Heißzeit im Meer: Das sind die Folgen
Je wärmer die Ozeane, umso heftiger sind die Folgen und umso länger bleiben sie. Der Klimaphysiker Thomas Frölicher erklärt im Podcast, warum.
Warme Ozeane – die im erdgeschichtlichen Vergleich sehr hohen Meerestemperaturen sind ein Grund zur Sorge: Sie bewirken unter anderem, dass der Meeresspiegel noch hunderte Jahre weiter steigen wird, auch wenn wir die globale Mitteltemperatur bei 1,5 Grad begrenzen können.
Der Klimaphysiker Thomas Frölicher von der Universität Bern erklärt im Podcast diese Trägheit des Klimasystems und die fünf wesentlichen Folgen zu warmer Ozeane.
Der Podcast über (zu) warme Ozeane
Der Meeresspiegelanstieg wird über die nächsten vier- bis fünfhundert Jahre weitergehen, wenn wir die 1,5 Grad-Grenze einhalten.
Die Ozeane erwärmen sich aufgrund der thermischen Trägheit von Wasser sehr viel langsamer als die Landflächen – ebenso wie es relativ lang braucht, einen Topf mit Wasser zum Kochen zu bringen, die Kochplatte selbst aber sehr schnell sehr heiß wird.
90 Prozent der zusätzlichen Wärme-Energie, die durch das Verbrennen von Öl, Gas und Kohle in das Erdsystem gelangt ist (weil das emittierte CO2 die Wärmerückstrahlung blockiert), wurde von den Ozeanen bisher der Atmosphäre entzogen und aufgenommen. Die Weltmeere dämpfen also die Klimaerwärmung, aber, so Thomas Frölicher, diese Dämpfung hat einen Preis.
Die Ozeane sind entscheidend für die Trägheit des Klimasystems: Die Ozeane werden so lange noch wärmer werden, bis ein Ausgleich mit der Atmosphäre hergestellt ist. Die Wärme der Atmosphäre ist wiederum abhängig davon, wieviel Wärme durch die Treibhausgase blockiert wird; also von den Emissionen an Methan (CH4), Distickstoffmonoxid (N2O) und Kohlendioxid (CO2), den drei wichtigsten Treibhausgasen. Die Ozeane nahmen bisher dreißig Prozent des CO2 auf, doch je wärmer es wird, desto langsamer wird diese Aufnahme und desto wärmer wird es. 2023 sind die CO2-Senken an Land (Wälder, Pflanzen und Böden) nahezu ausgefallen.
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Auch die CO2-Aufnahme des Ozeans ist langsamer als jene der Atmosphäre. Es wird also weiterhin CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre entzogen, weil auch der Gasaustausch zwischen Atmosphäre und Ozean nach einem Gleichgewicht strebt.
Für Thomas Frölicher sind diese Zusammenhänge der wichtigste Grund, warum die Emissionen sehr rasch drastisch sinken müssen: Je länger emittiert wird, desto länger bleiben die Folgen erhalten. Eine aktuelle Studie, an der Thomas Frölicher beteiligt ist, zeigt, wie riskant ein Überschreiten der 1,5 Grad-Grenze ist.
Die Folgen
- Wetterextreme. Je wärmer die Ozeane sind, desto größer ist die Verdunstung. Da eine wärmere Atmosphäre mehr Wasser aufnehmen kann, sind größere Wassermassen in der Luft und das Potenzial für Starkniederschläge und Sturmfluten steigt exponentiell an. Die zusätzliche Wärme liefert außerdem die Energie für Stürme über dem Meer, etw Hurricanes. Sie werden größer und intensiver.
- Meeresspiegelanstieg. Warmes Wasser hat eine geringere Dichte als kälteres Wasser und braucht daher mehr Platz. Diese thermische Expansion ist für 40 Prozent des aktuellen Meeresspiegelanstiegs um bisher global seit 1900 um 20 Zentimeter verantwortlich. Der Rest ist Gletscherschmelze und der Verlust der Eismassen, vor allem in Grönland und der Antarktis. Ist die Eisschmelze einmal passiert, wird die thermische Expansion die Hauptursache des Anstiegs sein. „Wenn wir so weiter machen wie bisher wird der Meeresspiegel global um zwei Meter ansteigen bis etwa 2100. Der Meeresspiegelanstieg wird über die nächsten vier- bis fünfhundert Jahre weitergehen, auch wenn wir die 1,5 Grad-Grenze einhalten.“ Die Anpassungsfähigkeit des Menschen an diesen Anstieg sei begrenzt, da Dämme und Schutzwälle nur bedingt schützen können.
