Das beste Wahlsystem
Mehrheitswahlen in Mehrpersonenwahlkreisen: Klingt kompliziert, ist aber ganz einfach. Das Volk wählt direkt alle Regierungsmitglieder, wie es in der Schweiz gang und gäbe ist.
In präsidentiellen Demokratien wählt das Volk das höchste Regierungsmitglied und unabhängig davon auch das Parlament. In parlamentarischen Demokratien wählt das Volk nur das Parlament und dieses dann das höchste Regierungsmitglied. Variante zwei ist in Europa auf nationaler Ebene viel häufiger.
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Man kann sämtliche Regierungsmitglieder aber auch direkt vom Volk wählen lassen, wie es vor allem in der Schweiz üblich ist. So werden in fast allen Kantonen und den meisten Gemeinden die fünf bis neun Regierungsmitglieder jeweils in einem Wahlkreis mit der Mehrheitsregel gewählt. Die Schweizer Erfahrungen sind durchwegs positiv. Separate Volkswahlen von Regierung und Parlament stärken die Gewaltenteilung und bringen einen fruchtbaren Wettbewerb zwischen den Parlamentsmitgliedern und der Regierung.
Eine erfolgreiche Demokratie
Um die Präferenzen der einzelnen Bürger möglichst gut abzubilden, sollte die Regierung in der Mitte des politischen Spektrums positioniert, also „eingemittet“ sein. Dafür muss das Wahlsystem den Regierungsmitgliedern entsprechende Anreize vermitteln. Hingegen sollten im Parlament möglichst alle von den Bürgern gehegten Positionen vertreten werden. Schließlich sind die politischen Präferenzen der Bürger nicht fest vorbestimmt, sondern bilden sich im politischen Diskurs.
Diese Ziele können besonders gut in gemischten Wahlsystemen erreicht werden, die das Verhältniswahlrecht und Mehrheitswahlrecht vereinen, indem das Parlament nach Verhältniswahlrecht (Proporz), die Regierung aber im Mehrheitswahlrecht (Majorz) gewählt wird. Im Idealfall werden alle Regierungsmitglieder per Mehrheit in Mehrpersonenwahlkreisen gewählt.
Schweizer Wahlsystem: So funktioniert es
Wie darf man sich Mehrheitswahlen in Mehrpersonenwahlkreisen vorstellen? Das Prinzip ist ganz einfach: Jede Partei, die in einem Wahlkreis antritt, nominiert mehrere Kandidaten für die verfügbaren Sitze. Dabei hat jeder Bürger so viele Stimmen, wie es Sitze im Wahlkreis zu besetzen gibt. Diese kann er frei auf die Kandidaten verteilen, wobei er jedoch höchstens eine Stimme pro Kandidat abgeben kann.
Die Vorteile von Mehrheitswahlen in Mehrpersonenwahlkreisen zeigen sich am Beispiel der Schweizer Kantons- und Gemeinderegierungen.
Gewählt sind in der Schweiz diejenigen Kandidaten, die im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit erzielen oder im zweiten Wahlgang am meisten Stimmen gewinnen. Die Kandidaten werben daher vor allem in der Mitte des politischen Spektrums und bemühen sich, besonders vernünftige, mehrheitsfähige Vorschläge zu machen.
Breite Repräsentation
Verhältniswahlen fördern die Entstehung vieler verschiedener Parteien, die das politische Spektrum von links bis rechts abdecken. Sperrklauseln können allerdings die Mitbestimmungschancen kleiner Parteien schmälern. Manche Wähler entscheiden sich deshalb für eine der größeren Parteien, obwohl sie sich von einer kleineren besser repräsentiert fühlen würden. Die Sitzverteilung im Parlament entspricht also nicht immer den wahren Präferenzen der Bürger, was wiederum die Einmittung der Regierung erschwert. Werden hingegen Parlaments- und Regierungswahlen getrennt, können die Wähler in der Parlamentswahl ihre Stimme frei von strategischen Erwägungen vergeben. Damit ist das Volk im Parlament breiter repräsentiert, die Debatte wird insgesamt informativer und repräsentativer.
Möglichst nah am Bürger
Mehrheitswahlen bieten den Kandidaten mehr Anreize, sich in der Mitte zu positionieren, als Verhältniswahlen. Wenn es aber nur einen Sitz zu besetzen gibt, kann auch dieses System zu einer gewissen Polarisierung führen, wie das Beispiel der USA zeigt. Sobald mehrere Sitze zu besetzen sind, werden die Anreize für Politiker, sich möglichst in der politischen Mitte zu positionieren, viel stärker.
Am Beispiel der Schweizer Kantons- und Gemeinderegierungen zeigen sich die Vorteile von Mehrheitswahlen in Mehrpersonenwahlkreisen: eine breitere, bessere Repräsentation der Wähler im Parlament und eine eingemittete Regierung. Beides zusammen führt zu bürgerorientierteren, effektiveren Politikentscheidungen als anderswo.