Wie man ein Herz druckt
Auch wenn es noch eine Weile dauern wird, bis wir in der Lage sein werden, ganze Organe herzustellen: Die Möglichkeiten des Biodrucks tragen schon jetzt zum Fortschritt der Medizin bei.
Auf den Punkt gebracht
- Neue Technologie. Bioprint ist die Möglichkeit, lebende Zellen zu drucken und Gewebe herzustellen.
- Großes Potenzial. Die Technologie könnte irgendwann sogar dazu dienen, ganze Organe zu drucken.
- Wichtige Schritte. Bis es soweit ist, wird es noch Jahrzehnte dauern, trotzdem machen die Forscher bedeutende Fortschritte.
- Eine Vision. Irgendwann könnten dann sogar Organe wie Ersatzteile gelagert und bei Bedarf eingesetzt werden.
Die Wartelisten für Spenderorgane sind lang, und viele Menschen, die auf diesen Listen stehen, sterben, bevor sie an der Reihe sind und ein Organ implantiert bekommen würden. Wäre es nicht toll, wenn man jedes benötigte Organ einfach ausdrucken könnte?
Mehr im Dossier 3D-Druck
Genau daran arbeiten wir. Die Technologie nennt sich Bioprint, und sie ist dem herkömmlichen Tintendruck sehr ähnlich. Der größte Unterschied besteht darin, dass es sich beim Bioprint um einen 3D-Druck handelt und eine andere Art von Tinte verwendet wird. Diese Biotinte besteht oft aus Polymeren, die sich in Wasser auflösen und mit Zellen kompatibel sind. Wir mischen lebende Zellen mit Polymeren und füllen damit den Drucker. Das sind die Grundlagen. Durch die Kontrolle des räumlichen Verhältnisses der verschiedenen Zellen kann man Gewebe und in Zukunft hoffentlich ganze Organe herstellen.
Meilensteine beim Biodruck
Derzeit gibt es große Fortschritte. Biodruck ist per se ein sehr langsamer Prozess, aber in unserem Labor haben wir es geschafft, ihn zu beschleunigen und zehn bis fünfzig Mal schneller zu machen. Andere Kollegen erreichen ebenfalls Meilensteine: So konnten Wissenschaftler unter der Leitung von Adam Feinberg an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, Pennsylvania, eine Einheit eines Herzens drucken, die zwar nur eine statt vier Kammern hat, aber bereits über grundlegende Pumpfunktionen verfügt.
Wissenschaftler unter der Leitung von Jordan Miller an der Rice University in Houston, Texas, haben ein Lungenmodell gedruckt, das den Austausch von Gasen ermöglicht. Das ist die Grundfunktion der Lunge: der Austausch von Sauerstoff und CO². Viele wichtige Schritte in die Zukunft des Biodrucks sind also bereits gelungen.
Das Problem mit den Zellen
Wir sind aber noch ziemlich weit davon entfernt, ganze funktionierende Organe zu drucken. Die Biotinte, die wir im Moment verwenden, enthält nur eine Art von Zellen, aber echte Organe werden natürlich verschiedene Zelltypen benötigen – Kardiomyozyten, Fibroblasten und so weiter. Außerdem können wir derzeit nur sehr kleine Gewebeteile herstellen.
Diese Herausforderungen werden sowohl auf technischer als auch auf medizinischer Ebene angegangen.
Um ein funktionsfähiges Organ zu drucken, das für die Transplantation in den menschlichen Körper geeignet ist, gilt es zwei Probleme zu lösen: Wir müssen in der Lage sein, ein großes Volumen zu erreichen – groß genug für ein ganzes menschliches Organ –, und dieses Organ muss Milliarden von Zellen verschiedenen Typs enthalten.
