Schöne neue Tierwelt
Kühe, die kein Methan mehr rülpsen, und Schweine, deren Herzen in Menschen transplantiert werden können: Die Genschere CRISPR/Cas9 eröffnet ungeahnte Möglichkeiten – und sorgt für ethisch knifflige Fragen.

Auf den Punkt gebracht
- Invasive Arten. Die Aga-Kröte bedroht Australiens Ökosystem – Genmanipulation soll helfen, Zwergeutelmarder vor ihrem Gift zu schützen.
- Besserer Klimaschutz. Genetisch veränderte Kühe könnten durch ein angepasstes Mikrobiom weniger Methan ausstoßen.
- Neue Organspender. Schweineherzen könnten als Ersatz für menschliche Organe dienen – die Forschung steht vor Herausforderungen.
- Ethische Fragen. Genveränderte Tiere könnten Probleme lösen, bergen aber Risiken für Ökosysteme und moralische Dilemmata.
I. Die giftige Invasion

Die Aga-Kröte ist ein bisschen wie der Mensch: Sie breitet sich nahezu unaufhaltsam aus und ist existenzbedrohend für alle, die sich ihr in den Weg stellen. Und natürlich sind letzten Endes auch wieder wir Menschen schuld, dass sie in so vielen Weltgegenden ihr Unwesen treiben kann. Die ursprünglich in Mittel- und Südamerika heimische Kröte wurde bereits 1844 auf den Karibikinseln Martinique, Barbados und Jamaika in Zuckerrohrplantagen ausgesetzt, um Schädlinge zu fressen. In den 1930er-Jahren folgten Hawaii, Puerto Rico und blöderweise auch Australien.
Mehr im Dossier Genmanipulierte Tiere
Im isolierten Ökosystem des Inselkontinents verbreitete sich die Kröte noch schneller als überall sonst. Als sich herausstellte, dass die Agas als Schädlingsbekämpfer überhaupt nicht effektiv sind, war es bereits zu spät. Rund 40.000 Tiere waren 1935 in Australien ausgesetzt worden, im Jahr 2016 wurde der Bestand bereits auf 200 Millionen geschätzt.
Aga-Kröten sind nicht nur hässlich, sondern auch ziemlich groß: Sie können über zwanzig Zentimeter lang und mehrere Kilo schwer werden. Deshalb fressen sie ziemlich viel – und zwar jedes Insekt, das ihnen unterkommt. Den anderen Kröten, Fröschen und Eidechsen bleibt kaum mehr Futter übrig. Und wenn die Aga-Kröten groß genug sind, fressen sie auch noch die heimischen Kröten, Frösche und Eidechsen.
Marder beißt Kröte – tot
Zu allem Überfluss sind Aga-Kröten ausgesprochen giftig. So giftig, dass die meisten Raubtiere, die hineinbeißen, sofort tot sind. Den Zwergbeutelmarder zum Beispiel hat das an den Rand des Aussterbens gebracht. Andrew Pask, Biologe an der Universität Melbourne, erklärt das Problem:
„Das Gift führt zu Organversagen, Lähmung und Tod. Wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, wird der Zwergbeutelmarder voraussichtlich innerhalb der nächsten zehn Jahre in freier Wildbahn aussterben. Als Spitzenprädator spielt dieses Tier eine wichtige Rolle im Ökosystem, und sein Verschwinden würde das Gleichgewicht der Artenvielfalt erheblich stören. “
Deshalb hatte Pask eine Idee: Warum verändern wir die Gene des Zwergbeutelmarders nicht so, dass ihm das Gift der Kröte nichts mehr ausmacht? Damit wären zwei Fliegen mit einer Genmutation geschlagen: weniger tote Marder, mehr tote Kröten.