- Sauerstoffverlust. Da das warme Oberflächenwasser leicht ist und sich daher schlechter vermischt mit kaltem Tiefenwasser, nimmt der Sauerstoffgehalt in tieferen Schichten des Ozeans, wo der größte Teil der Lebewesen lebt, ab. Das hat wiederum Folgen für die Primärproduktion von Nahrung auf dem Planeten. Auch kann warmes Wasser schlechter Sauerstoff aufnehmen als kaltes Wasser, was ein Grund ist, warum die kalten Polarregionen so viel Nahrung in Form von Plankton produzieren. Diese Produktivität nimmt mit der Wärme ab.
- Versauerung. Durch die Aufnahme von CO2 werden Wasserstoffionen (Protonen) frei, die die Meere zunehmend versauern lassen. „Der Ozean nimmt 30 Prozent des zusätzlichem CO2, 30 Prozent nehmen die Landflächen auf, etwa 40 Prozent verbleiben mehr oder weniger dauerhaft in der Atmosphäre. Wenn sich CO2 sich im Wasser löst, führt das zu Kohlensäure, dann zu Bikarbonat, die Bikarbonat-Ionen werden reduziert und diese chemischen Reaktionen führen dazu, dass Wasserstoffionen, auch Protonen genannt, frei werden. Der pH-Wert ist in den letzten 150 Jahren um 0,1 Einheiten gesunken. Es ist eine logarithmische Skala, und das heißt, die Protonenkonzentration hat um 30 Prozent zugenommen. Wenn es zu wenig Bikarbonat-Ionen gibt, können kalkschalenbildende Organismen wie Muscheln oder Korallen diese nicht bilden, in dem sauren Wasser lösen sich die Kalkschalen zudem auf“, erklärt Frölicher. Die Versauerung bedroht Schlüsselorganismen der globalen Nahrungsketten, etwa das Plankton.
- Schichtung und Abschwächung der Zirkulation. Mit den wärmeren Ozeanen nimmt die Schichtung der Meere zu. Das heißt, die Oberflächenschichten vermischen sich schlechter mit Tiefenschihten, es wird weniger Sauerstoff in die Tiefe transportiert und auch die Wärme wird schlechter abtransportiert. Es sei ebenso möglich, dass die AMOC, das ist die Atlantische Umwälzzirkulation, von der der Golfstrom ein Teil ist, zum Erliegen kommt. Sollte das passieren, wird Nordeuropa wesentlich kälter, die Tropen wesentlich heißer. Die Unterschiede führen wiederum zu Wetterextremen und Stürmen. „Im letzten Glazial, 100.000 bis 20.000 Jahre vor heute, ist die AMOC schon mehrfach zum Erliegen gekommen. Wenn die Emissionen von Methan, N2O und CO2 weiter steigen, und die Temperaturen entsprechend in Folge auch weiter steigen, kann der Golfstrom absterben. Wo der Kipppunkt ist, wissen wir nicht.“ In Europa bringt der Kollaps etwa fünf Grad kältere Bedingungen – was nicht den Temperaturanstieg ausgleicht, da zugleich Stürme und Extremwetter drastisch zunehmen würden.
Warme Ozeane – ein vorläufiges Fazit
So wie auch der Prozess eines vollständigen AMOC-Kollaps mehrere Jahrzehnte dauert, würde es auch Zeit brauchen, bis der Wärmehaushalt der Ozeane wieder stabilisiert ist. Im Fall der Ozeane geht es allerdings um 1.500 bis 2.000 Jahre.
„Wenn die Temperatur global stabilisiert ist, wird auch die Oberflächentemperatur der Meere stabilisiert. Das älteste Wasser im Ozean, im Nordpazifik, ist aber etwa 1.500 bis 2.000 Jahre alt. Dieses Wasser hat also vor 2.000 Jahren das letzte Mal die Atmosphäre gesehen. Und das geht sehr langsam bis dieses Wasser wieder ersetzt wird durch neues Wasser. Das sind daher auch ungefähr die Zeitskalen bis der Ozean wieder in einem neuen Gleichgewicht ist. Zum Beispiel 1,5 Grad: Da wird der Ozean noch weitere 1.500 bis 2.000 Jahr adjustieren, bis er wieder im Gleichgewicht ist.“
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Über Thomas Frölicher
Thomas Frölicher ist Professor für Klima- und Umweltphysik an der Universität Bern und stellvertretender Leiter des dortigen Oeschger-Zentrum für Klimaforschung (OCCR). Er ist einer der Leitautoren des Weltklimarats. Ein Fokus seiner wissenschaftlichen Arbeit ist die Modellierung der Klimaentwicklungen. Für den Pragmaticus hat er detailliert beschrieben, welche Kipppunkte der Ozean hat.