Die Zukunft ist afrikanisch
Afrika wird immer bedeutender – politisch, wirtschaftlich, ökologisch und zunehmend auch kulturell. Warum Europa sein Verhältnis zum Nachbarkontinent zum eigenen Vorteil neu denken und gestalten sollte.

Es gibt diese romantische europäische Vorstellung, dass die Afrikaner in kleinen Dörfern leben, tagsüber ihren Acker bebauen, abends nach Hause kommen, ums Feuer tanzen und ihren Kindern alte Geschichten erzählen. Doch dieses Afrika ist tot. Wir leben im 21. Jahrhundert.
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Afrika ist der reichste Kontinent der Welt. Afrika hat einen gigantischen Ressourcenreichtum, von dem der Rest der Welt schon lange und die eigene Bevölkerung bislang skandalös wenig profitiert hat. Afrika verfügt über 60 Prozent der noch nicht bewirtschafteten Agrarflächen des Planeten. Und vermutlich am wichtigsten: Afrika hat eine Bevölkerung, die so jung ist und so rasant wächst, dass sie zu einem ökonomischen und sozialen Faktor geworden ist, den man nicht mehr ignorieren kann.
Hier wächst eine Macht heran, mit der zu rechnen ist – im Guten wie im Schlechten.
Mehr als die Hälfte aller Afrikaner ist jünger als 18 Jahre. Bis zum Jahr 2050 wird die dortige Bevölkerung auf 2,5 Milliarden Menschen steigen. Dann werden rund 28 Prozent der Weltbevölkerung Afrikaner sein und nur etwa sieben Prozent Europäer. Eine gealterte europäische Gesellschaft wird sich auf ihrem Nachbarkontinent der größten Jugendbevölkerung in der Geschichte der Menschheit gegenübersehen. Hier wächst eine Macht heran, mit der zu rechnen ist – im Guten wie im Schlechten. Macht ist die richtige strategische Kategorie, mit der wir auf diese globale Herausforderung blicken sollten. Der Jugend Afrikas eine Perspektive zu geben, ist eine der größten Aufgaben des 21. Jahrhunderts.
Vor 140 Jahren haben die Europäer auf der Berliner Konferenz von 1885 Afrika untereinander aufgeteilt, als ob es dort keine Königreiche gäbe, als ob die Afrikaner keine eigenen Geschichten hätten. Geschichten wie jene von der Pilgerfahrt des Königs von Mali, der im 14. Jahrhundert der reichste Mann der Welt war. Auf seiner Pilgerfahrt nach Mekka finanzierte Mansa Musa Moscheebauten und gab so viel Gold an Arme, dass die goldbasierte Währung Ägyptens um ein Viertel sank und das Land in eine zehnjährige Inflation stieß. Alles vergessen.
Man hatte auch vergessen, dass das Äthiopische Reich im Mittelalter enge Kontakte zu Europa unterhielt – zum Vatikan und vor allem zu Portugal, der damals größten Kontinentalmacht in Afrika. Dennoch lud man weder Äthiopien noch die anderen damals unabhängigen Staaten Liberia und Marokko oder Repräsentanten einer der regionalen Entitäten des Kontinents nach Berlin ein. Sehr wohl jedoch einen Vertreter des Osmanischen Reiches.

Teile und herrsche
Die Europäer haben das Prinzip Divide et impera nach Afrika gebracht. Nur dadurch konnten sie in weniger als fünfzig Jahren den gesamten Kontinent kolonisieren. Bis heute ist für Europa ein schwaches Land offenbar besser als ein starkes, denn fast jede separatistische Bewegung seit den 1960er-Jahren wurde von Europa unter dem Vorwand der Menschenrechte unterstützt.
Doch das angebliche Recht eines kleinen Volkes, über sich selbst zu bestimmen, produziert nur noch mehr arme Länder, die sich nicht selbst ernähren können, wie Eritrea oder Südsudan. In Afrika leben 3.000 Völker, jedes einzelne afrikanische Land ist multiethnisch. Jedem Volk sein eigenes Land zu geben, ist undenkbar. Minderheitenrechte sollten durch föderalistische Strukturen gewahrt werden, doch die territoriale Integrität ist tabu. Stabile Staaten können sich nur bilden, wenn die von den Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union anerkannten Grenzen nicht angetastet werden. Small ist alles andere als beautiful.
Die weltweit größten Exporteure von Migranten sind afrikanische Diktaturen.
Die Armut im rohstoffreichsten Kontinent der Welt ist eine Folge von Korruption und Misswirtschaft autoritärer Regierungen, die sich – stabilisiert durch europäische Steuergelder – auf Kosten der Bevölkerung bereichern. Das einzige vollständig demokratische Land in Afrika ist Botswana.
Good Governance ist das A und O für Wohlstand und Frieden auf dem Kontinent. Was Afrika am meisten braucht, sind zuverlässige demokratische Institutionen. Den viel zitierten „europäischen Werten“ zum Trotz ist die europäische Realpolitik in Afrika von Doppelzüngigkeit geprägt. Europa reklamiert Demokratie und Rechtsstaatlichkeit für sich, während es mit Steuergeldern afrikanische Gewaltherrscher alimentiert, die den Menschen in ihren eigenen Ländern keine Möglichkeit für ein menschenwürdiges Dasein geben. Hier liegt die Ursache für die Migration: Die weltweit größten Exporteure von Migranten sind afrikanische Diktaturen.
Kampf gegen die alten Kolonialherren
Das Idol der afrikanischen Jugend ist Ibrahim Traoré, Präsident von Burkina Faso und mit 37 Jahren der jüngste Staatschef der Welt. Traoré bekämpft den französischen Neokolonialismus mit allen Mitteln. Und das aus gutem Grund: Bevor Frankreich seine Kolonien in die Unabhängigkeit entlassen hat, sicherte es sich mit langfristigen Verträgen alle Ressourcen, die es braucht.
Niger ist offiziell das ärmste Land der Welt. Zugleich ist es der weltweit drittgrößte Exporteur von Uran. Wie das zusammenpasst? Mehr als 60 Prozent der Atommeiler, die es in Frankreich gibt, werden mit Uran aus Niger versorgt. Und in den 60 Jahren, seitdem dieses Land unabhängig geworden ist, hat Frankreich dafür nur einen Bruchteil des Weltmarktpreises bezahlt. Im Gegensatz zur Bevölkerung lebten die Machthaber in Luxus, finanziert von Frankreich.
Ein anderes Beispiel. Senegal ist ein souveränes, in den Vereinten Nationen vertretenes Land. Doch wenn dessen Finanzminister einen Kredit von der Weltbank oder dem Internationalen Währungsfonds haben will, muss er das Ansuchen zur Unterzeichnung zuerst an den Präsidenten der französischen Nationalbank in Paris schicken. Denn Senegals Währung, der CFA-Franc, ist mit festem Wechselkurs an den französischen Franc, und damit heute an den Euro, gebunden. Alle 14 Länder der CFA-Franc-Zone müssen mindestens 50 Prozent ihrer Goldreserven physisch in Frankreich einlagern.