„In anderen Teilen der Welt haben viele Tierarten, die seit Hunderttausenden von Jahren mit solchen Kröten zusammenleben, eine natürliche Resistenz gegen deren Gift Bufotoxin entwickelt. Dieses Wissen eröffnet uns die Möglichkeit, den Zwergbeutelmarder durch genetische Veränderungen zu schützen. Die Idee ist, das Genom gezielt so zu verändern, dass es die gleichen Mutationen erhält, die bei anderen resistenten Arten durch natürliche Selektion entstanden sind. “
Zahlen & Fakten
Die Folgen der Kröte
Die Aga-Kröte hat nicht nur die Populationen des Zwergbeutelmarders in Australien stark dezimiert. Auch zahlreiche Arten, darunter Warane, Frischwasserkrokodile, Giftschlangen und Dingos sterben nach dem Verzehr der giftigen Kröten. Studien zeigen, dass Frischwasserkrokodile um bis zu 77 Prozent dezimiert wurden und Warane nahezu ausgestorben sind. Auch Vögel wie der Regenbogenspint leiden, da die Kröten ihre Nester besetzen und Eier sowie Jungtiere fressen. Zudem gefährden sie zahlreiche Schlangenarten – 49 Arten sind potenziell betroffen, darunter viele bereits bedrohte Spezies. Insgesamt sind 75 Reptilienarten durch die Kröten gefährdet. Eine Ausnahme bildet die Australische Schwarznatter, die in wenigen Generationen eine erhöhte Resistenz gegen das Krötengift entwickelt hat.
Mit CRISPR der Evolution nachhelfen
Weil der Marder bereits stark dezimiert wurde, experimentieren Pask und sein Team vorerst mit der Dickschwänzigen Schmalfußbeutelmaus und erzielten bereits große Erfolge. Die Resistenz gegen das Gift konnte vertausendfacht werden. Pask glaubt nicht, dass die Ergebnisse seiner Forschung einen problematischen Eingriff in die Natur darstellen; er will nur der Evolution ein bisschen auf die Sprünge helfen:
„Wenn die Zwergbeutelmarder genug Zeit hätten, sich anzupassen, könnte diese Mutation möglicherweise von selbst entstehen. Doch leider bleibt ihnen diese Zeit nicht. Mithilfe der CRISPR-Technologie können wir den Evolutionsprozess beschleunigen und dem Zwergbeutelmarder die dringend benötigte Resistenz innerhalb einer Generation verleihen. “
All diese neuen Möglichkeiten, die Natur zu optimieren, verdanken wir der auch als „Genschere“ bezeichneten CRISPR/Cas9-Technologie. Sie ist präziser als frühere Gentechnikverfahren und ermöglicht es deshalb, gezielt, effizient und viel schneller als zuvor einzelne Gene auszuschalten oder durch andere zu ersetzen. Für Wissenschaftler bietet das ungeahnte neue Möglichkeiten: Moskitos übertragen Krankheiten? Kein Problem, verändern wir einfach deren Genom so, dass sie sich nicht mehr fortpflanzen können. Kühe haben Hörner? Zu gefährlich, weg damit. Lachse wachsen zu langsam? Das können wir beschleunigen. Es ist ein bisschen wie bei Pippi Langstrumpf: Wir machen uns die Welt, widdewidde wie sie uns gefällt.
