das erlebe ich auch in meiner Praxis als Unternehmensberaterin. Steht eine Position qua Quote einer Frau zu, ist die Chance eines Mannes exakt null – ganz egal, wie überragend er für die Aufgabe qualifiziert sein mag. Dieser Einwand wird meist mit dem süffisanten Hinweis quittiert, Männer hätten in der Vergangenheit dafür unverdient große Chancen auf derartige Positionen gehabt. Mag sein. Aber mit welchem Recht wird dafür heute ein einzelner Mann in Haftung genommen? 

Ich behaupte: Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist erreicht.

Ich behaupte: Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist erreicht. Spätestens seit der Zulassung von Frauen zum Dienst an der Waffe in Österreich und Deutschland gibt es keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung mehr in unseren Rechtssystemen. 

Gekämpft wird jetzt nur noch um Gleichstellung. Und die ist bloß zu haben, wenn man die Ziele und Wünsche der Menschen ignoriert.

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