Die Aliens sind ganz schön weit weg
Ludmila Carone vom Grazer Institut für Weltraumforschung hilft mit ihren Klimamodellen, nach Leben auf weit entfernten Exoplaneten zu suchen.
Kein Sauerstoff, viel Methan. Unmengen Schwefel in der Atmosphäre. Vermutlich nicht einmal Sonnenlicht und überall speien Vulkane. „Trotzdem hat es funktioniert“, sagt Ludmila Carone, die am Grazer Institut für Weltraumforschung arbeitet. Unter diesen Bedingungen sind vor vermutlich rund vier Milliarden Jahren Einzeller entstanden – Leben.
Mehr Forschungsreisen
Carones versucht nun, Leben auch auf anderen Planeten ausfindig zu machen. Bis in die Neunzigerjahre hinein kannten wir nur die Planeten unseres Sonnensystems; und Leben haben wir dort bislang nicht gefunden. 1995 wurde der erste Exoplanet entdeckt, also ein Planet, der um einen anderen Stern als unsere Sonne kreist. Heute sind laut Nasa mehr als 5.000 bekannt. Ein paar dutzend davon gelten als potenziell habitabel; das heißt, dass es auf ihnen die Chance für Leben gibt – jedenfalls nach den Parametern, die wir kennen. „Das Problem ist: N=1. Wir haben nur die Erde“, sagt Carone. Wir wissen nicht, wie und unter welchen Bedingungen Leben sonst entstehen könnte.
Exoplaneten-Suche: Die Vermessung des Alls
Deshalb ist die Suche nach habitablen Exoplaneten eine Suche nach solchen mit erdähnlichen Bedingungen. Sie kreisen beispielsweise nicht zu nahe – zu heiß – und nicht zu weit weg – zu kalt – um ihren Stern. Carone erstellt 3D-Modelle von solchen Exoplaneten – „so wie der Planetendesigner Slartibartfast aus dem Roman Per Anhalter durch die Galaxis, nur dass ich sie am Computer erstelle“ – und simuliert deren mögliches Klima. Erdähnliche Atmosphären wurden bislang noch nicht entdeckt, aber die von heißen Jupitern sind schon länger bekannt und auch diese modelliert Carone. Durch das James-Webb-Teleskop, das ungeahnte neue Möglichkeiten bei der Erforschung und Vermessung des Alls bietet, ist ihre Arbeit noch einmal spannender geworden: Sie kann ihre Modelle mit dessen Messdaten abgleichen – und „glücklicherweise stimmen sie.“
Carone forscht in einem Feld, in dem „ein goldenes Zeitalter angebrochen ist“, erzählt sie. Das James-Webb-Teleskop erforscht Exoplanet um Exoplanet, 2026 startet die Raumsonde Plato der Europäischen Weltraumagentur, die Felsplaneten finden soll, und das Habitable Worlds Telescope, dessen Start in den 2040er geplant ist, soll eben ganz gezielt nach Planeten suchen, auf denen Leben möglich ist.
Leben auf Exoplaneten?
Wie optimistisch ist Carone, dass wir tatsächlich irgendwann außerirdisches Leben entdecken? Im Zuge ihrer Arbeit ist sie zu der Überzeugung gekommen, dass „es kein Problem sein sollte, irgendwo im All Mikroben zu finden. Irgendeine Protozelle.“ Aber selbst das sei eine Frage der Zeit: „Es würde mich nicht wundern, wenn es nicht in meiner Lebensspanne gelingt.“ Die Exoplanetenforschung ist ein sehr junges Gebiet, und jeder Durchbruch „ist begleitet von zehntausend Versuchen, wo es nicht funktioniert hat.“
Wir haben immer noch nicht begriffen, wie das einzige Leben, das wir kennen, entstanden ist.
Ludmila Carone
Die Suche nach außerirdischem Leben außerhalb unseres Sonnensystems steht erst ganz am Anfang. „Stellen Sie sich vor, Sie haben mitten in der Nacht die Haustürschlüssel verloren. Wo suchen Sie zuerst? Nicht im Stockdunklen, sondern dort, wo die Straßenlaternen leuchten, wo sie etwas sehen. Man beginnt immer da, wo es einfach ist.“
Einzeller, glaubt sie, könnten auch abseits der Erde relativ leicht entstehen – und damit hoffentlich auch einfacher zu finden sein. Aber komplexes Leben: Puh. Nicht unmöglich, aber schwierig. „Wir haben immer noch nicht begriffen, wie das einzige Leben, das wir kennen, entstanden ist“, sagt Carone. Dass wir noch so wenig über die Entstehung des Lebens auf der Erde wissen, macht die Suche nach Leben anderswo natürlich auch komplizierter. „Wir wissen nicht, ob es ein kosmischer Zufall war, oder ob das frühe Leben selbst dafür gesorgt hat, dass die Erde habitabler wird.“
Der böse Zwilling der Erde
Was wir wissen: „Das Leben auf der Erde ist extrem oft fast ausgestorben“, sagt Carone und erzählt vom Snowball-Earth-Szenario: „Durch die Photosynthese wurde Sauerstoff in die Atmosphäre geblasen, der allerdings die Treibhausgase aus der Luft gezogen hat – die Erde fror ein.“ Das ist zumindest einmal, vermutlich aber mehrfach passiert. Das Leben auf der Erde, sagt sie, „hat sich immer über Katastrophen hinweggerettet“.