II. Das E-Auto unter den Kühen

Wobei, das tun wir eigentlich schon lange, wenn auch auf eine andere Art und Weise. Der Mensch hat der Erde mehr als nur seinen Stempel aufgedrückt. Nutztiere machen 60 Prozent der Biomasse von Säugetieren aus, wild lebende Tiere aber nicht 40, sondern nur noch vier Prozent. Die restlichen 36 Prozent bringen wir Menschen auf die Waage. Das spiegelt sich natürlich auch in den Emissionen wider. Für vier Prozent der weltweiten Treibhausgase sind allein Rinder verantwortlich. Vor allem aufgrund des Methans, das sie rülpsen, erklärt Ermias Kebreab von der kalifornischen Universität UC Davis:
„Die Quelle dieses Methans liegt im Pansen, der größten Kammer des Kuhmagens, die ein komplexes Ökosystem von Mikroorganismen beherbergt. Diese Mikroben spielen eine entscheidende Rolle bei der Umwandlung von Futter in Energie. Leider entsteht bei diesem Prozess auch Methan als Nebenprodukt, das die Kühe vor allem durch Aufstoßen freisetzen. Im Durchschnitt stößt eine einzelne Kuh jährlich etwa 100 Kilogramm Methan aus. “
Der Biologe machte weltweite Schlagzeilen, weil er mit seinem Team einen kühnen Plan verfolgt. Er will den Magen der Kuh so umbauen, dass sie kein Methan mehr ausstößt. Der Gedanke dahinter: Wenn Tiere, die wir massenhaft züchten, der Umwelt schaden, dann müssen wir sie eben so modifizieren, dass sie das nicht mehr tun. Kebreab forscht schon lange an Kühen und hat zum Beispiel herausgefunden, dass es die Emissionen stark verringern würde, die Tiere mit Algen zu füttern. Das ist aber nicht ganz einfach umzusetzen – insbesondere für jene Rinder, die auf Weiden grasen, wo selten Algen zu finden sind. Deshalb verfolgt der Wissenschaftler nun einen radikaleren Ansatz:
„Mein Team hat die Vision, eine probiotische Behandlung zu entwickeln, die das Mikrobiom eines Kalbes lebenslang verändert. Bei einer frühzeitigen Verabreichung, zum Beispiel im Rahmen von Routineimpfungen, würde diese Behandlung die CRISPR/Cas9-Technologie nutzen, um gezielt Gene von Mikroben, insbesondere von Methanogenen, zu verändern. Diese veränderten Mikroben würden entweder die methanproduzierenden Archaeen verdrängen oder ihre Stoffwechselwege unterbrechen und so die Methanproduktion an der Quelle stoppen. “
Genau genommen soll also gar nicht die Kuh verändert werden, sondern lediglich ihr Mikrobiom, also die Summe der Mikroorganismen in ihrem Magen. Das macht die Aufgabe allerdings nicht einfacher, denn so ein Mikrobiom ist relativ komplex:
„Der Pansen der Kuh beherbergt eine vielfältige mikrobielle Gemeinschaft – darunter Bakterien, Pilze und Archaeen –, die sich über Millionen von Jahren entwickelt hat. Dieses Ökosystem funktioniert wie eine fein abgestimmte Maschine, die Futter aufspaltet und Energie produziert, aber auch Methan als Nebenprodukt erzeugt. An der UC Davis sammeln Forscher Pansenflüssigkeitsproben von Kälbern von der Geburt bis zum Ende ihres Lebens. Diese Proben werden tiefgefroren und in Labors transportiert, wo moderne Sequenzierungstechnologien und maschinelle Lernalgorithmen die Genome der vorhandenen Mikroben rekonstruieren. Dieser Prozess ähnelt dem gleichzeitigen Lösen Hunderter von Puzzles, da die DNA eines jeden Mikroorganismus in Fragmente zerlegt wird, die wieder zusammengesetzt werden müssen. “
Jene Mikroben, die für das Methan verantwortlich sind, sollen dadurch identifiziert und dann entweder unterdrückt oder ersetzt werden. Der Weg dahin ist noch weit, von einigen Mikroben weiß man bisher nicht einmal, wie sie genetisch verändert werden könnten. Aber letzten Endes würde ein Durchbruch vielerlei Vorteile bringen, sagt Kebreab:
„Die möglichen Auswirkungen dieser Forschung gehen weit über die Methanreduzierung hinaus. Methanemissionen stellen für Rinder einen Energieverlust dar; bis zu zwölf Prozent ihrer Futterenergie wird in Form von Methan verschwendet. Die Umleitung dieser Energie in die Milch- und Fleischproduktion könnte die Effizienz und Produktivität der Viehzucht verbessern, was den Landwirten wirtschaftlich zugute käme und gleichzeitig den ökologischen Fußabdruck der Viehzucht verringern würde. “
III. Ein Herz für Menschen

Mehr als 100.000 Menschen warten jedes Jahr auf ein neues Organ. Viele von ihnen sterben, bevor sie eines bekommen. Eine mögliche Lösung des Problems trägt den etwas sperrigen Namen Xenotransplantation. Gemeint ist damit die Idee, tierische Organe in Menschen zu verpflanzen. Muhammad Mohiuddin, Chirurg an der University of Maryland School of Medicine, forscht daran seit nunmehr 33 Jahren.
