Wir suchen: richtig gute Politiker
Für die bevorstehende Nationalratswahl und die anschließende Regierungsbildung werden Abgeordnete zum Nationalrat, Bundeskanzler und Minister gesucht. Welche Eigenschaften und Fähigkeiten Spitzenpolitiker haben sollten.
Im Herbst 2024 endet die aktuelle Gesetzgebungsperiode des österreichischen Nationalrates. Für die bevorstehende Nationalratswahl und die anschließende Regierungsbildung werden Kandidatinnen und Kandidaten für folgende Funktionen gesucht:
- Abgeordnete zum Nationalrat (m/w/d)
- Bundeskanzler (m/w/d)
- Minister (m/w/d)
Heuer finden in Österreich einige wichtige Wahlen statt, unter anderem die Nationalrats- und die Europawahl. Weltweit und auch in Österreich deuten Umfragen darauf hin, dass Populisten und Demagogen immer mehr Zustimmung der Wählerinnen und Wähler bekommen, selbst wenn sie durch verbale Angriffe auf die Grundfesten der Demokratie und ihrer Institutionen die Demokratie selbst in Frage stellen. Dabei fällt auf, dass Personen wie Donald Trump in den USA und Parteien wie die FPÖ in Österreich geschickt das „System“ beklagen, obwohl sie selbst Teil des Systems sind.
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Sie profitieren davon, dass sich die öffentliche Meinung immer mehr verfestigt, es seien „eh alle gleich“. Eigene Verfehlungen werden damit bagatellisiert und vergessen.
Man vertraut ihnen nicht
Eine aktuelle Studie des Wiener Instituts für Kultur- und Zeitgeschichte in Kooperation mit dem Fritz Bauer Institut und der Goethe-Universität Frankfurt am Main zeigt – grob zusammengefasst –, dass die Demokratie selbst mehrheitlich nicht in Frage gestellt wird. Allerdings gelten Parteien, Regierungen und Politiker allgemein als wenig vertrauenswürdig. Dieser und andere Befunde rücken einmal mehr die Person des Politikers und der Politikerin ins Blickfeld. Skandale vom Ibiza-Video bis zu veröffentlichten Chats, staatsanwaltliche Ermittlungen und (zumindest bis jetzt nicht rechtskräftige) Verurteilungen von Politikern haben den Ruf der Politik als Beruf nachhaltig und massiv beschädigt.
Gegengift: geeignete Kandidaten
Das geeignete Mittel zur Anhebung des Ansehens von Politik und Politikern ist die Nominierung fachlich und persönlich geeigneterer Kandidaten. Wenn Aufgaben und Anforderungsprofil zur jeweiligen Person passen, lassen sich bessere Personalentscheidungen treffen; das Bild von Politikern würde sich dadurch verändern. Was auch ein Vorteil in der politischen Kommunikation und bei der Abgrenzung von Politikern mit zweifelhaften Zielen und ebensolchem Hintergrund wäre.
Schaut man analytisch und personalwirtschaftlich auf unterschiedliche politische Funktionen, können aus den Aufgaben konkrete fachliche und persönliche Anforderungen abgeleitet werden, beispielhaft dargestellt für Bundeskanzler, Finanzminister und Abgeordnete zum Nationalrat. Je komplexer die Rolle wird, desto wichtiger werden Führungskompetenzen, die sich von den Leadership-Fähigkeiten, die in großen Organisationen und Unternehmen gesucht und entwickelt werden, wenig unterscheiden.
Der größte Unterschied liegt wohl darin, dass Politiker permanent beobachtet und kommentiert werden – und mit dieser Öffentlichkeit und den Medien nicht nur umgehen müssen, sondern darunter auch nicht leiden dürfen. Gleichzeitig ist die Versuchung groß, Personen in Funktionen zu bringen, die Verkaufstalent, Selbstdarstellung und Rollenwechsel beherrschen und ihr Handeln ausschließlich an der medialen „Verkaufbarkeit“ orientieren. Aber wer entscheidet eigentlich, welche Personen auf Listen – beispielsweise für die Nationalratswahl – kommen, Spitzenkandidat oder Minister werden?
Bessere Politiker wählen
Als Bürgerin wähle ich eine Partei, eventuell ist der Spitzenkandidat für mich entscheidend. Voran gehen Willens- und Meinungsbildungsprozesse, oft auch innerparteiliche Wahlen. In diesen spielen vorwiegend Regionalität und die Repräsentanz bestimmter Interessengruppen eine Rolle, in innerparteilichen Wahlen manchmal auch Intrigen. Im Interesse der politischen Kraft, für die man steht, wäre es klug, über das Anforderungsprofil nachzudenken und diese Überlegungen auch zu kommunizieren – und natürlich danach zu handeln. Besetzungsentscheidungen in der Politik werden im Gegensatz zu Wirtschaft, Verwaltung und anderen großen Organisationen meist durch Wahlen getroffen.
Max Weber hat sich schon im Jahr 1919 in seiner Schrift Politik als Beruf Gedanken über die Anforderungen an Politiker gemacht. Er definierte folgende Eigenschaften: Leidenschaft in der Sache, Augenmaß im Handeln und die Bereitschaft, Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen. Dazu kam noch die Fähigkeit, Enttäuschungen wegzustecken. Allein die Beachtung dieses Profils wäre eine Chance für bessere politische Personalentscheidungen.