Ein Herz für Menschen

Organspenden retten Leben, doch die Zahl der Spenderorgane reicht nicht aus. Xenotransplantation von Schweinen könnten die Lösung sein.

Illustration: Ein Chirurg jagt ein Schwein, um es für eine Xenotransplantation zu nutzen.
In Zukunft könnten wir Schweine züchten, um sie als Organspender für Herzen und andere Organe zu nutzen. © Michael Pleesz
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Auf den Punkt gebracht

  • Organmangel. Jährlich warten über 100.000 Menschen auf ein Spenderorgan, viele vergeblich.
  • Spenderschweine. Dank genetischer Anpassung sind Schweine die vielversprechendste Quelle für Xenotransplantate.
  • Immunsupression. Fortschritte in der Genbearbeitung und Immunsuppression haben Transplantationen ermöglicht.
  • Herausforderungen. Die ersten menschlichen Transplantationen brachten wertvolle Erkenntnisse, doch die Forschung steht noch am Anfang.

In einer Welt, in der jedes Jahr mehr als 100.000 Menschen auf eine lebensrettende Organtransplantation warten und viele von ihnen sterben, bevor sie ein Transplant erhalten, bietet die Arbeit an Xenotransplantationen – also die Transplantation von tierischen Organen und Zellen in den Menschen – einen Hoffnungsschimmer. Ich habe 33 Jahren daran geforscht, Xenotransplantation voranzutreiben, was im Jahr 2022 mit der bahnbrechenden Transplantation von genetisch veränderten Schweineherzen in menschliche Patienten seinen Höhepunkt fand.

Der Schwerpunkt meiner Forschung lag immer auf der Überwindung des Organmangels. Die Reise begann mit nichtmenschlichen Primaten wie Pavianen und Schimpansen, die aufgrund ihrer anatomischen Ähnlichkeit mit dem Menschen als erste Organspende-Kandidaten in Frage kamen. Allerdings traten schnell erhebliche Nachteile zutage. Primaten wachsen sehr langsam und brauchen bis zu 20 Jahre, um die für eine Transplantation erforderliche Größe zu erreichen. Darüber hinaus machten Bedenken wegen Zoonosekrankheiten wie HIV in Verbindung mit ihrer geringen Reproduktionsrate Primaten für groß angelegte Transplantationen unpraktisch.

Der Vorteil der Schweine

Dies führte die Forscher zu Schweinen, deren Vorteile frappierend waren. Das Schweineherz ist dem menschlichen anatomisch sehr ähnlich und erreicht innerhalb eines Jahres die Transplantationsgröße. Schweine vermehren sich schnell, mit Würfen von bis zu 10 Ferkeln und einer kurzen Trächtigkeitsdauer von nur 114 Tagen. Diese Eigenschaften in Verbindung mit den Fortschritten bei der genetischen Veränderung machten das Schwein zum idealen Kandidaten für die Xenotransplantation.

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Zahlen & Fakten

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Trotz ihrer vielversprechenden Eigenschaften werden Organe von Schweinen sofort abgestoßen, wenn sie in Menschen transplantiert werden. Schuld daran sind Antikörper, die auf spezifische Antigene abzielen, die auf Schweinezellen aktiviert werden. Ein unmodifiziertes Schweineherz, das einem Menschen oder einem Pavian transplantiert wird, versagt innerhalb von Minuten. Um dieses Problem zu lösen, konzentrierten sich die Forscher auf die Identifizierung und Beseitigung dieser Antigene durch Gentechnik.

Das Aufkommen von CRISPR-Cas9 hat diesen Prozess revolutioniert. Vor CRISPR war die Veränderung eines Gens und die Zucht von Schweinen mit mehreren deaktivierten Genen ein langsamer, arbeitsintensiver Prozess. Jetzt können die Forscher mehrere Gene gleichzeitig verändern, was den Fortschritt beschleunigt. Trotzdem war die Arbeit sehr mühsam. Es war wie das Schälen einer Zwiebel: Jede Schicht brachte neue Herausforderungen zum Vorschein.

