Gewaltsame Neuordnung: Aus SBZ wird DDR

Die Gründung der DDR in der sowjetisch besetzten Zone (SBZ) war nicht geplant. Doch wirtschaftlicher Druck und Kalter Krieg schufen schnell die Voraussetzungen. Oft gewaltsam.

Ein Panzer wird von einer Gruppe Menschen mit Steinen beworfen. Im Hintergrund sind zerstörte Gebäude zu sehen. Die Zerstörungen stammen von Bombentreffern im Zweiten Weltkrieg. Am 17. Juni 1953 am Potsdamer Platz in Berlin: Mehr als eine Million Menschen in 700 Städten und Gemeinden beteiligten sich an dem Aufstand gegen die SED-Diktatur, die ihn – noch am Tag der ersten Konfrontationen – als „faschistischen Putschversuch“ bezeichnete. Das Bild ist Teil eines Beitrags des Zeithistorikers Dierk Hoffmann über die sogenannte Sowjetisch besetzte Zone (SBZ) aus der 1949 die DDR wurde.
Am 17. Juni 1953 am Potsdamer Platz in Berlin: Mehr als eine Million Menschen in 700 Städten und Gemeinden beteiligten sich an dem Aufstand gegen die SED-Diktatur, die ihn – noch am Tag der ersten Konfrontationen – als „faschistischen Putschversuch“ bezeichnete. Der 17. Juni wurde 1963 in der BRD zu einem offiziellen Gedenktag. 1953 verhalf die gewaltsame Niederschlagung Konrad Adenauer zur Wiederwahl als Bundeskanzler bei den Bundestagswahlen im September. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Kalter Krieg. Die DDR war ein ungeplantes Ergebnis der sich ab 1945 schnell etablierenden Ost-West-Spaltung.
  • Fakten schaffen. Die Sowjetunion schuf nach den ersten Zerwürfnissen mit den West-Alliierten die Strukturen für eine unabhängige DDR.
  • NS-Erbe. Der „Antifaschismus von oben“ beruhte auf einer unvollständigen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Viele NS-Täter konnten ihre Berufe als Lehrer etc. behalten.
  • Zwang. Noch vor der offiziellen Gründung der DDR 1949 wurden politische Gegner der SED in „Speziallagern“ interniert und ermordet.

Am 7. Oktober 1949 titelte das Neue Deutschland auf der ersten Seite: „Tag der Geburt der Deutschen Demokratischen Republik“. An diesem Tag konstituierte sich der Deutsche Volksrat als Provisorische Volkskammer und nahm die Verfassung an – gut viereinhalb Monate nach der Verabschiedung des Bonner Grundgesetzes. Damit war die Teilung Deutschlands staats- und völkerrechtlich vollzogen.

Das Nachkriegsjahrzehnt

Die Gründung der DDR folgte zwar auf die der Bundesrepublik. Doch wichtige Weichenstellungen in Politik und Wirtschaft waren bereits in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) zwischen 1945 und 1949 erfolgt, auch wenn es keinen Automatismus zur Gründung des ostdeutschen Staates gab.

Die Weichenstellungen betrafen insbesondere die Etablierung des Parteiensystems unter der Hegemonie der SED, die Bodenreform und die Verstaatlichung der Schwerindustrie. Diese Entscheidungen kamen erst nach Zustimmung der sowjetischen Besatzungsmacht zustande, die letztlich über den Verlauf und das Tempo der Umgestaltung in der SBZ bestimmte.

Während in der SBZ bereits kurz nach Kriegsende Parteien auf zonaler Ebene zugelassen wurden, konnten die Parteien im Westdeutschland zunächst nur auf lokaler und regionaler Ebene tätig werden, weil die drei Westmächte die Demokratie von unten nach oben aufbauen wollten. Die Gründung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) in der SBZ im April 1946, die unter massivem Druck der sowjetischen Besatzungsmacht erfolgte, war ein tiefer Einschnitt mit gravierenden Langzeitfolgen.

