Atommüll sicher lagern ist möglich

Strahlend, gefährlich und umstritten: Radioaktive Abfälle sind eine der größten Herausforderungen bei der Nutzung von Atomkraft. Die sichere Lagerung von Atommüll ist kompliziert und kostspielig – aber sie ist nicht unmöglich.

Illustration eines Fasses mit Atommüll vor einem Kraftwerk
Die sichere Lagerung radioaktiver Abfälle ist ein zentrales Problem der Kernenergie. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Safety first. Stark radioaktive Abfälle müssen wegen des enormen Schadenspotenzials für geologische Zeiträume sicher gelagert werden.
  • Teure Technik. Die Entsorgungskosten belasten die wirtschaftliche Gesamtbilanz der Kernkraft. Lang laufende AKW sind dennoch klar rentabel.
  • Lange Suche. In Deutschland will keine Region ein Endlager haben. Anderswo, etwa in Schweden, wird hingegen um diese Arbeitsplatz-Motoren gerittert.
  • Umdenken erforderlich. Der Ausstieg aus der Kohle wäre dem Klima dienlicher gewesen als der deutsche Atomausstieg.

In der Diskussion um die Risiken der Kernenergie spielt das Thema rund um die Lagerung strahlender Abfälle eine überaus bedeutende Rolle. Es geht dabei um Gefahren, Kosten und technische Lösungen. Um in die Materie einzutauchen, muss grundsätzlich unterschieden werden: Radioaktiver Abfall ist nicht gleich radioaktiver Abfall. Es gibt leicht- und mittelaktive Abfälle, die etwa im medizinischen Bereich, der Forschung oder in der Industrie anfallen. Die öffentliche Debatte konzentriert sich meist auf hochaktive Abfälle, die ein wesentlich kleineres Volumen darstellen – von denen aber eine Gefahr ausgeht.

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Widmen wir uns zunächst den leicht- und mittelaktiven Abfallstoffen. Diese haben einen geringen Anteil an Radioaktivität und sind zu einem großen Teil sehr kurzlebig. Denn: Auch die leicht- und mittelaktiven Abfälle können zum Beispiel Uran und Plutonium enthalten, nur in viel geringeren Mengen. Die Halbwertszeiten betragen dabei 30 Jahre oder weniger. Nach 300 Jahren hat sich deren Radioaktivität auf ein Tausendstel reduziert. 300 Jahre sind für uns eine lange Zeit. Dennoch ist diese Zeitspanne für uns greifbar und wird als historisch bezeichnet. Lässt man die zu Beginn erhöhte Radioaktivität abklingen, ist danach eine sichere Lagerung relativ unproblematisch möglich. Das passiert seit Jahrzehnten rund um den Globus.

Hochradioaktive Abfälle im Fokus

Beim Zerfall von hochradioaktiven Abfällen sprechen wir jedoch zusätzlich zu den kurzlebigen Produkten auch von Stoffen, deren Zerfall viele 100.000 Jahre beträgt, also geologische Zeiträume. Das Schadenspotenzial ist viel höher und die Stoffe sind sehr langlebig. Hier gibt es die höchsten Anteile an Uran in Form verschiedener Isotope und Plutonium. Ein sorgsamer Umgang ist also angebracht. Das Uran ist aufgrund seiner geringen spezifischen Aktivität nicht das Hauptproblem, sondern das Plutonium und das Americium. Und dann gibt es noch eine Reihe langlebiger Spaltprodukte, die in der Umwelt sehr mobil sind und in die Nahrungskette gelangen können: Iod-129 und Technetium-99.

Aus dem Uran entsteht aber wiederum Radium. Das ist mit einer Halbwertszeit von 1.600 Jahren wieder recht aktiv und zudem noch ziemlich mobil. Und: In den ersten Jahrzehnten kommt auch noch eine Wärmeabgabe von kurzlebigen Spaltprodukten hinzu.

Um die Dimension zu verstehen, sind einige Zahlen hilfreich. Der Anteil hochradioaktiver Abfälle am Gesamtvolumen der radioaktiven Abfälle in Deutschland beträgt rund fünf Prozent. Diese enthalten jedoch rund 99 Prozent der gesamten Radioaktivität aller Abfälle. In absoluten Zahlen: Die prognostizierten gesamten Abfallmengen in Deutschland für das Jahr 2080 (inklusive gegenwärtiger Bestände) betragen circa 304.000 Kubikmeter an radioaktiven Abfällen mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung (schwach- und mittelaktiv). Die teils hochaktiven Abfälle mit Wärmeentwicklung umfassen 28.100 Kubikmeter.

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Zahlen & Fakten

  • Nur fünf Prozent des deutschen Atommülls ist hochradioaktiv.
  • Die Halbwertszeit kann mehrere 100.000 Jahre betragen.
  • Schwach strahlender Müll ist nach 300 Jahren ohne großen Aufwand lagerbar.
  • Zur Einordnung: Schwach strahlender Müll umfasst in Deutschland 304.000 Kubikmeter, hochradioaktives Material „nur“ 28.100 Kubikmeter.

