Eine selbstbestimmte Zukunft Syriens?
Die Zukunft Syriens beginnt in einem Nicht-Staat, in dem ausländische Interessen und islamistische Gruppen intervenieren, erklärt Experte Walter Posch.
Der Zusammenbruch des Assad-Regimes nach 54 Jahren des Terrors kommt einem „geopolitischen Erdbeben“ gleich, sagt der Iranist Walter Posch. Im Podcast spricht er über die veränderte Lage für die Türkei, Israel, Russland und den Iran. Die Zukunft Syriens sei ungewiss, meint er, zumal mit dem Regime auch der syrische Staat zusammenbrach.
Es kann sein, dass es ein langanhaltender Konflikt wird.
Walter Posch, Iranist und Experte für den Nahen Osten
Die Geopolitik ist nun entscheidend für die Zukunft Syriens, so Posch. Es gibt unterschiedliche Interessen und Konflikte. Viel Spielraum für die Selbstbestimmung der syrischen Bevölkerung sieht er nicht. Für die Zivilgesellschaft kommt alles darauf an, dass Syrien befriedet werden kann.
Für den Iran brach mit dem Sieg der Hayat Tahrir al-Sham (HTS) das gesamte strategische Netzwerk in der Region zusammen. Die vom Iran unterstützte Hisbollah bleibe handlungsunfähig zurück, so Posch. Für Russland wiederum sei der Sturz des Assad Regimes ebenfalls eine Niederlage. Im Unterschied zu Alexander Dubowy sieht Posch Russland in einer machtpolitisch nun unterlegenen Position.
Nun, da die „Kleptokratie“ in Syrien beendet sei, verschiebe sich das geopolitische Gefüge grundlegend. „Es sieht so aus, als ob der syrische Konflikt Energie von anderen Konflikten anzieht. Die syrische Zivilgesellschaft, die es noch gibt, arbeitet dagegen. Es intervenieren die Türkei, es intervenieren die Israelis, es versuchen die Iraner und die Russen wieder zurückzukommen. Es gibt eine internationale Szene von Dschihadisten, Uiguren und Usbeken, die dem Konflikt ein vollkommen anderes Aussehen geben und es gibt natürlich die PKK-affilierten Gruppen in Nordostsyrien“, skizziert Walter Posch die aktuelle Situation.
Und die Syrer selbst? Die syrische Zivilgesellschaft habe bei aller Repression große Resilienz bewiesen, meint Posch. Jedoch käme es nun darauf an, die unterschiedlichen Interessen zu befrieden. Ein Prozess, der viele Jahre dauern könne.
Über Walter Posch
Walter Posch ist Iranist und Islamwissenschaftler. Er forscht und lehrt am Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement der Landesverteidigungsakademie in Wien, die zum Bundesministerium für Landesverteidigung gehört. Einer seiner Forschungsschwerpunkte sind Untergrundbewegungen des Nahen Ostens. Im Mai 2024 war Walter Posch zum Thema Israel und Iran im Podcast zu Gast.
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