Kinder, Geld oder Liebe: Was uns wirklich glücklich macht
Machen Kinder glücklich? Oder ist es doch Geld, Erfolg oder die Liebe? Ökonomen werten seit über drei Jahrzehnten Daten aus, um Antworten auf die großen Fragen des Lebens zu finden.

Auf den Punkt gebracht
- Datenmenge. Ökonomen werten Millionen von Daten von Bürgern auf der ganzen Welt aus, um hervorzukehren, was glücklich macht.
- Geld. Reiche Menschen sind meist glücklicher als arme, aber der Effekt ist geringer, als viele meinen.
- Irrweg. Trotzdem wenden Menschen zu viel Energie dafür auf, mehr Geld zu verdienen und Erfolg zu haben.
- Verschiebung. Das Glücksniveau der Amerikaner sank in den letzten Jahren, während es in Westeuropa stabil blieb.
Die Worte „Ökonomie“ und „Glück“ kommen für gewöhnlich nicht in einem Satz vor. Doch die Wirtschaftswissenschaften haben sich in letzter Zeit verändert. Wir nähern uns anderen Fächern wie der Psychologie und der öffentlichen Gesundheit an. Viele Ökonomen interessieren sich jetzt dafür, was Menschen ein erfülltes Leben ermöglicht. Und vor allem interessiert uns, was ganze Nationen glücklich macht. Wie ist also der aktuelle Stand der Glücksökonomie?
Am besten beginnen wir mit einer Erklärung unseres Forschungsansatzes: Die Methoden der Ökonomie sind formal und etwas mathematisch. Sie ähneln denen, die Epidemiologen und andere medizinische Statistiker anwenden, wenn sie uns beispielsweise den Rat geben, nicht zu rauchen und stattdessen Obst und Gemüse zu essen.
Wirtschaftswissenschaftler arbeiten mit Stichproben, manchmal von Millionen von Bürgern aus verschiedenen Ländern der Welt, und suchen in Glücksumfragen nach wiederkehrenden Antwortmustern. Ziel unserer Forschung ist, auf statistischem Wege jene Aspekte zu ermitteln, die bei unterschiedlichen Gruppen von Menschen zu mehr oder weniger Wohlbefinden und zu guter oder schlechter psychischer Gesundheit führen. Dabei fragen wir die Leute nicht, was sie glücklich macht, sondern einfach, wie sie sich fühlen. Danach sehen wir uns an, welche Faktoren das Leben der glücklichen und der unglücklichen Menschen ausmachen. Diese Forschung begeistert mich schon seit den frühen 1990er-Jahren. Für mich ist dieses Thema wichtiger als jedes andere.
Was mich erfüllt
Welche Ratschläge würde ich also geben, basierend auf allen Forschungsartikeln, die ich in den letzten dreißig Jahren gelesen oder geschrieben habe? Ich werde hier vor allem Dinge nennen, an die ich mich auch selbst halte, weil ich an sie glaube.
Zunächst einige Fakten: Wir haben festgestellt, dass Frauen im Schnitt glücklicher sind als Männer. Das Gleiche gilt für Menschen mit vielen Freunden. Wer sich als glücklich empfindet, ist in der Regel verheiratet oder lebt in einer festen Partnerschaft. Das gilt für heterosexuelle Paare ebenso wie für homosexuelle.
Die Jungen und die Alten sind glücklicher, das Lebensglück nimmt also einen U-förmigen Verlauf.
Wenn Sie einen Hochschulabschluss haben, dann herzlichen Glückwunsch: Sie haben wahrscheinlich das Richtige getan, um ein gutes Leben zu führen. Ganz allgemein führt Bildung zu größerem Wohlbefinden. Wir wissen nicht genau, warum das so ist; vielleicht, weil sie mehr Flexibilität und mehr Sicherheit bietet. Wie zu erwarten war, besteht ein enger Zusammenhang zwischen Glück und Gesundheit, und Menschen mit höherem Einkommen sind im Schnitt zufriedener. Einfluss hat auch das Alter einer Person: Die Jungen und die Alten sind glücklicher, das Lebensglück nimmt also einen U-förmigen Verlauf.
Und welche Umstände oder Ereignisse sind schuld, wenn es Menschen schlecht geht? Arbeitslosigkeit, der Tod des Partners oder der Partnerin, eine frische Trennung – das sind wenig überraschend die großen Unglücksbringer. Man kann solche Schicksalsschläge sogar ungefähr in einem Geldwert ausdrücken, und da geht es schnell um enorme Summen. Umgekehrt sind die „Glückseinheiten“, wenn man sie so nennen will, oft zehnmal so wertvoll wie eine normale Gehaltserhöhung.
Geld allein …
Es gibt Hinweise darauf, dass Menschen zu viel Energie dafür aufwenden, mehr Geld zu verdienen und Erfolg zu haben – was in der Folge ihr Privatleben beeinträchtigt und sie erst recht wieder unglücklich macht. Und damit das klar ist: Ich halte hier keine Predigt; ich war mein ganzes Erwachsenenleben lang ein Workaholic und weiß, wie schwer es ist, das zu ändern.
Überspringen Sie die Kinder, und gehen Sie direkt zu den Enkeln!
Reiche Menschen sind in der Regel glücklicher als arme, das wird niemanden wundern. Dennoch ist der positive Effekt von Vermögen auf das psychische Wohlbefinden nicht so groß, wie viele Leute glauben. Gute Freunde sind mehr wert als eine Verdoppelung des Gehalts.
