Lust am Weltuntergang

Bisher kein Weltuntergang: Wir haben das Ende des Maya-Kalenders, das Ozonloch und den Millennium-Bug überstanden, uns die Lust an der Apokalypse aber nie nehmen lassen.

Ein zwinkerndes Smiley als Illustration zu einem Beitrag über Weltuntergang als Motiv in Literatur und Mythos.
Weltuntergang als Scherz © Getty Images

Beginnen wir mit der guten Nachricht: Historisch betrachtet lässt sich sagen, dass die Zahl der angekündigten Weltuntergänge weitaus größer ist als die der tatsächlich eingetretenen. Zum Glück kam es bisher nie so schlimm wie befürchtet. 

Mehr Endzeitgefühle

Die aktuelle Hochkonjunktur an Katastrophenmeldungen hat mit den relativ stürmischen Zeiten zu tun, in denen wir leben – aber auch einiges mit den Mechanismen von Zeitungen und sozialen Medien. Schlechte Nachrichten verbreiten zwar schlechte Laune, verkaufen sich aber sehr gut.

Eskalationslust

Am besten lässt sich die sprachliche Eskalationsspirale an der Debatte über die Erderwärmung festmachen. In weniger als zehn Jahren wurde aus dem Klimawandel die Klimakrise, mittlerweile sind wir in der Klimakatastrophe angelangt. Es wird nicht mehr lange dauern, und wir reden nur noch über die Klima-Apokalypse.

Dabei ist die Geschichte des Weltuntergangs ungefähr so alt wie die Menschheit selbst. Schon die alten Babylonier und Ägypter kannten apokalyptische Erzählungen. Seither wollte praktisch keine westliche Religion auf dieses hocheffiziente Werkzeug zur Disziplinierung des Volkes verzichten. Vorhergesagte Höllenfeuer, Blutregen, Seuchen, Sintfluten, Hungersnöte oder die Androhung ewiger Verdammnis für Ungläubige gehörten stets zum Standardprogramm der Missionare.

Nicht überall auf der Welt sind die Menschen für solche Storys empfänglich. So könnten etwa Chinesen mit Weltuntergangsfantasien wenig anfangen, schreibt der deutsche Apokalypse-Forscher Robert Folger. Diese grundsätzlich positiv-pragmatische Weltsicht der Chinesen könnte in den nächsten Jahrzehnten zur politischen Superkraft werden.

KI ist das neue Höllenfeuer

In anderen Kulturen gehört der Weltuntergang praktisch schon zum normalen Geschäft. Unlängst warnten prominente Forscher und Manager, dass künstliche Intelligenz (KI) ein „Auslöschungsrisiko“ für die Menschheit darstelle. Es sollte eine „globale Priorität“ sein, dieses Risiko abzumildern – ähnlich wie andere Risiken, etwa Pandemien und Atomkriege.

Wie alle handwerklich gut gemachten Prophezeiungen bestand auch diese aus einem einzigen, sehr vage formulierten Satz. Die KI-Experten haben offenbar bei Nostradamus nachgeschaut, der mit seinen stets mehrdeutigen – und daher manchmal zu Ereignissen passenden Prophezeiungen im 16. Jahrhundert ganz Frankreich in Atem hielt. 

Greta Thunbergs großer Irrtum

Im Apokalypse-Business ist es essenziell, sich nicht auf ein bestimmtes Datum festzulegen. Ein Termin erhöht zwar den Thrill unter den Gläubigen, allerdings steht man als Prophet blöd da, wenn am Tag X doch wieder nichts passiert.

So lief es etwa beim Millennium-Bug, einem für den 1. Jänner 2000 vorhergesagten weltweiten Zusammenbruch der Computersysteme. Auch das Ende des 5.000-jährigen Maya-Kalenders am 21.12.2012 verlief unspektakulär; die angeblich von Aliens im südfranzösischen Berg Bugarach bereitgehaltenen Rettungsraumschiffe für Auserwählte wurden bis heute nicht ausgeparkt. 

Die Klimaaktivistin Greta Thunberg twitterte 2018, dass die gesamte Menschheit 2023 ausgelöscht sein werde. Die damals Fünfzehnjährige durfte immerhin vor der UN-Vollversammlung sprechen. Ihr Tweet ist inzwischen verschwunden; zu einer Erklärung oder gar ein wenig Reue war die Schwedin nicht bereit.

Abgesagte Apokalypsen

Und das sind längst nicht alle abgesagten Apokalypsen der letzten 50 Jahre. In den 1970er-Jahren hatten Klimaforscher eine neue Eiszeit vorausgesagt. Das vom Club of Rome etwa zur gleichen Zeit ausgerufene bevorstehende Ende der globalen Erdölreserven ist ebenfalls nicht eingetreten – obwohl sich die Weltbevölkerung seither fast verdreifacht hat.

Historische Darstellung der apokalyptischen Reiter aus dem 6. Kapitel der Offenbarung. Zeichnung Sepia mit lateinischer Bildunterschrift. Das Bild ist Teil eines Beitrag über den Weltuntergang.
Die apokalytischen Reiter aus dem 6. Kapitel der Offenbarung. © Getty Images

Weder Reagans SDI-System noch die in Europa stationierten Pershing-Raketen lösten einen dritten Weltkrieg aus. Auch die Atomkraft schaffte es nicht, alles Leben auf der Erde auszulöschen. Ja, es gab schwere AKW-Unfälle, aber die Folgen blieben begrenzt; alle zusammen forderten weniger Todesopfer als fast alle anderen Formen der Energieerzeugung. 

Die Apokalypse war schon

Laut Apokalypse-Forscher Robert Folger leben wir ohnehin bereits in postapokalyptischen Zeiten. Die richtig schlimmen Dinge seien wohl schon passiert, lautet seine These. Die Spanier sorgten etwa für den ganz realen Weltuntergang des einst mächtigen Inka-Reichs, eingewanderte Europäer vernichteten die Lebenswelt der amerikanischen Ureinwohner. Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen veränderten die gesamte Völkergemeinschaft.

Im Großen und Ganzen gehört es aber zum Lauf der Menschheitsgeschichte, dass (fast) alle selbst gemachten Bedrohungen durch wissenschaftliche Fortschritte abgewendet werden konnten: Das seit dem 19. Jahrhundert anhaltende Bevölkerungswachstum führte nicht zu dauerhaften Hungerkrisen, weil auch die Produktivität der Landwirtschaft rasant zunahm. Es gab bisher keinen Atomkrieg, das Ozonloch schließt sich wieder, vom sauren Regen redet keiner mehr. 

Fazit: Keine Panik!

Deshalb würde sich Hans von Storch, Klimaforscher und ehemaliges Mitglied des IPCC-Rates, auch ein wenig Abkühlung und mehr Sachlichkeit in den wissenschaftlichen Diskussionen wünschen: „Overselling führt zu unmöglichen Zielvorgaben in der Politik, verringert die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und riskiert Glaubwürdigkeitsverluste der Wissenschaftler durch übertriebene oder nicht zutreffende Voraussagen“, sagte er.

Durch den „Hype der Klima-Angst“ werde das Thema künftig nicht mehr als solches ernst genommen, sondern für eine allgegenwärtige Regulierung fast aller Lebensbereiche instrumentalisiert.

Das wäre für unsere Gesellschaft wohl auch eine Art von Weltuntergang.

Alles wird gut!

Video: Lust am Untergang

Mit dem Laden des Inhalts akzeptierst du die Datenschutzerklärung von Jetpack VideoPress.