Was wäre, wenn?


Die Ozeane nahmen bisher 30 Prozent unseres überschüssigen Kohlendioxids und 90 Prozent der zusätzlichen Energie auf. Kann dieses System kippen?

Ein Blauwal schwimmt an die Oberfläche um zu atmen. Das Bild illustriert einen Beitrag über die Rolle der Ozeane für das Klima, in dem die wesentlichen Mechanismen und die Kipppunkte erklärt werden, wie der Ozean Wärme und CO2 aufnimmt und wie die Meere durch die Strömungen die Wärme verteilen. Mit steigenden Meerestemperaturen nimmt die Fähigkeit der Ozeane, die überschüssige Energie aufzunehmen ab, auch die CO-Aufnahme stagniert. Die Versauerung der Meere ist ein zusätzliches Problem für alle Meereslebewesen und letztlich für die Fischerei.
Lebendiges System. Tiere wie dieser Buckelwal, der zum Atmen an die Oberfläche muss, sind Teil des großen Ökosystems Ozean, dessen Rolle für das Erdklima oft unterschätzt wird. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Klimarelevant. Die Ozeane verhindern bislang einen eklatanten Temperaturanstieg, und sie sind auch für die Speicherung von CO² entscheidend.
  • Versauerung. Je mehr CO² die Ozeane aufnehmen müssen, desto schlechter gelingt dies. Das Leben im Meer wird geschwächt, und die Aufnahme verlangsamt sich.
  • Marine Hitze. Die Ozeane speichern die überschüssige Energie als Wärme. Doch mit steigenden Temperaturen nimmt diese Fähigkeit ab.
  • Rückkopplungen. Zusätzlich haben die für das Klima entscheidenden Ozeanströmungen Kipppunkte, abhängig von Salz und Temperatur.

Dies ist der erste Beitrag unseres Schwerpunkts zu den Ozeanen und den Folgen des Tiefseebergbaus – jeden Donnerstag bzw. Freitag im Oktober.

Seit 1960 haben die Ozeane rund 90 Prozent der zusätzlichen Energie im Klimasystem aufgenommen. Das sind 460 Zettajoule innerhalb von gut sechzig Jahren. 460 mal 10²¹ Joule. Eine enorme Menge. Man müsste 268.000 durchschnittlich große Kernkraftwerke – zum Beispiel Gösgen in der Schweiz – sechzig Jahre lang nonstop laufen lassen, um so viel Energie zu erzeugen. Wir haben also Glück, dass nur ungefähr ein Prozent der vorhandenen Energie tatsächlich zur Erwärmung der Atmosphäre führt.

Mehr Meer

Die Weltmeere nehmen außerdem jedes Jahr 20 bis 30 Prozent des Kohlendioxids auf, das wir durch das Verbrennen von fossilen Brennstoffen und das Abholzen von Wäldern der Atmosphäre hinzufügen. Jedes dritte bis vierte CO²-Molekül, das wir auf diese Weise in die Atmosphäre emittieren, geht dankenswerterweise in den Ozean. Wäre das nicht so, hätte sich die globale Mitteltemperatur bereits um mehr als zwei bis drei Grad Celsius erhöht.

Aktuell liegt die CO²-Konzentration der Atmosphäre, auf die es für die Erhitzung über Land und Meer ankommt, daher bei 426 ppm (parts per million) und nicht bei 500 ppm oder mehr. (Falls 426 Teilchen von einer Million wenig erscheint: Diese Menge entspricht 1.000 Litern einer beliebigen Flüssigkeit in einem olympischen Schwimmbecken.)

Tiefseebergbau hat das Potenzial, die Fähigkeit des Ozeans, CO² umzuwandeln und in die Tiefsee zu befördern, negativ zu beeinflussen. Das ist deshalb nicht unproblematisch, weil für den Abtransport von Wärme und von CO² Mechanismen maßgeblich sind, die bereits Zeichen der Schwäche zeigen: die Strömungen in den Ozeanen-, die Durchmischung ihrer Schichten und die biogeochemischen Prozesse im Meer, die unter anderem durch Tiere und Pflanzen aufrechterhalten werden.

