Trumps Umbruch soll unumkehrbar sein
Die Empörung in Medien und Establishment über Trump ist groß. Die Hysterie verstellt den Blick auf seine wahren Ziele: Der US-Präsident will das bestehende System nicht reformieren, sondern durch Disruption niederreißen und nach seinen Vorstellungen neu errichten.

Erst wenige Monate im Amt, sorgt US-Präsident Donald Trump für ständiges Aufsehen – sowohl innerhalb des amerikanischen Establishments als auch unter Politikern und Medien weltweit. Selbst konservative und libertäre Unterstützer zeigen sich überrascht. Gemeinsam mit seinem Berater, dem Unternehmer Elon Musk, scheint Präsident Trump bereit, die traditionelle Staatsführung grundlegend zu erschüttern.
Disruption als politisches Phänomen
Elon Musk baute sein Wirtschaftsimperium auf der Welle technologischer Disruption auf. Donald Trump wurde zweimal zum Präsidenten gewählt, indem er versprach, alles anders zu machen als seine republikanischen und demokratischen Vorgänger. Er stellte sich offen gegen den sogenannten „Deep State“ und die internationale Ordnung und kündigte an, die amerikanische Politik grundlegend umzukrempeln.
Disruption bedeutet mehr als nur das Zerschlagen des bestehenden Systems. Entscheidend ist, dass dabei auch etwas Neues an dessen Stelle tritt. Donald Trump und Elon Musk haben Disruption versprochen – und setzen sie nun um. Die entscheidende Frage lautet: Was wollen sie schaffen, nachdem sie die politische Landschaft neu geordnet haben?
Es gibt eine bekannte Redewendung im Hinblick auf das Verständnis des aktuellen US-Präsidenten: Der größte Fehler ist, ihn wörtlich statt ernst zu nehmen. Als er beispielsweise behauptete, illegale Einwanderer würden den Amerikanern die Katzen wegessen, wollte er auf provokante Weise verdeutlichen, dass illegale Migration das gewohnte Leben in den USA bedroht. Wer ihn wörtlich nahm, tat seine Worte als populistische Übertreibung ab. Wer ihn ernst nahm, konzentrierte sich auf die zugrunde liegende Botschaft.
Nicht nur die kritische Presse oder scheinheilige europäische Politiker missverstehen Präsident Trump – auch viele seiner eigenen Anhänger tun das. Konservative und Libertäre gleichermaßen gehen oft davon aus, dass er darauf abzielt, eine frühere Form der Normalität wiederherzustellen. Konservative träumen insbesondere von einer Rückkehr zur Reagan-Ära: zu einem Staat, der sich auf Sicherheit und Infrastruktur konzentriert, die Rechte der Bundesstaaten wahrt und ein starkes westliches Bündnis anführt. Libertäre hingegen hoffen auf einen Rückbau des Staates, mehr Effizienz und die Entfesselung der Marktkräfte. Viele aus beiden Lagern sind deshalb von seinen ersten Maßnahmen irritiert.
Der Ruf, den Sumpf trockenzulegen, war nicht bloß ein Slogan – sondern eine Erklärung seines Kernziels: Disruption.
Manche ihrer Hoffnungen könnten sich unter Präsident Trump dennoch erfüllen – doch das ist nicht sein eigentliches Ziel. Seine Rhetorik vom „Sumpf trockenlegen“ schien zunächst wie eine Kritik an Bürokratie und progressiver Politik. Doch auf einer tieferen Ebene ging es ihm um weit mehr: Als Kandidat nutzte Trump diese Formel, um eine grundsätzliche Kritik an der modernen Staatsführung auszudrücken. Der Ruf, den Sumpf trockenzulegen, war nicht bloß ein Slogan – sondern eine Erklärung seines Kernziels: Disruption.
Umbruch um jeden Preis
Eine Mischung aus ungenauer Medienberichterstattung und übertriebener Start-up-Sprache hat die eigentliche Bedeutung von Disruption verwässert. Im Kern geht es bei Disruption darum, den Status quo zu zerschlagen und durch einen neuen Standard zu ersetzen. Wenn der Umbruch vollständig gelingt, ist eine Rückkehr zum vorherigen Zustand unmöglich – die Dinge kehren nicht einfach zum Alten zurück.
