Trumps Raketenabwehr wäre gefährlich

Nach dem Vorbild von Israels „Iron Dome“ soll Donald Trumps Raketenabwehr das Territorium der USA unverwundbar gegen Interkontinentalraketen machen. Die Pläne sind nicht nur unrealistisch, sondern könnten die Sicherheitslage sogar destabilisieren.

Illustration zu einem Beitrag über Donald Trumps Raketenabwehr: der Nachthimmel über Kalifornien ist von einer Explosion am Himmel erleuchtet, die ein Test einer Interkontinentalrakete verursachte. Ein Hausbesitzer beobachtet am 20. September 2001 von einem Terrassengarten in Woodland Hills aus die Rauchspur der von der Vandenberg Air Force Base abgefeuerten Rakete.
Ein Hausbesitzer in Woodland Hills beobachtet die Rauchspur eines Raketentests über der Vandenberg Air Force Base im September 2001. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Dimension. Das US-Konzept unterscheidet sich wesentlich vom israelischen Iron Dome, da es eine riesige Landmasse gegen Interkontinentalraketen schützen soll.
  • Hürden. Das bestehende System der USA ist unzureichend, da es nur einen Bruchteil der chinesischen und russischen Atomraketen abfangen könnte.
  • Kosten. Die Entwicklung neuer Abfangraketen könnte zwischen 120 und 470 Milliarden Dollar kosten, was anderen Verteidigungsprioritäten fehlen würde.
  • Dilemma. Die Raketenabwehrpläne gefährden die globale Stabilität, da sie Russland und China dazu veranlassen könnten, ihre nuklearen Kapazitäten zu erhöhen.

Im Januar 2025 präsentierte Donald Trump ambitionierte Pläne für einen neuen Raketenabwehrschirm der USA, der die Kontinental-USA gegen moderne Bedrohungen aus der Luft, einschließlich hochentwickelter Raketen aller Art, schützen soll. Trumps Konzept sieht einen umfassenden Verteidigungsschutz vor, ähnlich dem israelischen Iron Dome-System, und beinhaltet die Entwicklung landgestützter Abfangsysteme.

Das Ziel dieser Initiative ist es, eine hochmoderne Raketenabwehr zu etablieren, um potenziell kritische Bedrohungen aus Ländern wie Russland und China wirksam zu begegnen. Allerdings sind Trumps Pläne nicht nur unrealistisch, sondern auch potenziell gefährlich für die strategische Stabilität, da sie das prekäre Gleichgewicht des Schreckens zwischen den großen Nuklearmächten der Welt weiter destabilisieren könnten.

Kein Iron Dome

Ein zentraler Aspekt in der Diskussion um Trumps Raketenabwehrpläne ist der Unterschied zwischen dem amerikanischen Konzept und dem israelischen Iron Dome. Das Iron Dome-System wurde speziell entwickelt, um Bedrohungen durch Kurzstreckenraketen und Mörsergranaten abzuwehren, und hat sich seit seiner Einführung im Jahr 2011 als äußerst effektiv erwiesen. Israel, das geografisch sehr klein ist und einer Vielzahl von regionalen Bedrohungen ausgesetzt ist, setzt auf dieses System, um seine Bürger und kritische Infrastrukturen zu schützen.

Die USA hingegen haben eine völlig andere Ausgangslage: Sie sind rund 450 Mal größer als Israel und müssen ein viel umfangreicheres und komplexeres Raketenabwehrsystem einrichten, um sich vor den viel längeren Flugbahnen und höheren Geschwindigkeiten interkontinentaler ballistischer Raketen (ICBMs) zu schützen. Ein solcher Raketenabwehrschirm stellt die USA vor wesentlich schwierigere technische Herausforderungen als Israel.

Zu teuer und nicht ausgereift

Ein weiteres zentrales Problem für Trumps Raketenabwehrpläne ist die technische Machbarkeit. Experten wie Fabian Hoffmann haben darauf hingewiesen, dass gegenwärtige Technologien für den Abschuss von Raketen vom Weltraum aus nicht genug entwickelt sind, um die geplanten Anforderungen in naher Zukunft zu erfüllen. Auch quantitative Herausforderungen gibt es.

Das derzeitige System der USA, bestehend aus 44 landgestützten Abfangraketen (Ground-Based Interceptors, GBIs), reicht nicht einmal aus, um eine nennenswerte Anzahl von anfliegenden nuklearen Sprengköpfen abzufangen. Bei der Annahme einer optimistischen Abfangrate von 80–90 Prozent wäre es notwendig, mindestens zwei bis drei Abfangraketen pro feindlichem Sprengkopf zur Verfügung zu haben, laut Hoffmann, um eine reale Abfangwahrscheinlichkeit zu garantieren.