Wie geht man nun mit hochradioaktiven Abfällen um? Auch hier gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Wiederaufarbeitung radioaktiver Reststoffe und Endlagerung. In zahlreichen Ländern, die Kernkraft zur Energiegewinnung nutzen, wird der Atommüll erneut verwendet. Plutonium und Uran werden dabei zurückgewonnen. Der Rest wird verglast. Darunter versteht man die Einbettung der Stoffe in eine stabile Glasmatrix. Glas ist extrem dauerhaft – wir finden heute noch intakte Glasstücke, die in frühen Zeitaltern hergestellt wurden beziehungsweise aus der Natur selbst entstanden sind. Der deutsche Weg ist die einmalige Verwendung und darauf folgende (End-)Lagerung.

Hier kommen die medial breit diskutierten Castor-Behälter ins Spiel. Diese dienen dem Transport und als Zwischenlager. Diese Behälter sind extrem sicher. Sie widerstehen explodierenden Gastanks und selbst bei einem Flugzeugabsturz auf ein solches Zwischenlager kommt es zu keiner Freisetzung von Radioaktivität. Das Gefahrenpotenzial ist gering. Die mögliche Lagerzeit in diesen Castor-Behältern beträgt 40 Jahre. Für die Ewigkeit braucht es freilich andere Methoden.

Unterirdische (End-)Lagerung ist der einzig gangbare Weg

Denn die wirklich lange und sichere Lagerung kann nur unter Tage erfolgen – in tiefen geologischen Formationen. Das sind meist Bergwerke, deren Stollen und Schächte sehr tief hinunter reichen, im Idealfall mehrere hundert Meter. Wenn dabei alle Systeme zusammenpassen, sollte von den strahlenden Stoffen keine Gefahr mehr ausgehen. Was freilich ein Problem ist, sind die Kosten.

Die Erkundung eines geeigneten Standorts kostet wie im Fall des Lagers Gorleben etwa zwei bis drei Milliarden Euro. Momentan gibt es in Deutschland nur einen Standort für leicht- und mittelaktive Abfälle, den Schacht „Konrad“ in einem stillgelegten Eisenerz-Bergwerk bei Salzgitter. Dieser wird vermutlich Ende der 2020er-Jahre in Betrieb gehen. Der Schacht ist 303.000 Kubikmeter groß – würde folglich gerade noch ausreichen.

Nach der Räumung des als Endlager weggefallenen Salzstocks Asse, der als Zwischenlager gedient hat, und weiteren Abfällen aus der Urananreicherung wird freilich ein zweites Endlager in Deutschland gebraucht. Die Suche gestaltet sich schwierig. Eine Lösung ist in den kommenden zehn Jahren aber unabdingbar. Zusatzproblem: Für die hochaktiven Abfälle wird ein „jungfräulicher“ Standort gesucht. Das Bergwerk wird extra dafür aufgefahren und hat daher minimale Störungen und maximale Integrität. Die bisherigen (Zwischen-)Lager Konrad, Morsleben und Asse sind oder werden sein in ehemaligen Gewinnungsbergwerken, die also schon Störungen aufgrund ihrer Geschichte haben.

Knackpunkt Kosten: Lohnt sich Kernkraft wirtschaftlich?

Zieht man die hohen Kosten für die Lagerung radioaktiver Abfälle in Betracht, stellt sich die Frage, ob Kernkraftwerke überhaupt wirtschaftlich sinnvoll betrieben werden können. Die Antwort lautet: ja. Die Rentabilitätsfrage war zu Beginn des Kernkraft-Zeitalters berechtigt. Doch ein modernes Kernkraftwerk hat eine Laufzeit von 40 bis 50 Jahren. Ganz neue Kraftwerke sind sogar für 60 bis 80 Jahre Laufzeit ausgerichtet. Die Errichtung kostet drei bis sechs Milliarden Euro. Doch dann fallen sehr geringe Kosten an – wenn man das Kraftwerk stets unter Voll-Last laufen lässt. Ein laufendes Kraftwerk macht immer Gewinn.

Ein Beispiel: Ein abgeschriebener Reaktor der Konvoi-Klasse macht pro Jahr einen Reingewinn von etwa 350 Millionen Euro. Rechnet man das über die gesamte Laufzeit, kommt eine enorme Summe zusammen. Werden nun pro erzeugte Kilowattstunde (Konvoi-Kraftwerke haben eine Leistung von rund 1.400 Megawatt) ein bis zwei Zehntel Cent für die spätere Abfallentsorgung zurückgelegt, bleibt der Betrieb natürlich immer noch rentabel. Fazit: Gemessen am Gesamtumsatz des Reaktors, machen die Entsorgungskosten nur eine winzige Summe aus.

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Zahlen & Fakten

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Vor allem dienen Kernkraftwerke der Sicherung der Grundlast in den Stromnetzen. Ein Faktor, der bei Windkraftanlagen und Energiegewinnung aus der Sonne nicht gegeben ist. Deutschland hat sich freilich zum Atom-Austieg entschieden. An eine Trendwende glaube ich nicht.