Denn die Zwangsvereinigung von SPD und KPD spaltete die gesamtdeutsche Parteienlandschaft und stieß auf erbitterten Widerstand der westdeutschen Sozialdemokratie unter Kurt Schumacher. Die bei der SED-Gründung vereinbarte paritätische Besetzung der Parteigremien mit Kommunisten und Sozialdemokraten wurde bald aufgegeben. Im Zuge des Umbaus zu einer „Partei neuen Typus“ nach leninistischem Vorbild verloren ehemalige SPD-Funktionäre ihren Positionen; viele wurden aus der Partei ausgeschlossen und auch verfolgt.

Das auf der Potsdamer Konferenz (17. Juli bis 2. August1945) formulierte Ziel der alliierten Siegermächte, Deutschland als wirtschaftliche Einheit zu behandeln, rückte rasch in weite Ferne. Auch hier preschten die Machthaber in Ost-Berlin vor.

Bodenreform und Verstaatlichung

Anfang September 1945 erfolgte der Startschuss zur Bodenreform, wobei die sowjetische Besatzungsmacht die treibende Kraft war. Unter der Losung „Junkerland in Bauernhand“ wurden rund 7.000 Eigentümer mit einem Besitz von über 100 Hektar entschädigungslos enteignet. Rund ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche der SBZ wechselte den Besitzer. Die neuen Höfe waren aber so klein bemessen, dass sie wirtschaftlich kaum rentabel waren.

Die Bodenreform fand anfangs noch die Zustimmung der bürgerlichen Parteien, wobei sich die ostdeutsche CDU-Führung unter Andreas Hermes und Walther Schreiber gegen eine entschädigungslose Enteignung aussprach und daraufhin von der sowjetischen Besatzungsmacht abgesetzt wurde. Auch in den Westzonen gab es zunächst Unterstützer für eine Bodenreform, die aber im eskalierenden Kalten Krieg nicht mehr mehrheitsfähig war.

Im Oktober 1945 folgte der nächste Paukenschlag: Die sowjetische Besatzungsmacht befahl die Beschlagnahmung des gesamten Vermögens des deutschen Staates, der NSDAP und ihrer Funktionsträger sowie der Wehrmacht. Damit konnten ab Juni 1946 viele Betriebe der Schwerindustrie in Sowjetische Aktiengesellschaften (SAG) überführt werden.

Bereits im Juli waren die Banken und Sparkassen verstaatlicht worden. Zur nachträglichen Legitimierung der sogenannten Industriereform organisierten die deutschen Kommunisten einen sorgfältig vorbereiteten Volksentscheid in Sachsen, wo sich 4.800 der etwa 7.000 beschlagnahmten Betriebe befanden. Dieser fand nach einer Propagandakampagne am 30. Juni 1946 statt. Unter der Losung „Enteignung von Kriegsverbrechern“ stimmten bei einer Beteiligung von 94 Prozent rund 78 Prozent der Stimmberechtigten für die Enteignung.

In den anderen ostdeutschen Ländern erfolgten die Enteignungen ohne vorherige Abstimmungen. Bis zum Frühjahr 1948 konnten etwa 10.000 Unternehmen entschädigungslos verstaatlicht werden, deren Anteil an der Industrieproduktion bei 40 Prozent lag. Mit dem Wandel der Eigentumsordnung war ein wichtiger Grundstein gelegt für den Aufbau der Planwirtschaft, die erheblichen Belastungen ausgesetzt war durch Demontagen und Reparationszahlungen an die Sowjetunion.

