Weniger Demokratie wagen?
Wenn sich der Wähler immer mehr Geld vom Staat herbeiwählen kann, haben wir ein Problem. Aber es wäre lösbar.

Wahlkampfzeiten, so hat es der langjährige Wiener Bürgermeister Michael Häupl formuliert, seien „Zeiten fokussierter Unintelligenz“. Ein Zitat, das mittlerweile zur phrasenmäßigen Grundausstattung jedes Politikjournalisten gehört und natürlich auch insofern zutrifft, als die Parteien einander ja bekanntlich vor Wahlen mit sauteuren Geschenken zum Zwecke der Wählerbestechung zu übertreffen suchen.
Mehr von Christian Ortner
Ich meine allerdings, dass dieses Zitat zwar witzig ist, aber das wahre Problem mehr camoufliert als beschreibt. Denn der Versuch der Politiker, den Wähler mit Geschenken zu bestechen, ist durchaus intelligentes Verhalten, jedenfalls aus Sicht der Parteien und ihrer Interessen. Da deren mit Abstand stärkstes Interesse ist, gewählt zu werden, wenden sie also jene Methode an, die erwiesenermaßen die erfolgversprechendste ist: allen alles zu versprechen. Das ist alles andere als unintelligent. Es ist nur nicht im Interesse des Landes, aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Die Wahlkampfzeit ist nicht das Problem
Deswegen sind auch nicht die paar Monate vor Wahlen das eigentliche Problem, sondern ein Grundprinzip unserer leicht wohlverstandsverwahrlosten Geldautomaten-Demokratie: die Möglichkeit, sich per demokratischer Mehrheit immer mehr staatliche Zuwendungen herbeizuwählen, auch wenn die nur noch auf Pump finanziert werden können. Es ist dies bedauerlicherweise noch dazu kein Bug, also ein reparabler Fehler, sondern ein Feature, also eine systemimmanente Problematik.
Weil das Herbeiwählen immer neuer Sozialleistungen und damit immer höherer Schulden nicht endlos weitergehen kann – auch wenn das ein reaktionäres Argument ist –, muss diese Systematik beseitigt werden. Aber wie soll das in einer Demokratie klappen?
Interessanterweise haben alle Demokratien die Geldpolitik, also das Recht, Geld zu drucken und die Höhe der Zinsen zu bestimmen, dem demokratischen Prozess fast völlig entzogen und in die Hände von Notenbankern gelegt, die nicht gewählt werden, nicht abgewählt werden können und keinem Wähler gegenüber verantwortlich sind. Was, im Großen und Ganzen, ein bewährtes Verfahren ist – wenn auch eher undemokratisch.
Schuldenbremse als Rezept
Es wäre interessant, auch in der Finanzpolitik – wie viel der Staat ausgeben kann und wie viel er an Steuern und Schuldaufnahmen einnimmt – eine ähnliche Methode anzuwenden, um den demokratisch herbeigewählten Staatsbankrott zu vermeiden. Die einfachste, aber nicht sehr verlässliche Methode ist eine verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse nach Schweizer oder deutschem Vorbild.
Denkbar wäre aber auch ein Gremium, dessen Mitglieder zwar einmal vom Parlament bestimmt werden, aber dann ähnlich einem Höchstgericht auf Lebenszeit unabsetzbar sind und sich keiner Wahl stellen müssen; ein Gremium, das mit seinem Veto zumindest verhindern kann, dass politische Parteien ihr Überleben durch kostspielige Wählerbestechung absichern. Eine Art Notenbank für Staatsfinanzen sozusagen.
Mag sein, dass diese Innovation nicht gerade einen Zugewinn an Demokratie brächte. Von Wahl zu Wahl ungebremst höhere Schulden aufzuhäufen mag zwar demokratisch sein, fokussiert intelligent ist es nicht.