Familiengeschichten

Warum nicht die Menschheits-, Industrie- und Philosophiegeschichte anhand berühmter Familien erzählen? Drei Bücher zeigen, wie spannend das sein kann.

Ein junger blonder Mann mit Frack und Fliege unterhält sich mit einer jungen Frau in Abendgarderobe und prächtigem Schmuck an einem Tisch auf dem viele Gläser mit Wasser und Wein stehen. Die Frau auf dem Bild ist Nathalie Hocq, die Geschäftsführerin von Cartier.
Bei einer Soirée von Cartier im Februar 1975: Zu dem Zeitpunkt ist Cartier bereits das Familienunternehmen einer anderen Familie, der Hocqs. Nathalie Hocq (rechts) führt die Geschäfte als CEO und wird nach dem Tod ihres Vaters seine Präsidentin. © Getty Images

Thomas Mann hat es vorgemacht:  Mit Die Buddenbrocks. Verfall einer Familie, erschienen 1901, hat er im Lichte eines Familienportraits den Niedergang einer gesellschaftlichen Klasse und den Umbruch einer wirtschaftlichen Ordnung gezeichnet. Unsere Buchempfehlungen zeigen, dass solche Familiengeschichten auch im populär-historischen Sachbuch gut funktionieren. Wir empfehlen drei Neuerscheinungen: Ein Buch über die Geschichte der Cartiers, eines über die Geschichte der Wittgensteins und eines über die Geschichte von uns allen: jene der Menschheit.

Familiengeschichte I: Die Cartiers

Das Cover des Buchs von Francesca Brickell.

Francesca Cartier Brickell: Die Cartiers. Eine Familie und ihr Imperium. Eine Familiengeschichte eignet sich gut, um den Lauf der Welt Revue passieren zu lassen. Wenn es dabei auch noch um Gold, Juwelen und Uhren geht, kommt die glamouröse Note dazu. Der Mix macht den Reiz dieses Buches aus.

Die Autorin, selbst ein Mitglied der Familie Cartier, zeichnet minutiös das Schicksal ihrer Vorfahren nach. Dabei spielen Revolutionen und Kriege eine ebenso wichtige Rolle wie die Auswirkungen der Industrialisierung. Da sich immer nur die Reichsten Schmuck leisten konnten, ist es auch ein Buch über die Kundinnen und Kunden von Cartier. Diese gehören wenn nicht zu reichsten, so doch zu den glamourösesten ihrer Epoche – von den Windsors über die Romanovs bis hin zu Grace Kelly und Elizabeth Taylor.

Die Zeiten haben sich geändert, den elitären Familienbetrieb für die Schönen und Reichen gibt es nicht mehr. Cartier gehört heute zu einem Luxusgüterkonzern. Umso mehr Grund, sich der Geschichte dieser Familie zu widmen.

Francesca Cartier Brickell, Die Cartiers. Eine Familie und ihr Imperium. Suhrkamp/Insel, 36 Euro.

Familiengeschichte II: Die Wittgensteins

Das Cover des Buchs von Peter Eigner.

Peter Eigner: Die Wittgensteins. Geschichte einer unglaublich reichen Familie. Unternehmergeist, Innovationskraft, Geld, Erfolg, Streit, Reichtum, Wahnsinn, Politik, Mäzenatentum, Krieg, Flucht, Emigration, Philosophie – und die Liebe zur Musik: Die Familie Wittgenstein liefert genug Stoff, um eine Bibliothek zu füllen.

Der Sozialwissenschaftler Peter Eigner wagt eine Gesamtschau der Wittgensteins weit über die beiden berühmtesten Mitglieder – den Philosophen Ludwig und den einarmigen Pianisten Paul – hinaus. Es ist eine Geschichte über drei Generationen, die in der k. u. k. Monarchie beginnt, den wirtschaftlichen Aufstieg durch die Industrialisierung beschreibt und vom kunstsinnigen Leben im Großbürgertum erzählt.

Auch dank vieler Fotografien im Buch gelingt Eigner eine eindrucksvolle Zeitreise, die mit den Nationalsozialisten und der Vertreibung der Familie endet. 

Peter Eigner, Die Wittgensteins. Geschichte einer unglaublich reichen Familie, Molden, 40 Euro.

Familiengeschichte III: Die Geschichte von uns allen

Cover des Buchs Die Welt von Simon Sebag Montefiore. Buchcover.

Simon Sebag Montefiore: Die Welt. Eine Familiengeschichte der Menschheit. Dieses Buch ist ein Schwergewicht im doppelten und dreifachen Sinne des Wortes. Der britische Historiker Simon Sebag Montefiore schreibt eine Geschichte der Welt.

Diese Weltgeschichte erzählt Montefiore als Familiengeschichte der Herrscherhäuser, weil sich dort seit Menschengedenken die Werte einer Gesellschaft, die Machtverhältnisse und insofern auch die politischen Ereignisse widerspiegeln.

In insgesamt 23 Kapiteln beschreibt er historische Epochen, als wären sie Dramolette. Er beginnt bei den alten Ägyptern und endet nach 1.400 Seiten bei Donald Trump. Montefiore beherrscht es meisterhaft, durch komplexe Verstrickungen zu pflügen, gerade die Kürze seiner Darstellung bringt Klarheit in die Geschichten. Weitere Highlights dieses Bandes: Montefiores Blick auf Hitler oder die Habsburger.

Simon Sebag Montefiore: Die Welt. Eine Familiengeschichte der Menschheit. Klett-Cotta, 51,50 Euro.

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