Eine Gruppe von Menschen beobachtet ein herannahendes Flugzeug. Es handelt sich um einen sogenannten Rosinenbomber der US-Armee, der während der Berliner Luftbrücke die Bevölkerung Westberlins mit Lebensmitteln versorgte. Das Bild ist Teil eines Beitrags über die Gründung der DDR und die Sowjetisch besetzte Zone (SBZ) des Zeithistorikers Dierk Hoffmann.
Ein „Rosinenbomber“ der US-Armee im Landeanflug auf den Tempelhofer Flughafen im August 1948. © Getty Images

Im Sommer 1948 steuerte der Kalte Krieg in Deutschland auf seinen ersten großen Höhepunkt zu: die Berlin-Blockade. Zuvor hatten sich die vier Siegermächte im Alliierten Kontrollrat vergeblich um eine gemeinsame Währungsreform für alle vier Besatzungszonen bemüht, die aufgrund der durch die NS-Kriegsführung hervorgerufenen zurückgestauten Inflation dringend notwendig war.

Drei Tage nach der westdeutschen Währungsreform am 20. Juni 1948 erfolgte auch in der SBZ ein entsprechender Schritt, der jedoch nicht dieselbe ökonomische und politische Wirkung entfaltete. Außerdem reagierte die Sowjetunion auf die Währungsreform in Westdeutschland mit der Abriegelung der Zugangswege nach West-Berlin. Damit versuchte Moskau nicht nur, den politischen Einfluss auf ganz Berlin auszudehnen, sondern auch die sich abzeichnende Weststaatsgründung zu verhindern.

In der Nacht vom 23. auf den 24. Juni 1948 wurde die Elektrizitätsversorgung vom Osten eingestellt. Daraufhin gingen in West-Berlin die Lichter aus. Der Eisenbahnverkehr nach Berlin kam zum Erliegen und die Wasserwege wurden abgeriegelt. Als einziger Zugang blieben drei Luftkorridore, über die der Westteil Berlins versorgt wurde. In den folgenden Monaten avancierte das eingeschlossene West-Berlin zu einem Symbol der Freiheit. Die Luftbrücke entwickelte sich zu einer wichtigen Waffe im Propagandakrieg gegen die Sowjetunion. Die drei Westmächte ließen keinen Zweifel daran, dass sie in Berlin bleiben würden.

Antifaschismus von Oben

Der „Antifaschismus“ war eine Staatsdoktrin in der DDR, der von oben, das heißt von der KPD- bzw. SED-Führung verordnet wurde. Diese legitimierte ihre Herrschaft aus dem kommunistischen Widerstand gegen das NS-Regime vor 1945. Damit grenzten sich die neuen Machthaber in Ost-Berlin vom Nationalsozialismus und von Westdeutschland ab. Der Bundesrepublik wurde später immer wieder vorgeworfen, die Macht der sogenannten Großkapitalisten und Großgrundbesitzer sowie der „Imperialisten und Militaristen“ nicht gebrochen zu haben.

Auf den ersten Blick schien die Entnazifizierung in der SBZ konsequenter durchgeführt worden zu sein. Das belegen Statistiken, insbesondere für die Bereiche Polizei, Justiz, Innenverwaltung und Schule. Bis August 1947 verloren rund 520.000 Personen ihren Arbeitsplatz; 12.807 Angehörige der SS, Gestapo sowie der politischen Führung der NSDAP wurden verurteilt.

In der SBZ ging man aber rasch dazu über, die personelle Säuberung mit der politischen und wirtschaftlichen Neuordnung zu verbinden. So nutzte die sowjetische Besatzungsmacht den Personal- und Elitenwechsel, um in wichtigen Schaltstellen immer mehr Kommunisten einzusetzen.

Darüber hinaus war die vollständige Entfernung ehemaliger NSDAP-Mitglieder aus allen wichtigen Stellungen des öffentlichen Lebens ein Ziel, das mitunter wieder unterlaufen wurde. Denn auch in der SBZ musste auf Fachleute, die für die Funktionsfähigkeit staatlicher Verwaltungen unentbehrlich waren, Rücksicht genommen werden.