Bei meinen 3D-Modellen ist es verdammt schwierig, nicht mit einer Venus zu enden.
Ludmila Carone
Dieser Überlebenskampf fand vor dem Hintergrund statt, dass die Erde, nach allem, was wir bislang wissen, trotzdem singulär ideale Bedingungen für Leben aufweist. Ein Beispiel: Fast immer, wenn Carone ein Klimamodell für einen Exoplaneten simuliert, kommt am Ende ein Planet wie die Venus heraus. „Die Venus ist der böse Zwilling der Erde. Wenn auf der Erde etwas schiefgegangen wäre, sähe sie aus wie die Venus. Ein bisschen näher dran an der Sonne – Venus. Ein bisschen mehr CO2 – Venus. Bei meinen 3D-Modellen ist es verdammt schwierig, nicht mit einer Venus zu enden“, sagt sie. Wir hier auf der Erde „hatten in vielen Belangen sehr viel Glück.“
Die größte Hoffnung ist 40 Lichtjahre entfernt
Trotzdem wurden zumindest einige Exoplaneten entdeckt, bei denen Forscher vermuten, dass dort potenziell Leben möglich wäre. Um den Stern Trappist-1 beispielsweise kreisen sieben Exoplaneten, und zumindest bei einem davon könnten die Bedingungen erdähnlich sein. Und die große Frage ist natürlich: Wie können wir wissen, ob auf einem solchen, rund 40 Lichtjahre entfernten Planeten, Leben existiert?
„Grundsätzlich suchen wir nach Biosignaturen, das sind Gase, die indirekt Hinweise auf Leben geben“, sagt Carone. Dabei gehe man vor wie Sherlock Holmes: „Wenn alle anderen Erklärungen ausgeschlossen sind, wie eine bestimmte Zusammensetzung der Atmosphäre zustande kommt, können wir von Leben ausgehen.“ Und Carone befürchtet, dass wir vielleicht nie an den Punkt kommen, an dem wir alle anderen Erklärungen ausschließen können. „Auch Sauerstoff kann beispielsweise abiotisch erzeugt werden“ – also nicht von Lebewesen. „Was wir also eigentlich tun müssen, ist in die Biosphäre der Planeten eindringen, einen Wasserkreislauf finden und eine chemische Zusammensetzung, die abiotisch nicht zu erklären ist.“
Bis die Sonde beispielsweise bei Trappist-1 ist, da sprechen wir schon von Jahrhunderten. Für den einzelnen Menschen ist das unbefriedigend, für die Menschheit spannend.
Ludmila Carone
Wenn auf einem Exoplaneten Photosynthese passiert, wenn es dort also komplexes Leben gibt, würde das die Identifikation von Leben massiv erleichtern: „Das Leben auf der Erde hinterlässt durch die Photosynthese Spuren im Reflexionsspektrum der Sonne. Danach soll auch das Habitable Worlds Observatory gezielt suchen“, sagt Carone.
Eine lange Reise
Wie dieses Leben aussieht, sollten wir es über diese Methoden finden, wäre dennoch komplett ungewiss. „Wenn man nicht wüsste, dass es Dinosaurier gab: Würde man sich so etwas vorstellen können? Absolut nicht.“ Die einzige Möglichkeit, das herauszufinden, wäre: Wir schicken eine Sonde hin. „Bis die Sonde beispielsweise bei Trappist-1 ist, da sprechen wir schon von Jahrhunderten. Für den einzelnen Menschen ist das unbefriedigend, für die Menschheit spannend. Man muss eine andere Zeitskala sehen – die Pyramiden stehen ja auch noch immer rum.“
Aber schon in den nächsten Jahren, prophezeit Carone, werden wir „dutzende Meldungen bekommen, dass eventuell Anzeichen von Leben entdeckt wurden und Wissenschaftler werden sich bei der Suche nach definitiven Antworten auf den Tod verfeinden.“
Über diese Serie
Unter dem Titel „Forschungsreisen“ präsentieren wir spannende Forschungsprojekte aus ganz Österreich. Der Pragmaticus war bereits zu Gast bei Peter Turchin vom Complexity Hub, der die USA vor einem Bürgerkrieg sieht, hat mit Alexander Lukeneder vom Naturhistorischen Museum nach Fossilien gesucht und sich von Lisa Bugnet am ISTA erzählen lassen, wie die Sterne klingen. Alle Forschungsreisen können Sie hier nachlesen.