Ein Herz im Bauch

Während meiner Arbeit an den National Institutes of Health (NIH) gelang meinem Team ein entscheidender Durchbruch. Anstatt das Herz eines Pavians zu ersetzen, implantierten wir ihm ein Schweineherz in den Bauch, um die Abstoßung zu untersuchen. Bei diesen Experimenten stellte sich heraus, dass die herkömmlichen immunsuppressiven Medikamente, die bei Transplantationen von Mensch zu Mensch eingesetzt werden, bei Transplantationen von Schwein zu Mensch unwirksam sind.

Bis 2020 haben wir erfolgreich Schweineherzen in die Brust von Pavianen transplantiert.

Wir entwickelten eine neuartige Behandlung, die auf das Zusammenspiel von B- und T-Zellen abzielt, die so genannte Kostimulationsblockade. Dank dieses Ansatzes konnten Schweineherzen in Pavianen über einen längeren Zeitraum überleben. Bis 2020 haben wir erfolgreich Schweineherzen in die Brust von Pavianen transplantiert und dabei Überlebenszeiten von bis zu neun Monaten erreicht.

Xenotransplantation: Der erste Erfolg

Der Höhepunkt jahrzehntelanger Forschung wurde 2022 erreicht, als das University of Maryland Medical Center die erste Transplantation eines gentechnisch veränderten Schweineherzens bei einem Menschen durchführte. Der schwerkranke Patient, dem keine anderen Optionen zur Verfügung standen, erhielt im Rahmen der „compassionate use“-Bestimmungen der zuständigen „US Food and Drug Administration“ (FDA) Zugang zu der Transplantation. Eine zweite Transplantation folgte im Jahr 2023.

Beide Fälle machten deutlich, wie schwierig es ist, die Immunsuppression mit der fragilen Gesundheit todkranker Patienten in Einklang zu bringen. Im ersten Fall wiesen wir im Blut des Patienten DNA eines latenten Schweinevirus nach, das jedoch keine Krankheit auslöste. Bei der zweiten Transplantation wurden strengere Tests durchgeführt. Allerdings erwies sich die Anpassung des immunsuppressiven Regimes als schwierig. Beide Patienten verstarben innerhalb von zwei Monaten nach der Transplantation.

Trotzdem lieferten die Transplantationen unschätzbare Erkenntnisse. Wir sind diesen Patienten unendlich dankbar. Sie waren sich der Risiken bewusst und haben sich dennoch zur Teilnahme entschlossen, weil sie wussten, dass ihre Erfahrungen die Forschung voranbringen können.

Die Horizonte erweitern: Nieren, Lebern und mehr

Seit unserer Arbeit haben andere Forscher erfolgreich gentechnisch veränderte Schweinenieren und -lebern in Menschen transplantiert. Auch wenn diese Fortschritte ermutigend sind, rate ich zur Vorsicht. Es hat 33 Jahre gedauert, bis wir so weit waren, und es könnten noch unvorhergesehene Herausforderungen auf uns zukommen.

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Zahlen & Fakten

Die Geschichte der Xenotransplantation

Erste Experimente mit Tierbluttransfusionen gab es bereits im 17. Jahrhundert, im 19. Jahrhundert wurden dann tierische Hauttransplantationen getestet, doch die Abstossungsreaktionen machten den Erfolg zunichte. Erst im 20. Jahrhundert führten medizinische Fortschritte zu ernsthaften Versuchen, darunter die Transplantation von Pavian- und Schimpansen-Nieren in den menschlichen Körper in den 1960er-Jahren. Die kurze Überlebensdauer der Patienten zeigte jedoch die immunologischen Hürden. In den 1980er-Jahren sorgte der Fall von „Baby Fae“ für Aufsehen: Einem Säugling mit einer tödlichen Herzkrankheit wurde ein Pavianherz transplantiert, doch auch hier scheiterte das Experiment an Abstossungsreaktionen. Nach den beiden Transplantationen eines Schweineherzens wurde 2024 auch eine Schweineniere transplantiert – der Patient starb wenige Wochen später, aber sein Tod stand offenbar nicht in Zusammenhang mit der Niere.

