Wirtschaftsturbo Trump?

Donald Trump hat es wieder geschafft. Doch wird er der Wirtschaft zu einem neuen Höhenflug verhelfen? Der Öl- und Gasbranche sehr wahrscheinlich. Den Preisen auch.

Donald Trump im Palm Beach Convention Center, Florida, USA, am 6. November 2024. Das Bild illustriert einen Artikel darüber, ob Trump der Wirtschaft zu einem neuen Höhenflug verhelfen wird.
Trump im Palm Beach Convention Center, Florida, USA, am 6. November 2024. © Getty Images

Anders als beim Sieg über Hillary Clinton fiel die Entscheidung bei den US-Wahlen deutlich klarer zu Gunsten von Donald Trump aus. Er konnte offenbar alle Swing States für sich gewinnen und schlug Kamala Harris im „Popular Vote“, der Gesamtanzahl an abgegebenen Stimmen.

Für seinen politischen Handlungsspielraum noch wichtiger: Die Republikaner gewannen zwei Senatssitze und stellen nun die Mehrheit in der zweiten Kammer des Kongresses. Sollte die Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus bestehen bleiben – worauf die bisherigen Ergebnisse hindeuten – könnte Trump mit der Unterstützung seiner Partei zu mindestens in den nächsten beiden Jahren seine Wahlversprechen kompromisslos umsetzen.

Wirtschaftspolitik: Das „Liquid Gold“

Donald Trump ist wirtschaftspolitisch ein Mann der alten Industrien. Im Wahlkampf und in seiner Rede in der Wahlnacht betonte er die Bedeutung fossiler Energieträger für die US-Wirtschaft: „We have more liquid gold – oil and gas – than any country in the world. More than Saudi Arabia, more than Russia.“

Diese Vorkommen sollen das Fundament des US-Energiesystems bilden. Erneuerbare Energien spielen in Trumps Plänen kaum eine Rolle. Es ist daher anzunehmen, dass die großen Förderprogramme für diese Sektoren aus dem Inflation Reduction Act der Biden-Administration gestrichen werden. Eine mögliche Ausnahme könnte Tesla sein. Elon Musk rechnet wohl für seine politische Unterstützung mit einem Entgegenkommen. Zudem dürfte Trump die temporären Einkommensteuersenkungen von 2017 für alle Einkommensgruppen verlängern und die Unternehmenssteuern senken. Letzteres ist Teil seines Programms zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts, das neben Steueranreizen, Subventionen und Deregulierungen auch außenwirtschaftliche Maßnahmen umfasst.

Handelspolitik: „Tariff is my favorite word“

Zölle spielen eine zentrale Rolle in Trumps Wirtschaftspolitik. Er will sie zur Stärkung der amerikanischen Wirtschaft und als geopolitisches Druckmittel nutzen. Den Systemwettbewerb um die wirtschaftliche Vormachtstellung mit China möchte Trump durch umfassende Zölle auf alle Importe aus China für die USA entscheiden; im Wahlkampf kündigte er einen zusätzlichen Strafzoll von 60 % auf alle chinesische Importe an. Die Zölle sollen die chinesische Wirtschaft schwächen, Einnahmen für den US-Haushalt generieren und die wirtschaftliche Entkopplung der USA von China beschleunigen.

Eine einheitliche Digitalsteuer im EU-Binnenmarkt könnte die US-Dienstleistungsexporte empfindlich treffen.

Dass Zölle die Preise für Konsumgüter in den USA erhöhen und chinesische Vorleistungen für US-Unternehmen verteuern, störte ihn schon in seiner ersten Amtszeit nicht. Somit ist davon auszugehen, dass Trump mit seiner Abschottung die Inflation neuerlich anfachen wird. Auch dass seine protektionistische Handelspolitik chinesische Exporte in Märkte von US-Partnerländern umlenkt und dort Verwerfungen verursachen kann, schien ihn wenig zu kümmern.

In seiner zweiten Amtszeit plant Trump jedoch, noch weiterzugehen: Für alle Handelspartner ohne ein bilaterales Freihandelsabkommen soll ein zusätzlicher Zoll von 10 Prozent auf Exporte in die USA erhoben werden. Das ist etwa das Vierfache der nach WTO-Regeln vereinbarten durchschnittlichen US-Zollsätze und würde auch die EU treffen. Diese Zölle sollen die US-Wirtschaft vor der globalen Konkurrenz stärker schützen und ausländische Unternehmen dazu bewegen, in den USA zu investieren.

Trump blendet die Preiseffekte einer so breit angelegten protektionistischen Politik sowie mögliche Gegenmaßnahmen der Handelspartner weitgehend aus. In den USA könnten die großen Digitalkonzerne zu den Leidtragenden solcher Gegenmaßnahmen gehören: Eine einheitliche Digitalsteuer im EU-Binnenmarkt könnte die US-Dienstleistungsexporte etwa empfindlich treffen.

Sicherheitspolitik und Europas Lethargie

Über all dem schwebt die Unsicherheit bezüglich der zukünftigen sicherheitspolitischen transatlantischen Zusammenarbeit. Bereits in seiner ersten Amtszeit stellte Donald Trump die Zukunft der NATO infrage. Im Wahlkampf deutete er mehrfach an, das militärische Engagement in der Ukraine reduzieren oder beenden zu wollen. Zum einen betrachtet er den Konflikt als rein europäisches Thema, zum anderen ist ein internationales militärisches Engagement der USA und die damit verbundenen Kosten in der US-Bevölkerung unpopulär.

Es wäre höchste Zeit, dass Europa eine eigenständige Politik in sicherheits- und wirtschaftspolitischen Aspekten entwickelt.

Trump weiß auch, dass die europäischen NATO-Partner und die EU von der Unterstützung der USA abhängig sind. Das verschafft ihm die Möglichkeit, sicherheitspolitische Aspekte als Druckmittel für wirtschaftspolitische Zugeständnisse zu nutzen. Ein Europa, das von den USA sicherheitspolitisch abhängig ist, könnte auf Trumps „Lieblingszölle“ möglicherweise nicht reagieren – aus Angst, die Unterstützung in der Ukraine zu verlieren.

Europa hat in den letzten Jahren versäumt, sich sicherheitspolitisch zu emanzipieren und seine eigenen Interessen zu vertreten, statt sie in der Hoffnung auf freundschaftliche Beziehungen zu den USA „auszulagern“. Das könnte sich nun rächen. Es wäre höchste Zeit, dass Europa aus diesem asymmetrischen Verhältnis lernt und eine eigenständige Politik in sicherheits- und wirtschaftspolitischen Aspekten entwickelt. Sollte uns das gelingen, hätte Trumps zweite Wahl zumindest einen langfristig positiven Nebeneffekt.

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