„Die Reise begann mit Primaten wie Pavianen und Schimpansen, die aufgrund ihrer anatomischen Ähnlichkeit mit dem Menschen als erste Organspende-Kandidaten infrage kamen. Allerdings traten schnell erhebliche Nachteile zutage. Primaten wachsen sehr langsam und brauchen bis zu zwanzig Jahre, um die für eine Transplantation ihrer Organe erforderliche Größe zu erreichen. “
Deshalb landete er schnell bei Schweinen, die mehrere Vorteile gegenüber den Affen aufweisen, wie Mohiuddin erklärt:
„Das Schweineherz ist dem menschlichen anatomisch sehr ähnlich und erreicht innerhalb eines Jahres die Transplantationsgröße. Schweine vermehren sich schnell, mit Würfen von bis zu zehn Ferkeln und einer kurzen Trächtigkeitsdauer von nur 114 Tagen. “
Bloß: Mit dieser Erkenntnis ist es natürlich noch lange nicht getan. Die erste Herztransplantation von Mensch zu Mensch gelang erst im Jahre 1967; und tierische Organe zu verpflanzen, ist erheblich komplizierter.
„Organe von Schweinen werden vom menschlichen Körper sofort abgestoßen. Schuld daran sind Antikörper, die auf spezifische Antigene in Schweinezellen abzielen. Ein unmodifiziertes Schweineherz, das einem Menschen oder einem Pavian transplantiert wird, versagt innerhalb von Minuten. Um dieses Problem zu lösen, konzentrierten sich die Forscher auf die Identifizierung und Beseitigung dieser Antigene mittels Gentechnik. “
Auch dieses Vorhaben wurde durch CRISPR/Cas9 erleichtert. Die erste Transplantation eines genetisch modifizierten Schweineherzens in einen Menschen fand im Jahr 2022 statt – und wäre ohne Mohiuddins Forschung nicht möglich gewesen. Eine zweite Transplantation folgte im Jahr 2023. In beiden Fällen gilt: Operation gelungen, Patient tot. Beide behandelten Personen verstarben innerhalb von zwei Monaten:
„Beide Fälle machten deutlich, wie schwierig es ist, die Immunsuppression mit der fragilen Gesundheit todkranker Patienten in Einklang zu bringen. Im ersten Fall wiesen wir im Blut des Patienten DNA eines latenten Schweinevirus nach, das jedoch keine Krankheit auslöste. Bei der zweiten Transplantation wurden strengere Tests durchgeführt. Allerdings erwies sich die Anpassung des immunsuppressiven Regimes wiederum als schwierig. “
Aktuell ist Mohiuddin auf der Suche nach dem nächsten Patienten – der im Idealfall gesünder sein sollte als die ersten beiden. Weil er glaubt, dass Patienten mit einem besseren Immunsystem viel länger überleben würden:
„Künftige Transplantationen zielen darauf ab, die Überlebenszeit auf sechs bis zwölf Monate zu verlängern, wobei der Schwerpunkt auf gesundheitlich weniger eingeschränkten Patienten liegt. Wenn das Gesamtsystem eines Patienten gut funktioniert, er aber an einer lokal begrenzten Herzerkrankung leidet, könnte die Erfolgsquote viel höher sein. Auch Kinder, insbesondere solche mit angeborenen Herzfehlern, können davon profitieren. Ihr Immunsystem befindet sich noch in der Entwicklung, sodass es einfacher sein könnte, ihrem Körper beizubringen, das Schweineherz als eigenes zu akzeptieren. “
Zahlen & Fakten
Die Geschichte der Xenotransplantation
Erste Experimente mit Tierbluttransfusionen gab es bereits im 17. Jahrhundert, im 19. Jahrhundert wurden dann tierische Hauttransplantationen getestet, doch die Abstossungsreaktionen machten den Erfolg zunichte. Erst im 20. Jahrhundert führten medizinische Fortschritte zu ernsthaften Versuchen, darunter die Transplantation von Pavian- und Schimpansen-Nieren in den menschlichen Körper in den 1960er-Jahren. Die kurze Überlebensdauer der Patienten zeigte jedoch die immunologischen Hürden. In den 1980er-Jahren sorgte der Fall von „Baby Fae“ für Aufsehen: Einem Säugling mit einer tödlichen Herzkrankheit wurde ein Pavianherz transplantiert, doch auch hier scheiterte das Experiment an Abstossungsreaktionen. Nach den beiden Transplantationen eines Schweineherzens wurde 2024 auch eine Schweineniere transplantiert – der Patient starb wenige Wochen später, aber sein Tod stand offenbar nicht in Zusammenhang mit der Niere.