Künftige Transplantationen zielen darauf ab, die Überlebenszeit auf sechs Monate bis ein Jahr zu verlängern, wobei der Schwerpunkt auf gesünderen Patienten liegt. Wenn das Gesamtsystem eines Patienten gut funktioniert, er aber an einer lokal begrenzten Herzerkrankung leidet, könnte die Erfolgsquote viel höher sein. Auch Kinder, insbesondere solche mit angeborenen Herzfehlern, können davon profitieren. Ihr Immunsystem befindet sich noch in der Entwicklung, so dass es einfacher sein könnte, ihrem Körper beizubringen, das Schweineherz als sein eigenes zu akzeptieren.

Der Weg zur Zulassung von Xenotransplantationen durch die FDA ist nach wie vor beschwerlich. Die FDA verlangt mehr Studien mit nicht-menschlichen Primaten, um das langfristige Überleben nachzuweisen und Bedenken hinsichtlich der Übertragung von Zoonosen auszuräumen. Außerdem verlangen die Protokolle der Behörde standardisierte Schweinemodelle für klinische Versuche. Derzeit stellen zwei US-Unternehmen gentechnisch veränderte Schweine für die Transplantation her. Wir brauchen eine einheitliche genetische Zusammensetzung dieser Schweine, um die Ergebnisse genau beurteilen zu können.

Unser ultimatives Ziel ist ein Schweineherz, das keine Immunsuppression mehr benötigt.

Auch ethische Erwägungen spielen eine große Rolle, vor allem bei pädiatrischen Fällen. Kinder können nicht einwilligen, also müssen die Eltern die Entscheidung treffen. Wenn eine Transplantation fehlschlägt, wird sie sehr genau unter die Lupe genommen werden. Umgekehrt würden Kinder am meisten davon profitieren, und wir sind verpflichtet, die Sicherheit dieser Verfahren zu gewährleisten, bevor wir sie durchführen.

Der Weg in die Zukunft

Mit Blick auf die Zukunft besteht mein ultimatives Ziel darin, gentechnisch veränderte Schweineherzen herzustellen, die keine Immunsuppression benötigen. Das menschliche Immunsystem würde das Schweineorgan als sein eigenes erkennen. Eine andere Möglichkeit ist die Herbeiführung von Toleranz, bei der die Immunsuppression allmählich zurückgenommen wird, wenn der Körper das Transplantat annimmt. Diese Fortschritte würden die Xenotransplantation revolutionieren und sie zu einer brauchbaren Alternative zu menschlichen Spenderorganen machen.

Im Moment liegt der Schwerpunkt noch auf der Verfeinerung der Techniken und der Durchführung klinischer Studien. Wir prüfen derzeit potenzielle Kandidaten für unsere nächste Transplantation. Ziel ist es, Patienten mit niedrigen Antikörperspiegeln gegen Schweineantigene zu identifizieren, um das Risiko einer Abstoßung zu verringern. In der Zwischenzeit suchen die Forscher weiter nach Möglichkeiten, das Gene Editing und die immunsuppressiven Therapien zu optimieren.

Es ist ein langer Weg, aber die Fortschritte, die wir gemacht haben, geben mir Hoffnung. Für die Millionen von Menschen, die auf eine lebensrettende Transplantation warten, ist unsere Arbeit von großer Bedeutung, denn sie ermöglicht eine Zukunft, in der niemand mehr auf ein Organ warten muss.

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Conclusio

Gestern. Die erste Transplantation eines Schweineherzens in einen Menschen fand 2022 statt – ein Meilenstein der Medizin.

Heute. Gentechnische Anpassungen und neue Immunsuppressionsstrategien sind entscheidend für den Erfolg der Xenotransplantation.

Morgen. Weitere Forschung und klinische Studien sind nötig, um Xenotransplantationen zur sicheren Alternative für Patienten zu machen.

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