Wie der Ozean funktioniert

Ozean und Atmosphäre sind gekoppelte Systeme: Gerät das System Ozean in Schwierigkeiten, so schlägt sich das an Land – auch in Binnenregionen wie Österreich und der Schweiz – in Form von weiter steigenden Temperaturen und intensiverem Extremwetter (Hitze-wellen, Starkregen, Stürme) nieder.

Wie kommt nun die Wärme in den Ozean? Treibhausgase wie CO² blockieren bekanntlich die langwellige Wärmerückstrahlung von der Erde. Somit bleibt ein Teil der Energie an der Erdoberfläche zurück – es wird heißer. Die Ozeane, die 71 Prozent der Erdoberfläche ausmachen, erwärmen sich dabei wesentlich langsamer als die Landmassen, weil mehr Energie notwendig ist, um eine Flüssigkeit zu erhitzen als einen Festkörper.

Die Entwicklung der globalen Durchschnittstemperaturen auf der Oberfläche der Meere. 2023 war besonders heiß, wird aber von 2024 noch übertroffen. Von der Temperatur der Oberflächenschicht hängt es ab, wieviel CO2 aufgenommen wird. Je wärmer, desto weniger. Und desto schlechter funktionieren die Meeresströmungen, die Kipppunkte haben.
Die globalen Durchschnittstemperaturen der Meere an der Oberfläche. Inzwischen sind die Temperaturen dieses Jahres wieder höher als 2023. © Julia Zott, Daten: NOAA

Das Meer erwärmt sich zuerst in der obersten Schicht. Die Erwärmung bewirkt, dass sich die Moleküle des Wassers mit höherer Geschwindigkeit bewegen und somit mehr Platz brauchen. Die oberste Wasserschicht dehnt sich infolgedessen aus. Das ist die thermische Expansion. Sie ist für gut 45 Prozent des Meeresspiegelanstiegs um 20 Zentimeter seit 1900 verantwortlich. Der Rest geht auf die schmelzenden Gletscher und Eisschilde der Antarktis und Grönlands zurück. Mit mehr Platz zwischen den Molekülen, also einer geringeren Dichte, ist die erwärmte Meeresoberfläche leichter und liegt auf den tieferen, kälteren und schwereren Schichten auf.

Die Rolle der Zirkulation

Ohne weitere Intervention würde dieses warme leichte Wasser nun einfach an der Oberfläche bleiben – mit der Folge, dass die Wärmeaufnahme aus der Atmosphäre stoppt, sobald Luft und Wasser dieselbe Temperatur haben. Besagte 460 Zettajoule wären da nicht drin.

Darstellungen der Ozeanströmungen. Tiefenwasserbildung findet nur im Atlantik statt (AMOC und AABW). Die Strömungen haben Kipppunkte, das heißt, sie können zum Erliegen kommen.
Die großen Strömungen der Ozeane werden durch Winde und Dichteänderungen des Meerwassers angetrieben und verteilen Wärme und Nährstoffe um den Planeten. Die Ozeane sind außerdem in jüngster Zeit wieder als potenzielle Rohstoffquelle für Zink, Kupfer, Lithium etc. interessant geworden. © Julia Zott

Neben der langsamen Diffusion kommen die Ozeanzirkulation und die Strömungen ins Spiel. Diese nehmen das warme Wasser quasi von der Oberfläche weg und verteilen es im Ozean, sodass die Oberflächen der Meere wieder abkühlen und Wärme aus der Atmosphäre aufnehmen können.

Wie gelingt es aber, das warme, leichte Wasser in die Tiefe zu bekommen und in Umlauf zu bringen? Es gibt auf der Erde nur eine begrenzte Anzahl von Regionen, wo das Kunststück der Tiefenwasserbildung zustande kommen kann. Davon haben jene im Nordatlantik und im Südpolarmeer die größte Austauschleistung. Im Nordatlantik ist es die durch Roland Emmerich und seinen Film The Day After Tomorrow (2004) berühmt gewordene Atlantic Meridional Overturning Circulation, kurz AMOC, die die Wärme in die Tiefe bringt, und im Süden des Atlantiks die Antarctic-Bottom-Water-Umwälzung im Südpolarmeer, mit der wenig glamourösen Abkürzung AABW.