Derzeit sind Transplantationen nur bei Menschen möglich, die todkrank sind und keine sonstige Chance auf Heilung mehr haben. Damit die Schweineherzen auch anderen Patienten eingepflanzt werden dürfen, ist in den USA eine Zulassung durch die Food and Drug Administration (FDA) erforderlich – und die wird noch dauern:
„Der Weg zur Zulassung von Xenotransplantationen durch die FDA ist nach wie vor beschwerlich. Die FDA verlangt mehr Studien mit nichtmenschlichen Primaten, um das langfristige Überleben nachzuweisen und Bedenken hinsichtlich der Übertragung von Zoonosen auszuräumen. Außerdem verlangt die Behörde standardisierte Schweinemodelle für klinische Versuche. Derzeit stellen zwei US-Unternehmen gentechnisch veränderte Schweine für die Transplantation her. Wir brauchen eine einheitliche genetische Zusammensetzung dieser Schweine, um die Ergebnisse genau beurteilen zu können. “
Mohiuddins Ehrgeiz reicht indes noch viel weiter, er hofft auf noch viel weiter gehende Forschungsergebnisse:
„Mit Blick auf die Zukunft besteht mein ultimatives Ziel darin, gentechnisch veränderte Schweineherzen herzustellen, die bei einer Transplantation keine Immunsuppression erfordern. Das menschliche Immunsystem würde das Schweineorgan als sein eigenes erkennen. Es ist ein langer Weg, aber die Fortschritte, die wir gemacht haben, geben mir Hoffnung. Für die Millionen von Menschen, die auf eine lebensrettende Transplantation warten, ist unsere Arbeit von großer Bedeutung, denn sie ermöglicht eine Zukunft, in der niemand mehr auf ein Organ warten muss. “
