Was Trump gegen die NATO hat
Durch Militärbündnisse wird man leichter in einen Konflikt hineingezogen. Allianzen zur Verteidigung kosten zudem viel Geld. Worauf basieren diese Ansichten von Donald Trump?

Seit der Präsidentschaft von Dwight D. Eisenhower vor über sieben Jahrzehnten wurde die NATO militärisch stets von einem Amerikaner geführt. Laut Medienberichten erwägt jedoch die amerikanische Regierung unter Donald Trump erstmals, diesen Posten aufzugeben – ein bedeutender symbolischer Wandel im transatlantischen Kräfteverhältnis innerhalb der NATO, jenes Bündnisses, das die europäische Sicherheit und den Frieden seit dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich geprägt hat.
Um die wachsende Skepsis Donald Trumps und der MAGA-Republikaner gegenüber dem Bündnis besser einordnen zu können, lohnt sich ein Blick zurück auf einen weitgehend vergessenen republikanischen Präsidentschaftskandidaten der 1950er Jahre: Senator Robert A. Taft aus Ohio – einen der größten Kritiker der NATO, dessen Erbe nach wie vor unter der Oberfläche der republikanischen Partei schlummert.
Taft, bekannt als „Mr. Republican“, vertrat in den Vorwahlen 1952 eine Sicherheitspolitik, die in vielerlei Hinsicht als Vorläufer von Donald Trumps „America First“-Doktrin gesehen werden kann. Diese wurde jüngst – angelehnt an die Monroe-Doktrin, welche die amerikanische Dominanz in der westlichen Hemisphäre postuliert – auch als „Donroe-Doktrin“ bezeichnet.
Taft war ein führender Vertreter des konservativen Flügels der Republikaner und galt vor dem amerikanischen Eintritt in den Zweiten Weltkrieg als Isolationist. In seinem 1951 erschienenen Buch A Foreign Policy for Americans legte er jedoch eine differenzierte sicherheitspolitische Strategie dar, die heute in der Politikwissenschaft als „Offshore Balancing“ bezeichnet wird. Der Kerngedanke war, dass die USA ihre globale Führungsrolle vor allem durch überlegene Luft- und Seemacht sowie Nuklearwaffen ausüben sollten, ohne langfristige Stationierungen großer Truppenkontingente im Ausland.
Stattdessen sollten regionale Verbündete mit amerikanischen Waffen gestärkt werden, um ein Gleichgewicht der Kräfte in Europa und Asien zu schaffen und so die Dominanz der Sowjetunion oder Chinas zu verhindern. Taft sah die USA in der Rolle eines unabhängigen „Balancers“, ähnlich wie Großbritannien im 19. Jahrhundert. Er bevorzugte flexible Ad-hoc-Allianzen anstelle langfristiger Verteidigungsbündnisse wie der NATO.
Strategisch wichtige Orte wie Grönland oder der Panamakanal sollten durch flexibel einsetzbare Luft- und Seemacht kontrolliert werden.
Eine zentrale Komponente von Tafts Strategie war die Betonung einer robusten kontinentalen Verteidigung in Nordamerika. Er argumentierte, dass sich die USA prioritär auf den Schutz des eigenen Territoriums und der westlichen Hemisphäre konzentrieren sollten, anstatt sich in kostenintensive globale militärische Engagements zu verstricken. Strategisch wichtige Orte wie Grönland oder der Panamakanal sollten durch flexibel einsetzbare Luft- und Seemacht kontrolliert werden, um ein Gleichgewicht der Kräfte zu ermöglichen und die Notwendigkeit permanenter Stationierung umfangreicher Bodentruppen in Europa und Asien zu reduzieren.