Zahlen & Fakten
Diese Herausforderungen werden sowohl auf technischer als auch auf medizinischer Ebene angegangen. Auf der technischen Seite geht es vor allem um Fragen der Skalierung, um das erforderliche große Volumen zu erreichen. Der zweite wichtige Punkt ist die strukturelle Kontrolle. Da man Milliarden von Zellen hat, die mehrere Zelltypen enthalten, muss man sie räumlich kontrolliert – sprich: richtig – anordnen. Das erfordert eine Technik, die als Multimaterialdruck bezeichnet wird – und derzeit noch nicht möglich ist. Die nächste Schwierigkeit wartet im Bereich des sogenannten Tissue Engineering, also der Gewebezüchtung. Für jedes dicke künstliche Gewebe braucht man ein Netz von Blutgefäßen, das Nährstoffe liefert und Abfallstoffe abtransportiert. Dieser Prozess nennt sich Vaskularisierung und läuft im menschlichen Körper ganz natürlich ab.
Trotz aller Fortschritte, die in den vergangenen Jahren gemacht wurden, gibt es also noch zahlreiche Herausforderungen, und ich glaube, es wird zehn oder zwanzig Jahre dauern, bis alle gelöst sind. Der nächste Schritt ist dann die medizinische Umsetzung; das gedruckte Organ muss erfolgreich in einen Patienten implantiert werden. Auch dabei werden wohl noch einige Probleme auftreten.
Das bedeutet aber nicht, dass wir noch Jahrzehnte warten müssen, um von der Biodrucktechnologie zu profitieren. Wissenschaftler unter der Leitung von Shaochen Chen an der University of California in San Diego haben eine Miniaturleber gedruckt, um an ihr die Toxizität von Medikamenten zu testen. Ihre Forschung kombiniert den Biodruck mit einem anderen Bereich, der Organ-on-a-Chip-Technologie (OoC). Dabei werden mithilfe des Biodrucks 3D-Chips aus Gewebe hergestellt, die komplex genug sind, um bestimmte physiologische Funktionen eines Organs zu repräsentieren.
Das Ziel des Biodrucks: Organe als Ersatzteile
So kann man Medikamente testen und Tierversuche letzten Endes überflüssig machen. Auch wenn dieses Ziel noch nicht erreicht wurde, gelangte man zuletzt auch in diesem Forschungsfeld an mehrere wichtige Meilensteine.
Ein individuelles Organ-Miniaturmodell wird die Möglichkeit bieten, vorab zu prüfen, ob der Patient von der Behandlung profitieren wird.
Dazu gehört etwa eine Gesetzesreform: Im Jahr 2023 hat die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) die Regelung aufgehoben, dass jedes neue Medikament vor seiner Zulassung an Tieren getestet werden muss. Bislang wurde zwar noch kein Medikament von der FDA mit Organ-on-a-Chip-Tests zugelassen, aber das wird hoffentlich in naher Zukunft der Fall sein. Zumal es bereits erfolgreiche präklinische Tests gab.
Zahlen & Fakten
Die Technologie hat ein noch viel größeres Potenzial: Es wird möglich sein, personalisierte Chips für Patienten zu bauen, mit denen sich testen lässt, wie ein Individuum auf ein bestimmtes Medikament reagieren wird. Der Bedarf ist enorm: In der Krebsbehandlung etwa wird die Immuntherapie gerade zum Goldstandard, aber viele Patienten sprechen auf diese – sehr teure – Therapie nicht an. Ein individuelles Organ-Miniaturmodell wird die Möglichkeit bieten, vorab zu prüfen, ob der Patient von der Behandlung profitieren wird oder nicht.
Werden wir irgendwann nicht nur in der Lage sein, Medikamente für jeden Einzelnen zu testen, sondern auch Ersatzorgane aufzubewahren? Nur für den Fall, dass wir sie plötzlich brauchen? Das wäre das ultimative Ziel, aber es wird noch viele Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern, bis es so weit ist. Selbst wenn der Druck von Organen funktioniert, wird noch einige Zeit vergehen, bis die entsprechende Technologie allgemein verfügbar und erschwinglich ist. Dennoch ist die Lebensrettung aus dem 3D-Drucker keine Utopie mehr, sondern eine klare Vision.
Conclusio
Biodruck ist eine der vielversprechendsten Technologien, die der 3D-Druck gebracht hat. Irgendwann wird sie es hoffentlich ermöglichen, Organe zu drucken, die dann Patienten eingesetzt werden können. Vielleicht wird es sogar möglich sein, sie wie Ersatzteile zu lagern. Schon vorher wird die Organ-on-a-Chip-Technologie helfen, individualisierte Therapien für Patienten zu finden.