Wissen im Fluss halten
Bücher helfen, die Welt zu verstehen und nicht in die Fallen des simplen Denkens zu verfallen. Der Blick auf das große Ganze hilft und hält die Vorstellungen vom Leben in Schwung. Unsere Buchtipps.

Im Laufe der Welt passieren Dinge, die auf den ersten Blick gar kein Aufsehen erregen. Erst mit der Zeit wird klar, welche weitreichenden Auswirkungen Ereignisse haben können. Menschen, die sich eingehend mit Themen befassen, können jedoch manchmal erahnen, wie die Zukunft aussehen könnte. Dabei ist der Blick nach hinten eine bewährte Methode, um nach vorne zu schauen.
Buchtipp 1

Intelligenz aus der Vogelperspektive
Yuval Noah Harari, Nexus. Der Erfolg des israelischen Historikers Yuval Harari hat viele Gründe: einer davon ist, dass er es wie kein anderer versteht, unterschiedliche Wissensgebiete zusammenzuführen. Auch das neueste Buch von Harari hat deshalb Erkenntniswert. Wer wissen will, warum Künstliche Intelligenz eine Gefahr für die Menschheit darstellt, findet hier einen guten Guide durch den Dschungel.
Informationsnetzwerke, so Harari, sind der Stoff, der Menschen ausmacht, und Mythologie und Bürokratie sind seit jeher die Transportmittel. Vor allem: Wer mehr weiß, weil er mehr Informationen hat, hat mehr Macht. Mit dieser These eröffnet sich ein breites Feld der Betrachtung, die er mit unzähligen Beispielen aus der Geschichte untermauert. Wer Hararis frühere Bücher gelesen hat, wird sicherlich das eine oder andere Déjà-Vue-Erlebnis haben. Für alle, die diese interdisziplinäre Art zu denken mögen, werden sich daran nicht stoßen.
Eindringlich und nicht zu ignorieren sind Hararis Schlussfolgerungen. Er warnt vor den neuen und noch niemals beschrittenen Pfaden, die sich durch Künstliche Intelligenz eröffnet, sieht sie unverhohlen als Gefahr für die gesamte Zivilisation. Das kann als Apokalypse, aber auch als Aufforderung für informierte Regulierung gelesen werden. Noch entscheidet der Mensch, wie es weitergeht.
Folio Verlag, 29,50 Euro
Buchtipp 2

Überleben in Zeiten des Klimawandels
Bernhard Kegel, Mit Pflanzen die Welt retten. Der Klimawandel ist eine spürbare Tatsache, die Notwendigkeit, Strategien dagegen zu finden, wird immer dringlicher. Es gibt nicht die eine Lösung, sondern viele, ist der Biologe Bernhard Kegel überzeugt und beschreibt in diesem Buch, welchen Beitrag Pflanzen für die Lösung der Zukunftsprobleme leisten können.
Da geht es tatsächlich um Grundlegendes, konkret um Bäume, Moore und Ozeane und ihre Wichtigkeit fürs Weltklima. Kegel versteht es, auch für Laien verständlich die komplexen Prozesse zum Einfangen von CO2 zu beschreiben, zeigt Möglichkeiten, Anforderungen und Limits solcher Strategien auf. Vor allem gibt er auch Einblicke in den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess und wägt in bester Manier das Für und Wider von Projekten rund um den Erdball ab. So diskutiert er die „grünen Mauern“, die in China und Afrika entstehen sollen, beschreibt, welches Potenzial Moore an Land und Kelp- und Tangwälder in Ozeanen hätten. Damit zeigt er Wege in eine Zukunft, die den Planeten für Menschen bewohnbar machen, insofern eine überlebenswichtige Lektüre.
Dumont, 19,90 Euro
Buchtipp 3

Biografie von Gewässern
Stefan Schomann, Vom Wesen der Flüsse. Auf den Fokus kommt es an: Für die meisten sind Wasserläufe Selbstverständlichkeiten, an die sie – außer in Zeiten von Hochwasser – nicht viele Gedanken verlieren. Wie unendlich viele Geschichten sich über die Historie, die Wirtschaft und die Kultur am Beispiel dieser Gewässer erzählen lassen, beweist Stefan Schomann.
Sehr oft besteigt er dafür ein Boot, spricht mit der Besatzung und den Menschen und lässt beim Vorüberziehen der Landschaften seinen mit viel Wissenswertem gespickten Gedanken freien Lauf. Freunde der Reisereportage werden diese 17 Flussporträts lieben, etwa jene des Mississippi als Handelsweg oder Schomanns Fahrt auf der russischen Lena, durch die letzte Urlandschaft am Ende der Welt. Die Liebe des Autors gilt aber durchaus auch kleineren Flüsschen wie der Hase und der Düssel in Deutschland oder der Sorgue in Südfrankreich. Stets überraschend, in bild- und metaphernreicher Sprache wird Kleines groß und Großes ungeheuerlich. Alles im Fluss, sozusagen.
Galiani Berlin 33,50 Euro
Buchtipp 4

Rehabilitierung der Haie
Francois Sarano, Wie man mit Haien schwimmt. Die Angst vor Haien ist weit verbreitet. Sie ist eines der größten Missverständnisse der Menschheit, sagt der Ozeanograf Francois Sarano und schreibt mit diesem Buch dagegen an. Wer in die fantastische Welt der Meere eintauchen und Ökosysteme begreifen will, kann hier aus dem Vollen schöpfen. Wünschenswert aus Sicht des Autors wäre, wenn die Lesenden ihr Bild über die verteufelten Meerestiere revidieren würden. Sarano ist ein profunder Begleiter beim Bekämpfen dieser Angst.
Der passionierte Taucher nimmt sein Lesepublikum auf Tauchgänge mit, liefert dazwischen alles Wissenswerte, das es über die Artenvielfalt, Biologie und Verhaltensweisen der Tiere zu wissen gibt. Kein Hai gleicht dem anderen, so seine Message, und wenn Menschen den Lebensraum der Tiere betreten, ist Respekt die Voraussetzung für Sicherheit. Die Gefahr, von einem Haifisch angegriffen zu werden, liegt bei 1 zu 264 Millionen. Trotzdem: die irrationale Angst der Menschen führt zur Ausrottung der Tiere. Sie durch Vernunft zu stoppen, ist diese Lektüre wert.
Folio Verlag, 27 Euro
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