Taft hinterfragte – ähnlich wie Trump heute – weniger den Gegensatz zwischen Isolationismus und Interventionismus an sich, sondern vielmehr die Art und Weise, wie amerikanische Militärmacht projiziert wird und ob dies zwingend durch Institutionen wie die NATO geschehen müsse. Seine Skepsis gegenüber langfristigen Bündnissen war tiefgreifend: Taft argumentierte, diese könnten die USA in Konflikte verwickeln, die nicht im nationalen Interesse lägen. Ähnliche Ansichten äußerte Trump bereits im Präsidentschaftswahlkampf 2016. Taft sah flexible Allianzen als effektiver und kostengünstiger an – ein wichtiger Faktor im republikanischen Vorwahlkampf 1952.
Sein Buch beschreibt eine Blaupause für eine neue globale US-Sicherheitspolitik. Es wurde beeinflusst von Debatten über Präsident Trumans Entscheidung, US-Divisionen dauerhaft in die NATO-Verteidigung in Europa zu integrieren sowie Verteidigungsausgaben zu erhöhen und sich aktiver im Koreakrieg zu engagieren.
Taft warnte vor einer Erosion begrenzter Regierungsmacht im Inland sowie einer Zunahme exekutiver Gewalt aufgrund permanenter Involvierung amerikanischer Truppen als Sicherheitsgaranten fragiler Waffenstillstände im Ausland. Es ist daher kein Zufall, dass Trumps heutige Skepsis gegenüber der NATO mit dem Ziel einer Reduzierung amerikanischer Bürokratie und des Verwaltungsstaates einhergeht.
Kritiker der NATO in der Minderheit
Tafts sicherheitspolitische Ideen fanden in der Nachkriegszeit wenig Anklang; schnell etablierte sich ein überparteilicher Konsens für eine interventionistische Eindämmungspolitik mit institutioneller Verankerung in Form der NATO. Trotz seiner Bemühungen blieb das Etikett des Isolationisten an ihm haften – ein Missverständnis, das maßgeblich zu seiner Niederlage gegen Eisenhower beitrug, welcher eine institutionalisierte interventionistischere Politik verfolgte.
Es ist kein Zufall, dass Trumps heutige Skepsis gegenüber der NATO mit dem Ziel einer Reduzierung amerikanischer Bürokratie und des Verwaltungsstaates einhergeht
Obwohl Trump nicht direkt von Tafts Schriften beeinflusst wurde, verschwand dessen Skepsis gegenüber der NATO nie vollständig aus dem politischen Diskurs innerhalb der republikanischen Rechten. Die Parallelen zwischen Trumps und Tafts sicherheitspolitischen Visionen sind unterstreichenswert: Beide kritisierten die hohen Kosten des amerikanischen Engagements im Ausland und bevorzugten bilaterale Abkommen statt multilateraler Strukturen. Auch Trumps Interesse an Grönland kann in Tradition von Tafts Betonung strategisch wichtiger amerikanischer Stützpunkte in der westlichen Hemisphäre gesehen werden.
Zudem teilten beide Politiker eine Präferenz für militärische Stärke bei gleichzeitiger Zurückhaltung beim Einsatz von Bodentruppen: Tafts Vision einer primär auf Luft- und Seemacht basierenden Strategie spiegelt sich in Trumps Fokus auf militärische Abschreckung wider, zum Beispiel durch den jüngsten Einsatz seegestützter Luftschläge gegen Houthi-Ziele im Jemen.
Die Vorwahlen von 1952 markierten das letzte Mal bis 2016 mit dem Aufkommen von „America First“, dass ein führender republikanischer Präsidentschaftskandidat eine ernsthafte alternative Strategie zur interventionistischen Sicherheitspolitik rund um die Vormachtstellung der USA im internationalen System bot. Obwohl Tafts Strategie damals unpraktisch erschien, warnte er eindringlich vor einer Überdehnung amerikanischer Macht im Ausland – insbesondere im Rahmen langfristiger Militärbündnisse wie der NATO –, eine Warnung, welche Trump und seine MAGA-Anhänger heute mit nahezu religiösem Eifer wiederholen.