Warum Wirte öfter zusperren sollten

Wie kann die Gastro-Branche für Gäste und Personal wieder attraktiver werden? Indem sie sich rar macht. Gut dosierte Öffnungszeiten sind ein Weg aus der Krise.

Eine hohe Tür mit Flügeln wird von innen zugezogen. Neben der Tür hängen leere Auslagen für Speisekarten mit der Aufschrift Kaffee Alt Wien. Das Bild illustriert einen Beitrag über die Folgen der Corona-Maßnahmen in Österreich.
Das Café Alt Wien schließt in diesem Fall gezwungenermaßen: Im März 2020 durften Gaststätten nur bis 15:00 geöffnet sein. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Comeback. Seit dem Ende der Schließungen während der Pandemie erfreut sich die Gastronomie wieder reger Nachfrage – trotz Inflation.
  • Personalfragen. Die hohen Energie- und Lebensmittelpreise sind leichter zu kompensieren als der Mangel an Fachpersonal.
  • Öffnungszeiten. Gut abgestimmte Öffnungszeiten können dazu beitragen, die Gastronomie wieder attraktiver zu machen, ohne Gäste zu verlieren.
  • Keine Experimente. Hohe Qualität, Lebensmittel aus der Region, eine reduzierte Speisekarte und traditionelle Speisen sind weiterhin ein Erfolgsrezept.

Es steht derzeit gar nicht so schlecht um die Gastronomie. Nach Corona lief das Geschäft weltweit sehr gut wieder an – und zwar quer durch alle Segmente, von Fast Food bis zur Spitzengastronomie. Die Pandemie hat bewirkt, dass die Menschen dem Thema Essen einen deutlich höheren Stellenwert beimessen und auch bereit sind, dafür gutes Geld zu bezahlen.

Mehr über Geld und Gäste

Eines der großen Probleme liegt im Fachkräftemangel. Die Attraktivität des Berufes muss gesteigert werden, zum Beispiel durch die Einführung einer Vier-Tage-Woche für das Personal. Zudem haben die höheren Kosten für Energie und Lebensmittel die durchschnittliche Gewinnmarge reduziert.

Diese Preissteigerungen mussten an die Gäste weitergegeben werden, was nicht immer 1:1 möglich war. Es ist heute eine Sache des Fingerspitzengefühls geworden, herauszufinden, wie viel die Gäste bereit sind zu bezahlen.

Optimierte Öffnungszeiten

Ganz wesentlich bei der Bewertung eines Lokals ist das Preis-Genuss-Verhältnis. Oder anders gesagt: Ist mir das gebotene Gastronomieerlebnis die Rechnung wert? Diese Bewertung findet unabhängig vom Lokaltyp statt. Man kann mit einem hohen Preis in der Spitzengastronomie sehr zufrieden sein und einen deutlich günstigeren Gasthaus-Besuch als unbefriedigend erleben. Die Bewertung erfolgt allerdings umso emotionaler, je hochwertiger die Gastronomie ist.

Ein leeres Kaffeehaus mit Ober und Rezeption. Das Bild ist teil eines Beitrags über die Rolle von Öffnungszeiten.
Warten auf die Gäste in Wien 1910. Viele Wiener Häuser der Gründerzeit sind für ein L-förmiges Wirts- oder Kaffeehaus im Erdgeschoss geplant. © Getty Images

In der gesamten Gastronomie ist die Effizienzsteigerung zur Überlebensfrage geworden. Viele Gastronomen versuchen, auf extrem teure Lebensmittel zu verzichten und generell das Angebot auf der Speisekarte zu reduzieren, was letztlich den Einkauf optimiert.

Gleiches gilt für Spitzenköche, die inzwischen oft nur noch ein Menü anbieten, das auf Anfrage in einzelnen Teilen verändert werden kann, etwa für Veganer. Ein weiterer Ansatz zur Erhöhung der Produktivität steckt in der Konzentration auf die umsatzstarken Öffnungszeiten – was letztlich auch beim Personalmangel Abhilfe schaffen kann.

Vier-Tage-Woche

Ganz vorne in Sachen Rentabilität liegt die Systemgastronomie. Ihr Marktanteil wird sicher noch steigen, allerdings kaum jene marktbeherrschende Stellung einnehmen, wie es etwa in den USA der Fall ist. Das Potenzial für gutbürgerliche Küche ist wieder besser geworden, weil die Verbreitung der Lokale stark abgenommen hat.