Eine eigene Agenda
Afrika muss geeint werden und unabhängig sein. Dazu braucht es keine Entwicklungshilfe, sondern gute Regierungsführung, Bildung und eine florierende Wirtschaft. Darauf zielt auch die Agenda 2063 der Afrikanischen Union ab (siehe hier). Sie wurde von Afrikanern durchdacht, mit Afrikanern diskutiert und von Afrikanern hervorgebracht. Die Europäische Union sollte diese Agenda übernehmen und als afrikanische Ziele und Werte akzeptieren und unterstützen.
In der Bildung muss das System der dualen Ausbildung nach dem Vorbild Deutschlands und Österreichs mehr Gewicht bekommen. Aus gutem Grund arbeiten die verschiedenen Handwerkskammern zusammen und unterstützen Leute, die praktische Fähigkeiten nach Afrika bringen. Zurzeit sind wir dabei, eine Art akademisches Proletariat aufzubauen. Äthiopien bringt an den rund zwanzig Universitäten des Landes jährlich ungefähr 65.000 Absolventen mit einem akademischen Abschluss hervor. Doch wir sind nur imstande, jedem Zwanzigsten davon Brot und Arbeit zu geben. Zugleich fehlt es an Handwerkern wie Maurern oder Dachdeckern.
Eine der größten Leistungen der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Äthiopien war es daher, Pflasterstraßen zu bauen. Asphaltstraßen müssen oft schon nach der zweiten Regenzeit instandgesetzt werden, und dafür fehlt das Geld. Aber jeder Mann kann die Steine bei Bedarf herausnehmen, klopfen und wieder einsetzen. So müssen wir denken, um der afrikanischen Jugend Arbeit und eine Zukunft zu geben.
Wir sollten alles tun, um europäische Unternehmen zu Investitionen in Afrika zu motivieren.
In Deutschland gibt es ungefähr 49.000 international operierende Unternehmen, davon sind weniger als 900 in Afrika tätig. Dem gegenüber stehen 16.000 Firmen aus China, die den Kontinent vor Ort beackern. Diese kommen nicht als Wohltäter, sie sagen einfach: Ich will dein Gold, dafür baue ich dir eine Eisenbahn. Und in letzter Zeit haben tausende Firmen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten den Kontinent entdeckt und China bei den Investitionen in Afrika bereits überholt.
Vor Ort produzieren lohnt
Wir sollten alles tun, um europäische Unternehmen zu Investitionen in Afrika zu motivieren. Die Angst vor Verstaatlichung ist unbegründet. Kein einziges afrikanisches Land kann auch nur zwei Tage ohne die Weltbank leben. Und für die Weltbank ist es ein unverrückbarer Grundsatz, unverzüglich sämtliche Zahlungen einzustellen, wenn auch nur ein einziges ausländisches Unternehmen verstaatlicht wird.
Afrika wird sich zu einem riesigen Konsumgütermarkt entwickeln. Wer nicht vor Ort produziert, wird keinen einzigen Kühlschrank auf dem Kontinent verkaufen können, denn nirgendwo gibt es billigere Arbeitskräfte. Europa sollte sich des Orakelspruchs der Pythia entsinnen, der in Herodots „Historíai“ überliefert ist: „Wer zu spät kommt nach dem viel gepriesenen Libyen, wenn die Felder schon verteilt sind, der wird es bitter bereuen.“
Die abgebildeten, zeitgenössischen Kunstwerke sind von afrikanischen Malern, die zu den besten ihres Kontinents gehören und am Kunstmarkt hoch angesehen sind. Alle Künstler werden exklusiv von der Schütz Art Galerie in Engelhartszell vertreten. Die Bilder gelangen zusammen mit Werken aller gezeigten Künstler in den weiteren Reports des Dossiers zu einer Auktion, deren Reinerlös der Förderung von Bildung und wirtschaftlicher Entwicklung in Afrika zugutekommt. Zeit und Ort sowie weitere Details erfahren Sie in unserem Newsletter oder auf derpragmaticus.com.