Die AMOC kommt als warme Oberflächenströmung aus dem Südatlantik über den Äquator bis hoch ins Polarmeer und gibt dabei die Wärme an die Luft ab. Mit der Abkühlung wird das Wasser zunehmend dichter, bis es so schwer ist, dass es bis auf etwa 3.000 Meter absinkt und als kalter Tiefenstrom zurück nach Süden fließt.

Die AMOC bringt aber nicht nur Wärme in den Norden, sondern auch Salz. Dieses Salz stammt aus dem verdunstungsstarken Südatlantik und macht das Wasser dicht und schwer. Es ist der Grund, warum das Wasser ausgerechnet im Nordatlantik absinkt. Die AABW wird ebenfalls durch Dichteunterschiede aufgrund von Temperatur und Salzgehalt ermöglicht.

Die beiden Parameter Salz und Temperatur sind somit die wunden Punkte von AMOC und AABW: Mit steigenden Temperaturen beschleunigt sich die Schmelze von Gletschern und Eisschilden; dieses Süßwasser senkt den Salzgehalt, verringert die Dichte des Meerwassers und schwächt so den Abtransport und die Neuaufnahme von Wärme über die gesamte globale Zirkulation hinweg.

Die AABW hat sich seit 1960 um ein Drittel verlangsamt, die AMOC um etwa 15 Prozent, wobei es hier noch große Unsicherheiten gibt. Bei welchen Temperaturen die jeweiligen Kipppunkte der Strömungen liegen, weiß man nicht, wohl aber, dass die Strömungen Kipppunkte haben, ab denen sich selbst verstärkende Feedbacks ein Versiegen der Umwälzung bewirken können.

Die Wärme und das CO2

Seit dem 19. Jahrhundert sind die Weltmeere an der Oberfläche um gut 0,9 Grad Celsius wärmer geworden. Man weiß das aus Messungen mit Schiffen und Satelliten, die es seit den 1980er-Jahren gibt, und aus den Messungen von Treibbojen, die es seit der Jahrtausendwende gibt.

Diese 0,9 Grad mehr beziehen sich auf den globalen Durchschnitt der Oberflächentemperatur. Regional und temporär treten zum Teil wesentlich größere Temperaturerhöhungen auf. Aus unserer Forschung wissen wir zudem, dass marine Hitzewellen häufiger, intensiver und länger werden. Es gibt heute doppelt so viele Hitzewellen wie 1982. Zyklisch auftretende Wetterphänomene wie La Niña und El Niño, die für Abkühlung beziehungsweise Erwärmung sorgen – wie El Niño etwa 2023 –, schwächen beziehungsweise verstärken den generellen Aufwärtstrend temporär, sind aber nicht dessen Ursache.

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Zahlen & Fakten

Darstellung der verschiedenen Einflussgrößen auf die "Funktionsweise" des Ozeans. Dargestellt ist, wie mit zunehmender Tiefe die Temperatur sinkt, die Dichte des Wassers zunimmt, ebenso der Salzgehalt und der Druck. Temperatur und Salzgehalt sind Kippelemente bzw. Kipppunkte in diesem System, weil die Ozeanströmungen von Unterschieden im Salzgehalt abhängen.

Stratifizierung

  • Unter anderem Dichteänderungen des Meerwassers bewirken eine Durchmischung der vertikalen Schichtung der Ozeane. CO² und Wärme werden so der Atmosphäre entzogen. 
  • Die großen Meeresströmungen sind abhängig von Salz- und Temperaturunterschieden, damit Dichteunterschiede zustande kommen und die Durchmischung gelingt.
  • Je mehr CO² in das Meerwasser gelangt und je wärmer das Meer wird, desto mehr stagnieren die Prozesse. Es ist ein Rückkopplungseffekt.
  • Diese sogenannte Stratifizierung betrifft nicht nur die oberflächennahen Schichten, sondern auch auch die Tiefenschichten und den Transport von gebundenem CO² in die Tiefen der Meere.
  • Forscher haben etwa festgestellt, dass sich die sogenannte Lysokline ausdehnt. Das ist die Schicht, in der sich Kalzium-Schalen und Skelette allmählich auflösen bis ab der Karbonat-Kompensationstiefe / Carbonate Compensation Depth (CCD) kein Kalziumkarbonat mehr gebunden ist.
  • Das Höherwandern der CCD bedeutet, dass sich Schalen und Skelette früher auflösen. Diese Versauerung von „unten“ wird sich negativ auf alle Lebewesen im Meer auswirken und damit auch auf den Fischfang und, weil weniger Material absinkt, auf die Fähigkeit der Ozeane, CO² zu binden. 41 Prozent der Ozeane sind versauert.