Angesichts der 1.600 einsatzbereiten Atomsprengköpfe Russlands oder der 600 aus China bleibt der amerikanische Ansatz ineffektiv. Aktuell könnten die GBIs lediglich 14 bis 22 Sprengköpfe abfangen, was die Behauptungen über Trumps geplante Effektivität in der Verteidigung gegen große Nuklearmächte wie China und Russland stark infrage stellt.

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Zahlen & Fakten

Nicht nur technische und quantitative Schwierigkeiten stehen im Raum, sondern auch die enormen Kosten, die mit einem Ausbau der Raketenabwehr verbunden sind. Die Entwicklung der nächsten Generation von GBIs wird auf mindestens 70 bis 100 Millionen Dollar pro Einheit geschätzt. Um die nuklearen Bedrohungen aus Russland und China wirksam zu neutralisieren, wären laut Expertenschätzungen astronomische Summen in Höhe von 120 bis 470 Milliarden Dollar nötig, um allein die Abfangraketen in der notwendigen Quantität zur Verfügung zu haben. Diese finanziellen Anforderungen könnten weitreichende Ressourcen von anderen wichtigen Verteidigungsprioritäten der USA abziehen und dazu führen, dass weniger Mittel für andere dringend benötigte militärische Investitionen zur Verfügung stehen.

Neues Wettrüsten

Letztlich gefährden Trumps Raketenabwehrpläne auch die strategische Stabilität auf globaler Ebene, insbesondere in Bezug auf bestehende Abrüstungsabkommen wie den New-START-Vertrag. Dieser Vertrag wurde 2010 unterzeichnet und ist der letzte strategische Abrüstungsvertrag zwischen den USA und Russland. Er begrenzt die Anzahl der strategischen nuklearen Sprengköpfe auf 1.550 pro Land und läuft im Februar 2026 aus.

Die Militarisierung des Weltraums und das Streben nach einem umfassenden Raketenabwehrschirm könnten die Verhandlungen über den New-START-Vertrag erheblich erschweren. Die Furcht, dass ein effektives amerikanisches Raketenabwehrsystem die strategische Balance zugunsten der USA verschiebt, könnte Russland dazu bewegen, seine nuklearen Kapazitäten zu erhöhen, um sicherzustellen, dass eine potenzielle offensichtliche Bedrohung durch ein amerikanisches Abwehrsystem neutralisiert wird.

Durch Trumps einseitiges Vorgehen könnten andere Staaten, insbesondere Russland und China, sich gezwungen sehen, ihre eigenen Rüstungsprogramme auszubauen.

Die bereits steigenden sicherheitspolitischen Spannungen zwischen den USA und Russland könnten durch Trumps Raketenschirm zusätzlich angeheizt werden. Durch Trumps einseitiges Vorgehen könnten andere Staaten, insbesondere Russland und China, sich gezwungen sehen, ihre eigenen Rüstungsprogramme auszubauen. Dies könnte zu einem gefährlichen Wettrüsten führen, das keinerlei Sicherheitsgewinne verspricht. Stattdessen besteht die Gefahr, dass bestehende Bemühungen um strategische Stabilität und Rüstungskontrolle als Reaktion auf die zunehmenden Spannungen behindert werden.

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Conclusio

Ansage. Im Januar 2025 stellte Donald Trump Pläne für einen neuen Abwehrschirm der USA vor, der gegen Luftbedrohungen, einschließlich Interkontinentalraketen (ICBM), schützen soll. Laut Experten ist das aktuelle System mit 44 Abfangraketen unzureichend, doch die Entwicklung neuer Abfangraketen könnte zwischen 120 und 470 Milliarden Dollar kosten.

Luftschloss: Trumps Pläne stoßen auf erhebliche technische und strategische Hürden. Die USA sind fast 450 Mal größer als Israel und benötigen ein weitreichenderes System zur Abwehr von ICBMs, während der Iron Dome für Kurzstreckenraketen und Mörsergranaten gedacht ist. Zudem könnte die Umsetzung dieser Pläne die globale Stabilität gefährden, indem sie Russland und China dazu veranlasst, ihre nuklearen Kapazitäten zu erhöhen, was ein gefährliches Wettrüsten auslösen könnte.

Alternativen: Statt Milliarden in ein möglicherweise ineffektives Raketenabwehrsystem zu investieren, könnten die USA diese Mittel in die Modernisierung bestehender Verteidigungstechnologien, Cyberabwehr und Co. fließen lassen, die sie zur konventionellen Abschreckung ihrer Rivalen benötigen.

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