Lasst die Leser doch in Ruhe!
Die Kritik an Frauen, die bei den Kindern bleiben, ist symptomatisch: Viele Medienschaffende haben ganz andere Vorstellungen vom Leben als ihre Kundschaft. Das ist das Problem der Medien.
Es war eine an sich wenig spektakuläre Studie, die jüngst die Frage zu klären versuchte, warum viele Frauen nach der Geburt eines Kindes oft ein paar Jahre nicht arbeiten, sondern sich um die Aufzucht des Nachwuchses kümmern. Das Ergebnis: Fast 80 Prozent der Mütter mit Kindern unter einem Jahr geben an, „freiwillig“ zu Hause zu bleiben. Und nur sieben Prozent finden, mangelnde oder zu teure Betreuungsangebote seien schuld an ihrer Abstinenz vom Arbeitsmarkt.
Mich hat nicht dieses doch irgendwie erwartbare Ergebnis überrascht, sondern die Reaktion vieler Medienschaffender, vor allem in den sozialen Medien, auf diese Zahlen. Die einen bezweifelten die Methodik, die anderen verzweifelten an der offenkundigen Rückständigkeit von Frauen, die es vorziehen, ihre Kinder ein paar Jahre eigenhändig zu erziehen, anstatt Geld verdienen zu gehen und den Nachwuchs staatlichen Einrichtungen zu überantworten.
Dass sehr viele Familien es einfach für richtig erachten, so zu leben, wie das vielleicht einem eher traditionellen Rollenverständnis entsprechen mag, stößt bei erheblichen Teilen des politisch doch eher links/grün verorteten Medienbetriebes im besten Fall auf Unverständnis, im schlechteren auf eine anmaßende Selbstüberhöhung, besser zu wissen, was gut ist für Familien und deren Kinder.
Verärgerte Erklärbären
Mir erscheint das bis zu einem gewissen Grade typisch für die unterschiedlichen Blickwinkel, aus denen einerseits die ganz gewöhnlichen Menschen auf die Welt schauen und andererseits die hauptberuflichen Erklärbären und Erklärbärinnen in den Medien. Für Erstere scheint ein ganz traditionelles Familienbild in vielen Fällen so erstrebenswert zu sein, wie es für Letztere ein Ärgernis darstellt. Es ist dies eine Diskrepanz, die uns auch in vielen anderen Fragen immer wieder begegnet. Vermutlich ist zum Beispiel die Verwendung einer „gendergerechten“ Sprache, wie sie von vielen Medienschaffenden und -Innen gerne verwendet wird, der Mehrheit der Menschen entweder ein Ärgernis oder doch zumindest kein Anliegen.
Geht’s den Frauen gut, geht’s allen gut
Auch die immer dreister werdenden Versuche, uns unsere vermeintlich schlechten Angewohnheiten – von Flugreisen übers Fleischessen bis zum Erwerb eines schnurrenden Sechszylinders – abzugewöhnen, wie das nicht wenige Medienschaffende mit Vergnügen probieren, dürften sich in der Lebenswirklichkeit der meisten Menschen überschaubarer Zustimmung erfreuen.
Gut möglich, dass diese Diskrepanz zwischen der Art, wie Medienmacher auf die Welt schauen, und der, wie ihre Leserinnen und Leser diese Welt erleben, einer der Gründe dafür ist, dass Medien immer weniger Vertrauen genießen und dementsprechend in vielen Fällen auch wirtschaftliche Einbußen erleiden.
Mich wundert das nicht besonders. Denn dafür, von abgehobenen Medienmenschen als irgendwie umerziehungsbedürftige Kreatur verstanden zu werden, die dringend auf den Pfad der Tugend geführt werden muss, bezahle ich eigentlich auch nicht gerne. Im Übrigen wäre es vielleicht eine gute Idee, Frauen einfach in Ruhe zu lassen in der Frage, ob sie bei ihren kleinen Kindern zu Hause bleiben wollen oder eben nicht. Das geht nämlich im Grunde niemanden etwas an.