Oligarchen, Autokraten, Tyrannen

Die Demokratie gerät in die Defensive. Doch wohin geht die Reise? Höchste Zeit, sich mit anderen – durchwegs gruseligen – Regierungsformen vertraut zu machen.

Ein Demonstrant trägt ein Schild während einer „Not My President's Day“-Demonstration gegen US-Präsident Donald Trump im Washington Square Park am 17. Februar 2025 in New York City. Am Presidents' Day finden in Städten im ganzen Land Proteste gegen die laut den Organisatoren „antidemokratischen und illegalen Aktionen der Trump-Administration“ statt. Das Bild illustriert einen Kommentar über politische Akteure wie Oligarchen, Autokraten, Tyrannen.
Ein Demonstrant trägt ein Schild während einer „Not My President's Day“-Demonstration gegen US-Präsident Donald Trump im Washington Square Park am 17. Februar 2025 in New York City. Am Presidents' Day finden in Städten im ganzen Land Proteste gegen die laut den Organisatoren „antidemokratischen und illegalen Aktionen der Trump-Administration“ statt. © Getty Images

Das Jahr 2024 war das Jahr der Wahlen – rund die Hälfte der Weltbevölkerung wählte ihre Regierungen. 2025 könnte das Jahr der Transformation werden. Der Ende Februar publizierte Demokratie-Index des britischen Wochenmagazins The Economist kommt zu dem Schluss, dass zwar die überwiegende Mehrheit der Wahlen demokratisch abgelaufen sei, deren Ergebnisse jedoch viele Demokratien geschwächt hätten. Der neue Index liegt so tief wie nie seit dem Beginn seiner Erhebungen im Jahr 2006 – und hat nach Ansicht der Autoren einen Punkt erreicht, von dem aus die Rückkehr zu echten, freien Demokratien allmählich schwierig werden könnte.

Zusammen mit den Veränderungen, die wir in den ersten Monaten dieses Jahres in den USA erlebt haben, müssen wir uns darauf gefasst machen, dass es um die Demokratie Ende des Jahres noch viel schlechter stehen wird – mit Folgen für die ganze Welt, besonders aber für Europa. Denn die mächtigste Demokratie wird gerade von oben her umgekrempelt – mit schwerwiegenden Folgen.

Nach einem lang anhaltenden Aufstieg der Populisten und den geopolitischen Verschiebungen der vergangenen Jahre sieht es so aus, als stünden wir bald dem ganzen Spektrum undemokratischer Regierungsformen gegenüber.

Zeit also, wieder einmal über die Systematik der Staatsverfassungen nachzudenken, um zu verstehen, womit wir es zu tun haben – und worauf wir uns einstellen müssen.

Ende des Jahres könnte es um die Demokratie noch viel schlechter stehen.

Der erste Auftritt gehörte den Oligarchen. Kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion tauchte eine Reihe schwerreicher Männer auf, die es verstanden hatten, die vormaligen Staatsunternehmen nicht nur zu kaufen, sondern auch zum Erfolg zu führen. Dass die Regierung unter dem damaligen Präsidenten Boris Jelzin schwere Fehler machte, die diese Art der Bereicherung erlaubten, ist erwiesen.

Allerdings hatten es nicht alle Oligarchen auf politische Macht abgesehen, weshalb man darüber stritt, ob „Oligarch“ die richtige Bezeichnung für sie sei. Denn nach antiker Lesart wird darunter eine „Herrschaft der wenigen“ verstanden, also direkte politische Macht. Seit diese Männer unter Putin enteignet oder gefügig gemacht wurden, sind sie zumindest eng mit der Macht verflochten. Daran, dass diese Herrschaftsform gemäß antiker Qualifikation „ungerecht“ ist, weil sie nur dem Eigennutz der Regierenden dient, besteht hingegen kein Zweifel.

Macht statt Recht

Auf die Oligarchen folgten die Autokraten. Diese Alleinherrscher – ob als Einzelperson, Partei, Komitee oder Junta – werden durch keine Schranken an ihrer Machtausübung gehindert. Es fehlen Kontrolle und Wettbewerb, ebenso eine Gewaltenteilung. Wenn Wahlen stattfinden, dienen sie der Wahrung des Scheins. Eine unabhängige Justiz und freie Presse sucht man vergebens. China und Russland sowie der Iran oder Nordkorea sind aktuelle Anschauungsbeispiele.