Eine Parade mit dem überlebensgroßen Portrait Ernst Thälmanns. Am 1. Mai 1955 in Jena: Erinnert wird an den im KZ Buchenwald ermordeten KPÖ-Politiker Ernst Thälmann. In dem KZ, in dem 56.000 Menschen ermordet wurden und verhungerten, wurden ab 1945 Gegner der SED-Diktatur interniert. Als Speziallager Nr. 2 bestand Buchenwald bis 1950. Das Bild ist Teil eines Beitrages über die SBZ und die spätere DDR des zeithistorikers Dierk Hoffmann.
Am 1. Mai 1955 in Jena: Erinnert wird an den im KZ Buchenwald ermordeten KPÖ-Politiker Ernst Thälmann. In dem KZ, in dem 56.000 Menschen ermordet wurden und verhungerten, wurden ab 1945 Gegner der SED-Diktatur interniert. Als Speziallager Nr. 2 bestand Buchenwald bis 1950. © Getty Images

Zur dunklen Seite der Entnazifizierung gehört die Tatsache, dass unter direkter Anleitung des sowjetischen Geheimdienstes Internierungslager eingerichtet wurden, unter anderem in den ehemaligen Konzentrationslagern Buchenwald und Sachsenhausen. Die sogenannten Speziallager dienten neben der Inhaftierung von Nationalsozialisten dazu, politische Gegner (vor allem Sozialdemokraten und Mitglieder der bürgerlichen Parteien) und vermeintliche Oppositionelle der kommunistischen Herrschaft mundtot zu machen. In den insgesamt zehn Speziallagern in der SBZ waren von 1945 bis 1950 mindestens 150.000 Häftlinge registriert, über ein Drittel von ihnen kam ums Leben.

Trotz der sich abzeichnenden staatlichen Teilung wies der Alltag der Menschen in den vier Besatzungszonen große Gemeinsamkeiten auf, was etwa die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs oder mit Wohnraum betraf. Die Bevölkerung reagierte auf die allgemeine Mangelsituation und improvisierte: Hamsterfahrten und der Tausch von Waren auf dem Schwarzmarkt waren ein über die Zonengrenzen hinaus weit verbreitetes Phänomen.

Während mit der Währungsreform in den Westzonen 1948 das Ende der Rationierung und Entbehrung eingeläutet wurde, blieb die Welt der Lebensmittelkarten in der SBZ noch bis Ende der 1950er Jahre bestehen. In Westdeutschland hat sich die Einführung der D-Mark als neuer Währung tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Sie gehört zum Gründungsmythos der Bundesrepublik. Dagegen zelebrierte die SED-Führung den Akt der DDR-Staatsgründung: So veranstaltete die Freie Deutsche Jugend (FDJ) zu Ehren des neu gebildeten Staates und seines am 11. Oktober gewählten Präsidenten Wilhelm Pieck einen Fackelzug auf dem geschichtsträchtigen August-Bebel-Platz in Berlin.

In den folgenden Jahren entwickelte sich der 7. Oktober zu einem zentralen Staatsfeiertag der DDR, der nach den Vorstellungen der SED identitätsstiftend wirken sollte. Bei den jährlichen Feierlichkeiten und Aufmärschen ging es um die inszenierte Zustimmung der Ostdeutschen zum SED-Staat als Gegenentwurf zur Bundesrepublik.

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Conclusio

Aufarbeitung. Die ersten Jahre in der Sowjetisch besetzten Zone (SBZ) ab 1945 wurden zum Teil erst nach 1989 aufgearbeitet, weil erst dann Archive und historische Quellen zugänglich wurden, die bis dahin für die Geschichtswissenschaft nicht zugänglich waren.

Wirtschaft und Ideologie. In der SBZ wurden schnell die wirtschaftlichen und politischen Strukturen geschaffen, die einen unabhängigen Staat ermöglichten. Die Teilung Deutschlands war unmittelbar nach dem Krieg nicht der Plan der Alliierten gewesen. Die Neuordnung geschah unter Zwang.

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