Wenn Sie überlegen, Kinder zu bekommen, kann ich Ihnen aufgrund der statistischen Fakten leider nicht dazu raten (obwohl ich meine eigenen natürlich sehr liebe): Unsere Forschung bringt keinen Beweis, dass Kinder glücklich machen. Ganz anders verhält es sich mit Enkeln; sie haben nachweisbar positive Effekte. Mein (nicht ganz ernst gemeinter) Vorschlag lautet also: Überspringen Sie die Kinder, und gehen Sie direkt zu den Enkeln!
Jetzt aber im Ernst ein paar auf unserer Forschung beruhende Ratschläge:
- Versuchen Sie einen Lebens- und Liebespartner zu finden (ich weiß, das ist manchmal nicht so einfach).
- Vergleichen Sie sich weniger mit anderen. Neid ist schädlich; leider sind wir Menschen davon besessen, Vergleiche mit anderen anzustellen.
- Essen Sie jeden Tag acht verschiedene Obst- und Gemüsesorten. Betreiben Sie Sport, und halten Sie sich schlank.
- Rauchen Sie nicht; es verringert nicht nur Ihr Wohlbefinden, sondern erhöht auch Ihr Krebsrisiko.
- Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Sie auf die fünfzig zugehen, sich niedergeschlagen fühlen und glauben, im Leben nicht viel erreicht zu haben. Das ist völlig normal. Diese Gefühle verschwinden wieder, wenn Sie älter werden.
Den letzten Ratschlag halte ich für besonders wichtig, denn in vielen Ländern erreicht die Selbstmordrate um die fünfzig ihren Höhepunkt. Also achten Sie auf sich selbst und auf Ihre Freunde, wenn Sie in dieses Alter kommen.
Werden Sie zuverlässig glücklich, wenn Sie meine Vorschläge beherzigen? Nein. Absolute Sicherheit kann es bei diesem Thema leider nicht geben.
Das Glück einer Nation
Wie sieht es aus Ökonomensicht mit dem Glück ganzer Länder aus? Sollte unser Ziel jetzt und für den Rest dieses Jahrhunderts darin bestehen, einfach immer weiter die Wirtschaftsleistung zu maximieren, wie wir das in der Vergangenheit getan haben? Ist das der Weg zu menschlichem Wohlergehen? Nein, das zeigen unsere Statistiken ganz klar.
Das Glücksniveau der Amerikaner ist in den letzten Jahrzehnten gesunken. Vor allem unter weißen Bürgern mit geringer Qualifikation haben Verzweiflung und Unglück deutlich zugenommen. Gleichzeitig sind Einkommen und Wohlstand immer weiter gestiegen. Das hat die Menschen in den USA offenbar nicht glücklicher gemacht. In Westeuropa dagegen blieb das Glücksniveau im selben Zeitraum ungefähr gleich, der Befund ist für unseren Teil der Welt also nicht ganz so eindeutig. Allerdings hat das Wirtschaftswachstum auch bei uns nicht zu mehr Zufriedenheit geführt.
Ich möchte drei BMW und einen Nachbarn, der einen alten Ford fährt.
Was läuft in einem Land schief, wenn es reicher wird, aber nicht glücklicher? Wir wissen es nicht genau, aber es gibt einige Anhaltspunkte: Der Mensch vergleicht sich mit anderen. Wir können es nicht lassen. Ich möchte drei BMW und einen Nachbarn, der einen alten Ford fährt. Nun ist es aber so, dass die Flut des Wirtschaftswachstums in reichen Ländern alle Boote gleichzeitig anhebt. Der Besitz von drei BMW, der früher außergewöhnlich war, wird schließlich zur Norm, und die Menschen beginnen, ihren Wohlstand als selbstverständlich zu betrachten. Ökonomen haben sich lange Zeit gegen diese Idee gewehrt. Wir hätten auf die viel vernünftigeren Psychologen hören sollen.
Und was lernen wir?
Für das Glück ganzer Nationen ist ein funktionierendes Sozialsystem wohl von besonderer Bedeutung. Die Top Ten der glücklichsten Länder der Welt im jüngsten World Happiness Report legen das nahe. Der Sozialstaat nimmt den Bürgern viele Ängste und Sorgen und trägt damit ganz wesentlich zum nationalen Glück bei.
Ökonomen haben begonnen, mehr auf Psychologen zu hören, und das ist meiner Meinung nach begrüßenswert. Wir haben auch begonnen, uns mit den Rahmenbedingungen und Ursachen des Wohlergehens zu befassen, anstatt immer nur die traditionellen wirtschaftlichen Kennzahlen zu beachten. Was eben auch zählt, sind die Gefühle der Menschen.
Conclusio
Forschung. Ökonomen wenden für ihre Fragestellungen Methoden der Psychologie und Soziologie an: Was macht Menschen und Nationen glücklich? Dabei verwenden sie mathematische Ansätze, um große Datenmengen auszuwerten.
Ergebnisse. Auswertungen zeigen, dass Freundschaften und Partnerschaften im Schnitt glücklicher machen. Bildung, Gesundheit und höheres Einkommen tragen ebenfalls zum Wohlbefinden bei. Und:
der Konsum von Obst und Gemüse.
Wohlfahrt. Dass Kriege, Repressionen und Armut eine Bevölkerung unglücklich machen, liegt auf der Hand. In reichen Ländern sind die Menschen tendenziell glücklicher. Wichtig ist aber auch ein funktionierender Sozialstaat.
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