Die US-amerikanische Historikerin Anne Applebaum nimmt in ihrem jüngsten Buch Die Achse der Autokraten genau diese Länder in den Blick. Ihr Ziel sei die Etablierung einer neuen Weltordnung, in der nicht mehr das Recht regiert, sondern die Macht. Sie unterstützen sich gegenseitig bei Protesten und im Rahmen der UNO. Zu ihren Mitteln gehören der Entzug politischer Rechte und die Kontrolle der Narrative. Es sind dieselben Strategien, mittels derer liberale Demokratien allmählich in illiberale „Demokratien“ verwandelt werden.

Die große Frage zu Beginn dieses Jahres lautete: In welche Kategorie fällt der amerikanische Präsident Donald Trump? Mittlerweile sehen wir klarer. Zwar wurde er demokratisch gewählt. Gleich danach aber begann die systematische Aushöhlung wichtiger Institutionen und die Besetzung zentraler Posten mit linientreuen Personen. Der Präsident selbst umgibt sich mit den reichsten Unternehmern des Landes, ja der Welt. Diese zeigten sich vor der Wahl als großzügige Spender, seit seiner Amtsübernahme stellen sie ihre Unternehmen in den Dienst der Macht: Mark Zuckerberg beendet das Fact-Checking auf Meta, Elon Musk kontrolliert die Inhalte auf X, und Jeff Bezos schränkt die Meinungsfreiheit bei der Washington Post ein.

Wie Tyrannen enden

Mit der Verbannung einzelner Journalisten aus der präsidialen Medienkonferenz und der Inszenierung der Außenpolitik als Reality-TV-Format – nichts anderes war der schamlos abgekartete „Empfang“ des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Oval Office – hat sich die Zahl der Quasi-Staatsmedien in den USA massiv erhöht.

Um das zweite wichtige Element liberaler Demokratien – eine unabhängige Justiz – konnte sich Trump bereits in seiner ersten Amtszeit kümmern. Es war ihm beschieden, so viele Richterposten wie kein Präsident vor ihm mit Getreuen zu besetzen. Die US-Demokratie hat damit bereits großen Schaden genommen.

Tyrannen enden nur durch Protest oder Tod.

Schließlich ist von Diktatoren die Rede – jenen unerbittlichen Herrschern, die ihr Volk unterdrücken und ausbeuten. Sie entsprechen den antiken „Tyrannen“, denen der letzte Platz des antiken Rankings gehört, und zwar sowohl was die Qualität ihrer Regierung als auch die zeitliche Abfolge möglicher Regierungsformen angeht. Platon beschreibt sie ausführlich: Sie mögen demokratisch an die Macht gelangt sein, entwickeln sich danach aber rasch zu einem „Wolf“, der seine Bürger willkürlich vor Gericht schleppt, sie auslöscht, hinrichtet oder verbannt. Sollten ihre Untertanen übermütig werden und nach Freiheit schielen, zetteln sie umgehend Kriege an. Sie zwingen ihr Volk in die Armut, damit ihnen nichts bleibt, als sich um die eigene Existenz zu kümmern.

Applebaum hebt als weiteres Merkmal der Autokraten deren enge Verflechtungen mit der Welt zwielichtiger Unternehmen hervor. Sie spricht von „Kleptokraten“, die dabei sind, ein Netz von Mafia-Staaten zu etablieren. Man kann auch von einer „Gangster-Welt“ sprechen. Diese Formulierung prägte ein US-Journalist nach dem Selenskyj-Eklat im Weißen Haus, sie charakterisiert Trumps Version einer Weltordnung.

Was lehrt die Antike dazu? Tyrannen enden nur durch Protest oder Tod. Erst danach sind wieder „gute“ Regierungen möglich: solche, die zum Wohlergehen ihres Volkes regieren.

Hoffen wir das Beste – aber bereiten wir uns auf das Schlimmste vor.

Mit dieser Kolumne verabschiedet sich Katja Gentinetta in eine Pause, um über das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit nachzudenken.

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