30 Jahre EU: Da geht mehr

Die Flaute in der EU trifft Österreich als offene Volkswirtschaft besonders hart. Wie das Land trotz Budgetmisere wieder in die Spur finden kann.

24. Juni 1994: Unterzeichnung des Vertrags über die EU-Mitgliedschaft Österreichs auf Korfu. Botschafter Manfred Scheich, Bundeskanzler Franz Vranitzky und Außenminister Alois Mock (von links) unterzeichnen die Beitrittsurkunde. Der Beitritt Österreichs erfolgte dann per 1. Jänner 1995.
24. Juni 1994: Unterzeichnung des Vertrags über den Beitritt Österreichs zur EU auf Korfu. Botschafter Manfred Scheich, Bundeskanzler Franz Vranitzky und Außenminister Alois Mock (von links) unterzeichnen die Beitrittsurkunde. Der Beitritt Österreichs erfolgte dann per 1. Jänner 1995. © Getty Images

Drei Jahrzehnte EU-Mitgliedschaft – für Österreich eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte, die sich auch wissenschaftlich belegen lässt: Laut einer Studie von Gabriel Felbermayr vom Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO und der Wirtschaftsuniversität Wien sowie Inga Heiland von der Norwegian University of Science and Technology liegt das pro-Kopf-BIP in Österreich heute um etwa 3800 Euro pro Jahr höher, als es ohne EU-Mitgliedschaft der Fall wäre.

Hauptgrund dafür ist der EU-Binnenmarkt, der Handelsbarrieren abgebaut und Österreich als exportorientierte Volkswirtschaft einen besseren Zugang zu seinen wichtigsten Auslandsmärkten eröffnet hat. Zudem konnte Österreich überproportional von der geografischen Nähe zu den seit 2004 beigetretenen osteuropäischen Mitgliedstaaten profitieren – durch vertiefte Handelsbeziehungen, Investitionen in diese Volkswirtschaften und die Personenfreizügigkeit.

Der Integrationsmotor schnurrt nicht mehr

Doch in den vergangenen Jahren ist der europäische Integrationsmotor fast völlig zum Erliegen gekommen. Die Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise, der Brexit, die Pandemie, der russische Angriff auf die Ukraine sowie weitere geopolitische Spannungen und die politische Uneinigkeit innerhalb der EU haben dazu geführt, dass die Vision eines tieferen und stärker integrierten Europas an Schwung verloren hat.

Bestehende Integrationsschritte, wie etwa der Schengener Raum, wurden vorübergehend ausgesetzt. Regulierung und Bürokratie traten an die Stelle einer wettbewerbsfähigkeitssteigernden Integrationspolitik. Das Wachstumspotenzial, das Österreich – wie viele andere Mitgliedstaaten – durch eine vertiefte Zusammenarbeit hätte ausschöpfen können, blieb ungenutzt.

Diese Entwicklung trifft Österreichs Wirtschaft besonders hart. Als kleine, offene Volkswirtschaft gehen mehr als zwei Drittel der Warenexporte in andere EU-Mitgliedsländer. Zudem ist das Land überdurchschnittlich stark von der wirtschaftlichen Entwicklung seiner EU-Partner – allen voran Deutschlands – abhängig.

Suche nach dem Wachstum in Zeiten von Budgetengpässen

Zwei Jahre Rezession, gepaart mit unzureichender Ausgabendisziplin, haben die österreichische Neuverschuldung über die von der EU geforderte 3%-Obergrenze getrieben. Ein stärkeres Wirtschaftswachstum würde nicht nur die Steuereinnahmen erhöhen, sondern auch das BIP – den Referenzwert für die Berechnung der Neuverschuldungsquote – steigern.

Experten haben in der Diskussion zur notwendigen Budgetkonsolidierung zurecht darauf hingewiesen, dass mögliche Konsolidierungsmaßnahmen so wenig wie möglich wachstumsdämpfend gestaltet werden sollten und mit kurz- und mittelfristig wachstumsfördernden Strukturreformen kombiniert werden müssen. Das ist ein schwieriger Balanceakt und politischer Kraftakt.

Österreich ist jedoch nicht allein in dieser Lage. Die EU hat im Juli letzten Jahres Defizitverfahren gegen sieben Länder, darunter Frankreich und Italien, eröffnet. Die akute Wachstumsschwäche innerhalb der EU macht den meisten Mitgliedstaaten in vielfacher Hinsicht zu schaffen. Neue Wachstumspotentiale zu erschließen und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft langfristig zu steigern, sollte somit im gemeinsamen Interesse aller EU-Mitgliedsländer liegen.

Die Vollendung des Binnenmarktes, insbesondere mit einem Schwerpunkt auf zukunftsträchtige Dienstleistungsmärkte, die Kapitalmarktunion zur Förderung von Investitionen in der EU, die Bankenunion zur Stärkung des europäischen Bankensystems oder eine gemeinsame Energiepolitik, sind nur einige der möglichen Integrationsschritte, die die europäische Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und einen Wachstumsimpuls auslösen können – und das ohne einen großen Finanzierungsbedarf.

Kombiniert man diese Integrationsmaßnahmen mit einem ernsthaften Bürokratieabbau, schafft man ein innovationsfreundliches Regulierungsumfeld und erschließt man neue Märkte, durch ambitionierte Handelsabkommen können darüber hinaus zusätzliche Wachstumspotenziale geschaffen werden. Es liegt auch an den nationalen Regierungen, diese Wachstumspotenziale im Rahmen ihrer Mitwirkungsrechte im ordentlichen EU-Gesetzgebungsverfahren zu realisieren, allein schon deshalb, um den Spardruck im eigenen Land zu reduzieren.

Kommentare & Kolumnen

Unser Newsletter