Die zunehmende Erwärmung löst einen Teufelskreis aus: Je weniger gut der Wärmetransport im Ozean gelingt, desto weniger CO² kann der Ozean aufnehmen, denn wärmere Flüssigkeiten lösen Gase generell schlechter als kalte. Je wärmer es also wird, umso mehr nimmt die Fähigkeit der Ozeane ab, das CO² umzuwandeln und zu entsorgen. Umso mehr CO² verbleibt in der Atmosphäre, was wiederum zur weiteren Erwärmung der Meere führt. Ein klassischer positiver Rückkopplungseffekt. Wie stark dieser Effekt ist, wissen wir: Seit 1750 hat die CO²-Effizienz der Ozeane um zehn Prozent abgenommen.

Eine weitere Ursache für diese Minderung und eine Folge der Erwärmung ist die stärkere Stratifizierung oder Schichtung des Wassers. Gemeint ist damit, dass kalte und warme Schichten sich schlechter durchmischen – eben weil zum Beispiel Umwälzprozesse nicht mehr so gut funktionieren. AMOC und AABW sind bereits verlangsamt.

Das Wasserstoff-Ionen-Problem

Wird die Durchmischung geringer, bleibt mehr CO² in der warmen Oberflächenschicht, die auf den kalten Schichten aufliegt. Es wird nicht mehr in die Tiefe transportiert. Auch das setzt ein Feedback in Gang, bei dem die Chemie eine verstärkende Rolle spielt: CO² löst sich in Meerwasser deshalb besonders gut, weil dieses sehr viele Karbonat-Ionen enthält, die unter anderem durch Flüsse eingetragen werden. Das CO² verbindet sich mit Wasser zu Hydrogenkarbonat und setzt dabei Wasserstoff-Ionen frei – die Ursache der Versauerung der Meere.

Normalerweise würden die Karbonat-Ionen von Organismen wie Korallen, Kalkalgen oder Muscheln für die Skelette und Schalen verwendet. Je weniger Karbonat-Ionen es gibt, desto schwerer wird die Kalkbildung, und die Kalkschalen beginnen sogar, sich aufzulösen. Zusätzlich verringert die stärkere Schichtung des Ozeans den Transport von Nährstoffen aus den Tiefen an die Oberfläche, was zu einer Abnahme der Phytoplankton-Produktion führt. Der Transport von organischem Kohlenstoff in die Tiefe wird reduziert. Je mehr anorganisches Material aber an der Oberfläche verbleibt, desto weniger CO² kann im Ozean gespeichert werden.

Belastungsgrenze

Das „System Ozean“ zeigt bereits deutliche Stresssignale. Die Pläne, in der Tiefsee Rohstoffe abzubauen, würden es noch mehr belasten. Wir sollten bedenken: Die Ozeane stehen nicht nur erdgeschichtlich am Anfang des Lebens auf der Erde, sie sind nach wie vor Grundlage des Lebens auf diesem Planeten.

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Conclusio

Die Ozeane haben Kipppunkte. So können die von Unterschieden im Salzgehalt und der Temperatur abhängigen Strömungen AMOC und AABW zum Erliegen kommen. In Bezug auf die Fähigkeit der Ozeane Kohlendioxid aufzunehmen, scheint es keinen Kipppunkt zu geben, jedoch sich verstärkende (positive) Rückkopplungseffekte: Je heißer die Temperaturen sind und je mehr Kohlendioxid vorhanden ist, desto langsamer kann dieses aufgenommen werden. Damit ist eine bedeutende Kohlenstoffsenke geschwächt. Die Versauerung führt außerdem zum Verlust an Tieren und Pflanzen, besonders jenen, die am Anfang der Nahrungskette stehen. Damit ist die globale Nahrungskette gefährdet, was die Notwendigkeit des drastischen Senkens der Treibhausgasemissionen unterstreicht.

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