Auch wenn diese Geschäftsmodelle noch keine vollständige Disruption erreicht haben, besitzen sie das Potenzial, neue Standards zu setzen, die ganze Branchen verändern. Banken passen sich zunehmend digitalen Transaktionen an, die Elektromobilität gewinnt an Fahrt, und selbst traditionelle Autohersteller integrieren Software als zentrales Merkmal. Gleichzeitig expandiert die private Raumfahrt. Sollte es Elon Musk gelingen, diese Sektoren technologisch zu revolutionieren, könnten klassische Banken, Benzin und staatlich geführte Raumfahrtmissionen Relikte der Vergangenheit werden.
Donald Trumps Methode, mit den Regeln zu brechen, geht auf die Prinzipien zurück, die er 1987 in seinem Buch The Art of the Deal beschrieb. Für ihn ist alles verhandelbar – sogar die Regeln der Verhandlung selbst. Starre Protokolle und etablierte Abläufe betrachtet er als Hindernisse für den Erfolg und wirft sie oft über Bord, bevor er in inhaltliche Gespräche einsteigt. Wenn er Zölle gegen Handelspartner verhängt, verändert er die Spielregeln wirtschaftlicher Verhandlungen. Wenn er über die Zukunft der Ukraine spricht, ohne sich eng mit den NATO-Partnern abzustimmen, bringt er die Selbstzufriedenheit der Europäischen Union ins Wanken. Gleichzeitig untergräbt er durch den Einsatz von präsidialen Erlässen während unkonventioneller Pressekonferenzen die traditionelle Regierungsführung – und bringt das bürokratische Establishment in Unruhe.
Trumps disruptive Staatskunst
Präsident Trumps Regierungsstil ist grundsätzlich disruptiv. Während seine erste Amtszeit nicht ausreichte, um diese Vision vollständig umzusetzen, wirkt seine zweite Amtszeit strategischer und besser vorbereitet. Seine Allianz mit Elon Musk stellt eine Partnerschaft zwischen zwei Akteuren dar, die sich darin auszeichnen, den Status quo zu durchbrechen und neue Standards zu setzen.
Gelingt es Trump, wird die politische Landschaft unumkehrbar verändert sein. Das Fundament des „New Deal“, das die US-Regierung seit der Mitte des 20. Jahrhunderts geprägt hat, wird demontiert. Die regelbasierte internationale Ordnung, oft mit dem „Washington Consensus“ assoziiert, wird auf den Kopf gestellt. Noch bedeutsamer ist, dass die von ihm ausgelösten Disruptionen möglicherweise so tiefgreifend sind, dass sie sich für seine Nachfolger kaum oder gar nicht rückgängig machen lassen.
Trump will eine neue Ära einläuten – eine, die bewusst auf Disruption als Strategie beruht.
Ein Beispiel: Smartphones haben klassische Mobiltelefone verdrängt. Zwar existieren einfache Handys noch in Nischen, doch der neue Standard für mobile Geräte ist das Smartphone. Es gibt kein Zurück.
Ein klares Zeichen echter Disruption ist die Abschaffung von Merkmalen, die zuvor als unverzichtbar galten. Zwar kann ein Smartphone noch telefonieren, aber das ist längst nicht mehr sein Hauptzweck. Dasselbe gilt für Elon Musks Projekte: PayPal ermöglicht Geldtransfers ohne klassische Banken, Tesla denkt Mobilität neu – ohne Benzin –, und SpaceX strebt Raumfahrt ohne staatliche Kontrolle an.
Für konservative und libertäre Unterstützer von Präsident Trump ist es entscheidend zu erkennen, dass es ihm nicht nur darum geht, die Exzesse Washingtons einzudämmen. Bürokraten und ausländische Staatschefs sollten verstehen, dass er nicht einfach ein unberechenbarer Außenseiter ist. Die Medien könnten – ausnahmsweise – über das Zerrbild eines wütenden Populisten oder Nationalisten hinausblicken. Trump verfolgt ein klares Ziel: jede etablierte Norm umzustürzen und einen neuen Standard für Regierungsführung zu setzen. Er will eine neue Ära einläuten – eine, die bewusst auf Disruption als Strategie beruht.