Große Unterschiede im Umgang mit Kernenergie

Das führt uns zur Zukunft der Kernenergie: Länder wie Japan setzen stark auf diese Form der Energiegewinnung. Das mag auch mit der asiatischen Mentalität zu tun haben. Zwar gibt es auch dort Proteste – etwa nach dem Unglück von Fukushima. Doch in Asien werden Entscheidungen der Politik breiter hingenommen. Argumente werden nüchterner betrachtet. Ein Faktor, der in Deutschland weniger verbreitet ist. Das gilt auch für Atommüll. Eigentlich nicht ganz verständlich: Der Abfall ist ja vorhanden, also muss mit ihm umgegangen werden. Die Schweiz geht da einen wesentlich klügeren Weg, dieses Land ist im Umgang mit dem radioaktiven Abfall zehn Jahre voraus. Ein wesentlicher Umstand dabei ist intensive Bürgerbeteiligung.

Tatsächlich hat jedes Land einen eigenen Umgang mit der Thematik. Frankreich sticht etwa schon deshalb heraus, weil es auch Atommacht ist. Wer Kernwaffen besitzt, ist nachgerade gezwungen, auch auf Atomenergie zu setzen. Frankreich würde ich in der Vergangenheit sogar als nukleophil bezeichnen. Inzwischen mehren sich kritische Stimmen, aber in weitaus geringerem Umfang als in Deutschland. Und den Status der Atommacht möchten die meisten Franzosen auch nicht missen.

Um die Standortwahl des schwedischen Endlagers hat ein regelrechter Wettbewerb eingesetzt.

Bemerkenswert ist der Umgang der skandinavischen Länder mit Kernkraft. Finnland wird weltweit die erste Nation sein, die ein tatsächlich für die Ewigkeit bestimmtes Endlager errichtet – dieses steht kurz vor der Fertigstellung. Die dortige Bevölkerung scheint mit der politischen Entscheidung zufrieden zu sein. Ganz nach dem Motto: Wenn die Regierung so entscheidet, dann können wir uns auch sicher fühlen. In Schweden gibt es ebenfalls konkrete Pläne für ein Endlager. Zwei Orte, wo bereits Atomkraftwerke in Betrieb sind, sind dabei in der engeren Wahl. Um die Wahl des Standorts hat ein regelrechter Wettbewerb eingesetzt. Die Menschen sehen vorrangig die Arbeitsmöglichkeiten und eine Zukunftsperspektive bei dem Projekt. Das geht soweit, dass es Kompensationszahlungen für den Ort geben soll, der das Endlager nicht bekommt. Also eine völlig konträre Situation zu den Verhältnissen in Deutschland, wo es Entschädigungszahlungen für den bestimmten Ort geben könnte.

Hat Kernkraft eine Zukunft?

Ja, auch wenn die Rahmenbedingungen, vor allem die finanziellen, schwieriger werden. Energie aus Wind und Sonne wird hoch gefördert und, zumindest in Deutschland, wegen der Abnahmegarantie bevorzugt eingespeist. Von den Gestehungskosten sind inzwischen Wind und Solar an günstigen Standorten oft schon konkurrenzfähig. Atomkraftwerke lassen sich an windigen und sonnigen Tagen dann immer weniger rentabel betreiben. Aber, wie bereits ausgeführt: Um das ganze Jahr über die Grundversorgung sicherzustellen, sind Gas-, Kohle- oder Atomkraftwerke unabdingbar – solange nicht in großem Umfang die Energie der Erneuerbaren gespeichert werden kann. Fossile Energieträger oder Kernkraft sind daher in den meisten Regionen der Erde auch in Zukunft notwendig. Voraussetzung dafür sind die Einbindung der Bürger und vermehrtes Erklären von Nutzen, Gefahren und Sicherheitsmaßnahmen durch die Politik.

Fakten, Daten, klare Erklärmodelle – hier wurden gerade in Deutschland in der Vergangenheit einige Fehler gemacht. Die Akzeptanz der langfristigen Kernenergienutzung ist von Land zu Land sehr unterschiedlich und in Deutschland sicherlich nach wie vor nicht über 50 Prozent. Jedoch mehren sich auch in Deutschland in den letzten Jahren die Stimmen, der Ausstieg aus der Kohleverstromung hätte eher erfolgen sollen und die Kernenergienutzung, als CO2-arme Technik, hätte noch eine Zeitlang als Brückentechnologie dienen sollen. Auf alle Fälle sollte diese Diskussion stärker versachlicht und nicht, wie in der Vergangenheit häufig, von wenigen, dafür aber sehr lauten, Stimmen dominiert werden.

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Conclusio

So wichtig Kernkraft auch für eine saubere und stabile Energiewende ist – das Problem der Endlagerung des Atommülls harrt noch immer einer Lösung. Das erste Depot in Finnland steht zwar unmittelbar vor der Inbetriebnahme, doch in vielen Ländern gestaltet sich die Suche zäh. Hinzu kommen hohe Kosten. Für Techniker und Experten sieht zumindest die Theorie einfacher aus: Es ist möglich Atommüll sicher zu lagern. Voraussetzung für die Umsetzung in die Praxis ist ein Umdenken beim Thema Atomenergie und mehr Vertrauen in die Wissenschaft.