Für die Betreiber wird es eventuell wieder interessant, wenn sie ihr Geschäftsmodell umstellen und vielleicht nur mehr dreieinhalb Tage in der Woche offen haben. Das ergibt attraktive Arbeitszeiten und der Grad der Selbstausbeutung ist nicht so hoch.

Gäste eines Restaurants oder Kaffeehauses sitzen sich unterhaltend oder lesend an Tischen in einem Schanigarten.
An der Ringstraße in Wien 1915. © Getty Images

Denn das Gasthaussterben in ländlichen Regionen hat nicht nur mit unserer geänderten, schnelleren Lebensweise zu tun, sondern auch mit den Arbeitsbedingungen. Die Arbeitszeiten der Betreiber liegen oft bei 70 Stunden und mehr pro Woche, und es gibt immer weniger Menschen, die dazu bereit sind. Außerdem braucht es für diesen Lokaltyp einen starken Familienverbund im Hintergrund.

Mit der Rentabilität im Blickpunkt würde eine gutbürgerliche Küche ohne gehobene Ansprüche am besten funktionieren. Lässt man die teuren Produkte weg, steigt die Marge. Um auch junge Menschen anzusprechen, ist es notwendig, den traditionellen Konzepten eine neue Form zu geben – beispielsweise durch eine hellere, moderne Atmosphäre.

Im Grunde müsste die österreichische Küche im Ausland so gut vermarktbar sein, dass sie sogar ein internationales Systemgastronomiekonzept tragen würde. Als eine Art Revival des Wienerwald-Konzeptes, das ja einmal die erfolgreichste europäische Restaurant-Kette war.

Qualität aus der Region

Neben dem Ambiente und der guten Erreichbarkeit eines Lokals liegen die Wurzeln des Erfolges noch immer bei der Qualität von Speisen und Getränken. Es muss aber jeder Gastronom, egal aus welchem Bereich, stets die gesellschaftlichen Veränderungen beachten.

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Zahlen & Fakten

Regionalität hat sich stark durchgesetzt und gehört heute zu den Basics. Themen wie Nachhaltigkeit oder der fleischlose Trend oder eine insgesamt gesündere Speisekarte müssen sichtbar im Lokal behandelt werden.

Das wird unterstützt durch Kalorienangaben auf den Speisekarten oder durch das Nutriscore-System, das den Nährwert eines Lebensmittels mit Buchstaben und Ampelfarben darstellt. Extrabedürfnisse wie Nahrungsmittelintoleranzen haben eindeutig zugenommen.

Manche Lokale werden aufgrund des Personalmangels nicht mehr auf alle Sonderwünsche eingehen können oder sie verlangen Servicepauschalen für extra zubereitete Speisen.

Verkürzte Speisekarte

Zum erweiterten Gedanken der Nachhaltigkeit gehört auch die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung, etwa durch eine Verringerung des Buffet-Angebotes. Es ändern sich auch die traditionellen Essenszeiten, weshalb es in gut frequentierten Lagen durchaus Sinn machen kann, von Mittag bis 22:00 Uhr durchgehend geöffnet zu haben.

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Zahlen & Fakten

Kleinbetriebe sind aber auch stark von der Persönlichkeit des Unternehmers abhängig. Ganz vorne steht der Antrieb, andere Menschen verwöhnen zu wollen. Er oder sie sollte ein Kommunikationstalent, eine positive Einstellung, Teamfähigkeit und eine natürliche Höflichkeit besitzen.

Auch die Belastbarkeit sollte hoch sein, oder man entscheidet sich für die Alternative, nur dreieinhalb bis vier Tage in der Woche offen zu haben. Einsteiger in die Gastronomie sollten sich alle Varianten im Job ansehen, bevor sie eine persönliche Entscheidung treffen. Es gibt überall Vor- und Nachteile.

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Conclusio

Das größte Problem der Gastronomie ist der Fachkräftemangel: Im Service und in der Küche fehlt es an Personal. Während allgemein der Ruf nach einer Verlängerung der Arbeitszeit lauter wird, könnte das Gegenteil, eine Vier-Tage-Woche zum Beispiel, die Gastro-Branche aus der Krise führen. Speziell Familienbetriebe und Inhabergeführte Gasthäuser würden von mehr Lebensqualität profitieren. Auch Nachhaltigkeit ist ein Thema, bei dem die Gastronomie quer zum allgemeinen Trend liegt: Regionale Lebensmittel und eine reduzierte Speisekarte stärken die Qualität und verhindern Lebensmittelverschwendung.

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