Wie die Sterne klingen (nicht schön)
Österreichs jüngste Professorin Lisa Bugnet beschäftigt sich mit einem jungen Forschungsgebiet: Astroseismologie. Sie erforscht, wie Sterne beben und was das über sie aussagt.
Wenn man Lisa Bugnet bittet, ihre Arbeit zu erklären, fängt sie an zu trommeln. Sie klopft rhythmisch auf den Tisch, klimpert mit ihren Fingernägeln auf einem Wasserglas. „Ich brauche eigentlich ein Schlaginstrument in meinem Büro“, sagt sie und lacht. Weil sie vielen Menschen erklären muss, woran sie eigentlich forscht.
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„So wie es auf unserem Planeten Erdbeben gibt, gibt es auch Sternenbeben“, erklärt sie; deshalb heißt ihr Forschungsgebiet Astroseismologie. Im Unterschied zur Erde beben die Sterne aber nicht unregelmäßig. „Die Sonne zum Beispiel pulsiert alle fünf Minuten.“ Diese Pulse senden Schallwellen, und wenn man weiß, wie man sie deutet, können sie einem viel darüber erzählen, wie ein Stern aufgebaut ist und in seinem Inneren aussieht. So wie eben ein Glas Wasser anders klingt als ein Tisch – weil sie aus unterschiedlichen Materialien sind, eine unterschiedliche Dichte haben und so weiter.
Ausgewählt aus 1.229 Kandidaten
Seit dem Vorjahr forscht Lisa Bugnet am Institute of Science and Technology Austria (Ista) in Klosterneuburg, sie war dort nicht nur die erste Professorin für Astrophysik (mittlerweile ist der Bereich auf vier Professuren angewachsen), sondern ist mit ihren 29 Jahren die jüngste Professorin in ganz Österreich. Unter 1.229 Kandidaten war sie eine von acht, die vom Ista angeworben wurden. Sie wusste, dass es früh in ihrer Karriere war, sich für eine Professur zu bewerben; aber sie wusste auch, dass es das war, was sie wollte.
Es ist grundsätzlich schwierig, dafür finanziert zu werden, in die Sterne zu schauen.
Lisa Bugnet
„Normalerweise bekommt man nach dem PhD für einige Jahre PostDoc-Stellen mit befristeten Verträgen, bis man sich für eine Professur bewirbt, aber ich wollte nicht jedes Jahr woanders hinziehen.“ Denn gerade im Bereich der Astrophysik sei es nicht so, dass man sich als junger Wissenschaftler aussuchen kann, wo man arbeitet. „Es ist grundsätzlich schwierig, dafür finanziert zu werden, in die Sterne zu schauen.“
Die Zielstrebigkeit hat sie schon seit ihrer Kindheit: „Ich wusste damals schon, dass ich Astrophysikerin werden will“, erzählt sie. Die Begeisterung für die Sterne und das All weckte ihr Vater: „Er fotografierte leidenschaftlich gern den Himmel, also kaufte er sich ein Teleskop und dann noch ein größeres und noch ein größeres und baute sich eine Art Sternwarte im Garten, die er von seinem Büro aus fernsteuerte.“ Er machte Bilder von Galaxien, aber seine Tochter wollte verstehen, wie das All funktioniert. In ihrer Heimat Frankreich studierte sie dennoch zunächst Geowissenschaften, aber auch das ergibt Sinn. Das Wissen darum, wie die Erde bebt, gepaart mit ihrer Leidenschaft für das All, ergibt eben: Astroseismologie.
Was Astroseismologie ist und nicht ist
Astroseismologie, so hat es einmal jemand ausgedrückt, sei die Symphonie der Sterne. Das klingt zwar sehr schön, aber leider stimmt es nicht ganz. „Sterne sind extrem laut“, sagt Lisa Bugnet. Aber hören können wir sie trotzdem nicht, aus vielerlei Gründen. Wegen der Leere im All, die keinen Schall überträgt; und weil ihre Frequenzen sowieso zu tief für das menschliche Ohr sind. „Aber wir können Töne aus der Veränderung des Lichts rekonstruieren“, erklärt sie. Wenn man die dann noch in eine Frequenz moduliert, die für das menschliche Ohr wahrnehmbar ist, hört man immerhin ein dumpfes Wabern eines Sterns. „Sehr symphonisch ist es nicht“, sagt Bugnet.
Sterne sind wie Kernkraftwerke, sie verbrennen Wasserstoff zu Helium.
Lisa Bugnet
Das Wabern ist heißes Plasma, das sich zum Kern des Sterns und wieder zurück bewegt – denn Sterne haben keine feste Masse. Die Schwingungen, die daraus entstehen, werden von Satelliten und Teleskopen aufgezeichnet und dann interpretiert. „Eines der ersten Dinge, die wir vor einigen Jahrzehnten mittels dieser Methode über die Sonne gelernt haben, ist die Dichte des Kerns im Vergleich zur Dichte der Oberfläche“, erzählt Bugnet. Die Schwingungen können aber beispielsweise auch Auskunft über das Alter der Sterne geben. „Die Lebensdauer eines Sterns hängt davon ab, wie viel Brennstoff in seinem Zentrum verbrannt werden muss. Sterne sind wie Kernkraftwerke, sie verbrennen Wasserstoff zu Helium“, erklärt Bugnet. Durch die Schwingungen wird dem Kern mehr Wasserstoff zugeführt.
Wie das All funktioniert: Es ist kompliziert
Wenn ein Stern am Ende seines Lebenszyklus ist, hat der Kern nicht mehr die Kraft, die Masse zusammenzuhalten. Der Stern wächst, er wird zu einem sogenannten Roten Riesen, der mehr als hundertmal größer als unsere Sonne sein kann; und er verschlingt dabei zumeist die ersten Planeten in seiner Umlaufbahn – auch der Erde wird in ein paar hundert Millionen Jahren dieses Schicksal bevorstehen. Seine Schwingungen werden langsamer und langsamer, bis der Stern kollabiert.
Aber was bestimmt die Lebensdauer eines Sterns? Genau hier setzt die Forschung an, auf die sich Bugnet derzeit konzentriert: Astroseismologen gehen davon aus, dass Sterne grundsätzlich ein magnetisches Feld haben, das einen Einfluss darauf haben muss, wie die Sterne pulsieren. „Das haben wir bislang völlig ignoriert“, sagt sie. Warum? „Weil es zu kompliziert war.“ Astroseismologie ist ein relativ junges Feld und „man hantelt sich Schritt für Schritt voran und beginnt mit den einfachen Dingen.“
Aber Bugnet glaubt, dass die Erforschung der magnetischen Felder ein neues Licht auf den Lebenszyklus eines Sterns werfen kann. „Ich will aufräumen mit falschen Vorstellungen, wie sich Sterne entwickeln.“ Und irgendwann in den Himmel schauen und sich denken: Jetzt weiß ich, wie das All funktioniert.
Über diese Serie
Unter dem Titel „Forschungsreisen“ präsentieren wir spannende Forschungsprojekte aus ganz Österreich. Der Pragmaticus war bereits zu Gast beim „Austrian Space Weather Office“ in Graz, bei Markus Hengstschläger, der gerade an Embryoiden forscht, beim ISTA in Klosterneuburg, wo Francesco Locatello an kausaler KI forscht, im Naturhistorischen Museum, wo am Bestand der Blatthornkäfer geforscht wird und bei Elisabeth Mertl vom OFI, die daran forscht, wie Tierversuche in Zukunft vermieden werden können.