IV. Tod den Moskitos!

Gabriele Werner-Felmayer ist nicht nur Mikrobiologin, sondern auch Mitglied der österreichischen Bioethikkommission und leitet das interdisziplinäre Bioethik-Netzwerk „Ethucation“. Wer, wenn nicht sie, könnte die Frage beantworten, die über all diesen Forschungen steht: Sollen wir das wirklich tun? Werner-Felmayer betrachtet die Versuche, Tiere genetisch zu modifizieren, differenziert. Kein Wunder, schließlich sind auch die Anwendungen, an denen geforscht wird, sehr unterschiedlich. Eines aber eint sie:
„Ein zentraler Punkt ist das Tierwohl. Hier gehen die Meinungen weit auseinander: Manche betrachten Tiere primär als Ressource, andere wiederum fordern für bestimmte Tierarten den Menschenrechten vergleichbare verfassungsmäßige Rechte. Die Art und Weise, wie wir Tiere behandeln, spiegelt auch unsere moralische und ethische Entwicklung wider. Wir denken heute differenzierter über diese Fragen nach als vor hundert Jahren. Trotzdem bleibt die Grundfrage, wie weit die Nutzung von Tieren für menschliche Interessen gehen darf. “
Das betrifft vor allem jene Versuche, bei denen Tiere einfach nur optimiert werden sollen, um dem Menschen besser zu dienen:
„Ist es ethisch vertretbar, eine Kuh genetisch so zu verändern, dass sie ein für Menschen gesundheitsförderndes Protein in ihrer Milch produziert? Das würde implizieren, dass der Mensch das alleinige Maß aller Dinge ist und Tiere nur seiner Gesundheit dienen sollen. Diese Haltung ist fragwürdig. Pferde für den Polo- oder Rennsport, Kühe ohne Hörner oder mit fetthaltigerem Fleisch, schnell wachsende Lachse, all diese Entwicklungen sind bereits gemacht worden, und mir stellt sich hier die immer gleiche Frage: Wer profitiert hiervon? “
Noch schwieriger wird die Debatte, wenn es um Tiere geht, die dem Menschen schaden. Niemand spricht Moskitos ein Schmerzempfinden zu, aber es ist trotzdem eine ganz andere Dimension, wenn nicht eine Mücke zerklatscht, sondern der Versuch unternommen wird, eine ganze Art gezielt auszurotten – was bereits geschieht. Weil es umgekehrt auch Millionen Menschenleben retten könnte, wenn diese Mücken mangels Existenz niemanden mehr mit Malaria anstecken können:
„Das ist eine hochkomplexe Abwägung, insbesondere wenn man weiß, was Malaria anrichtet. Es mag gerechtfertigt erscheinen. Aber wir sollten nie isoliert über solche Maßnahmen sprechen, sondern stets das gesamte Ökosystem betrachten. Ein Beispiel: In Europa gab es früher Malaria, die durch Umweltveränderungen zurückgedrängt wurde. Andererseits wäre beispielsweise in Namibia eine solche Landschaftsveränderung problematisch, weil sie die gesamte Artenvielfalt eines speziellen Ökosystems beeinträchtigen würde. Genetische Lösungen haben Konsequenzen, die wir sorgfältig abwägen müssen. Das fehlt mir oft in der Diskussion darüber, ob genetische Modifikationen gerechtfertigt sind. Sie brauchen jedenfalls flankierende Maßnahmen und strikte Regulierung. “
Dass man, wie eben beim Zwergbeutelmarder oder auch beim Methanausstoß der Kühe, versucht, mittels genetischer Veränderung Fehler auszumerzen, die Menschen früher begangen haben, hält Gabriele Werner-Felmayer für problematisch:
„Weil wir den Menschen vermitteln: Ist eh alles kein Problem. Es gibt immer ein paar Schrauben, an denen man technologisch drehen kann, um Fehlentwicklungen wieder zu korrigieren, aber generell müssen wir nichts überdenken. “
Dazu kommt: Sobald genetisch modifizierte Tiere in der freien Wildbahn ausgesetzt werden, kann das ungeahnte Konsequenzen für das gesamte Ökosystem haben – vergleichbar mit dem Wüten der Aga-Kröten in Australien. Und dann ist die Welt schon wieder nicht „widdewidde wie sie uns gefällt“.
Conclusio
Revolution. CRISPR/Cas9 revolutioniert die Biologie und eröffnet neue Möglichkeiten zur Lösung -globaler Probleme, vor allem beim Artenschutz. Doch mit jedem Eingriff in die Natur entstehen potenzielle Risiken.
Variation. Die Anwendungsgebiete sind sehr unterschiedlich. Sie reichen von der Transplantationsmedizin bis zur Ausrottung ganzer Arten und müssen deshalb auch unterschiedlich betrachtet und -abgewogen werden.
Restriktion. Gefahren lauern nicht nur bei ethischen Fragen wie dem Tierwohl, sondern auch bei ungewollten Konsequenzen: Genetisch veränderte Tiere in freier Wildbahn könnten Ökosysteme aus dem Gleichgewicht bringen.