Das tut man nicht!
Immer mehr Zeitgenossen erwecken den Eindruck, nicht einmal mehr einfachste Regeln des Zusammenlebens zu beherrschen. Das gehört geändert.

Die Idee war ja nicht schlecht: In großen Städten wie Wien elektrische Leih-Tretroller anzubieten, mit denen kurze Strecken zurückgelegt werden können. Trotzdem geben immer mehr Anbieter auf oder werden von der Stadt dazu gezwungen, aufzuhören – der praktische Roller ist akut vom Aussterben bedroht wie einst der Vogel Dodo. Der Grund: Viele Benutzer waren entweder zu ignorant oder zu dumm oder beides, um ihre Roller ordentlich zu parken. Stattdessen blockierten sie oft Hauseingänge, Gehsteige oder enge Gassen. Deswegen werden sie nun eben regulatorisch zurückgedrängt.
Mehr von Christian Ortner
Das wäre nicht der Rede wert, wäre die Sache nicht typisch für eine Art grassierender genereller Verblödung, für Rücksichtslosigkeit und Ignoranz den einfachsten Grundregeln des menschlichen Zusammenlebens gegenüber.
Da essen immer mehr Zeitgenossen Fast Food im Gehen oder Stehen und lassen ihre üppigen Abfälle einfach irgendwo liegen, gerne in Fußgängerzonen und Parks. Da mieten Menschen Wohnungen über Plattformen wie Airbnb und verhalten sich nicht wie freundliche Mitbewohner, sondern wie vollgekokste Hunnen auf Beutezug. Da telefonieren Menschen lautstark und stundenlang mit Freisprecher in der U-Bahn oder im Zug – besonders gerne in der Ruhezone natürlich. Die Liste ließe sich ad infinitum verlängern, wie jeder Stadtbewohner aus eigener Anschauung weiß.
Das Fundament der Zivilisation
Mein persönlicher Favorit derzeit: Typen, die am oberen oder unteren Ende einer langen und dicht besetzten Rolltreppe plötzlich stehen bleiben, um ihr Mobiltelefon zu befummeln. Da ist physische Gewalt manchmal nur sehr schwer zu vermeiden.
Im Gegensatz zu Geboten und Verboten übernimmt hier ein innerer Kompass das Kommando.
Im Grunde gibt es für all diese Dysfunktionalitäten des Umgangs miteinander einen einzigen Grund: neben offenkundiger allgemeiner Verdummung vor allem das zunehmende Fehlen jener vier Worte, die gleichsam das Fundament jeglicher Zivilisation bilden: „Das tut man nicht!“
Im Gegensatz zu Geboten und Verboten übernimmt hier ein innerer Kompass das Kommando, der leider vielen Menschen abhandengekommen sein dürfte. Warum? Keine Ahnung, aber wenn ein erheblicher Teil der Pflichtschulabgänger kaum rechnen und schreiben kann, immer weniger Kinder schwimmen oder auch nur sich die Schuhe selber schnüren können und gleichzeitig immer mehr Menschen zu uns kommen, die mit vielen unserer Kulturtechniken etwas fremdeln, dann wird es da wohl einen Zusammenhang geben.
Asiatische Metropolen heben sich ab
Man kann diese Art, wie man das urbane Zusammenleben verkommen lässt, natürlich schulterzuckend hinnehmen, ist halt so, man gewöhnt sich an alles – oder man zieht halt weg aufs Land, wie nicht wenige derzeit. Aber man sollte nicht. Asiatische Metropolen wie Singapur, Tokio, Seoul oder sogar Bangkok zeigen vor, dass es auch anders geht. Dort liegt kein Müll im öffentlichen Raum rum, dort verhalten sich die Menschen, wo viele von ihnen eine Zeit zusammen verbringen müssen, in aller Regel zivilisiert und ordentlich.
Wir Menschen im Westen sind im Allgemeinen mit Recht stolz darauf, dass Toleranz zu einer unserer historischen Errungenschaften gehört.
Wir Menschen im Westen sind im Allgemeinen mit Recht stolz darauf, dass Toleranz zu einer unserer historischen Errungenschaften gehört und uns von anderen Kulturen abhebt. Wenn diese Toleranz aber auch gegenüber dem nicht Tolerablen geübt wird, entzieht sie sich früher oder später selbst den Boden.