Wording mit Wumms
Weil positiv aufgeladene Zukunftserzählungen fehlen, ergehen sich die Parteien in begrifflicher Abgrenzung voneinander. Das Negative wurde zur Leitlinie der Kommunikation.

Auf den Punkt gebracht
- Negativität. In der österreichischen Politik überwiegen negative Abgrenzungen: Politiker definieren sich durch das, was sie ablehnen, anstatt durch Programme.
- Framing. Das Konzept bedient Emotionen statt Fakten; negative Formulierungen haften zwar stärker, schwächen aber zugleich oft die eigene Position.
- Ideenlosigkeit. Weil positive Zukunftsvisionen fehlen, dominieren Angriffe. Angst zu schüren ist leichter als Hoffnung zu wecken oder Lösungen zu entwickeln.
- Populismus. Erfolgreiche Populisten setzen auf Antagonismen wie Gut gegen Böse und adressieren das Gefühl der Ohnmacht gegenüber den Eliten.
Das Problem beginnt bei der Eigendarstellung. Wenn Politikerinnen und Politiker in Österreich heute über Pläne sprechen, sagen sie zuerst einmal, wofür sie nicht stehen und wohin sie nicht wollen. Multifunktions-Ministerin Claudia Plakolm (ÖVP) etwa verkaufte ihre Integrationsideen so: „Ich will keine Sozialhilfe mit neuem Türschild.“
Mehr aus dem Dossier „Schubladisierung“
An anderer Stelle betonte ihre Gesinnungsgemeinschaft, „keine sozial kalte Partei“ zu sein, die neue Salzburger Landeshauptfrau Karoline Edtstadler (ebenfalls ÖVP) sah sich gar zu der Klarstellung gezwungen, sie sei „keine Eiskönigin“. SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler unterstrich in den Koalitionsverhandlungen, er wolle „Österreich nicht kaputtsparen“. Und Neos-Staatssekretär Sepp Schellhorn, in der „Dienstwagenaffäre“ um einen Audi A8 unter Druck geraten, beteuerte fast flehentlich: „Ich bin kein Luxusboy.“
Die Bilder bleiben hängen
Was die Koalitionäre bei Kommunikationsleistungen dieser Art vergessen, ist, dass Negationen nicht gehört werden. Das kennt jeder aus dem Privatleben. Sagt man seinem Kind, es solle dieses oder jenes gefälligst unterlassen, wird das Verbotene bloß attraktiver und dessen Umsetzung eher beschleunigt. Bittet man Vertraute, etwas nicht weiterzuerzählen, kann man es auch gleich plakatieren. Negationen verfehlen auch in der Politik oft ihre Wirkung, hängen bleiben stattdessen die Attribute „Eiskönigin“, „kaputtsparen“ und „Luxusboy“. Das gibt dann genau jene Bilder im Kopf, die man vermeiden wollte.
Die Wählerschaft befindet sich auf einer Einbahnstraße in Richtung Emotion.
Der Prototyp dieses Prinzips ist der rosa Elefant, an den man eben nicht denken sollte. Der eingefärbte Dickhäuter ist das einfachste Beispiel dafür, was man in der politischen Kommunikation unter „Framing“ versteht. Jeder versucht, die vorhandenen Emotionen der Wähler zu nutzen, diese mit geschickt gewählten Begrifflichkeiten zu bedienen.
Das Ziel ist, an den Werthaltungen des Publikums anzudocken, sich dort mit kreativen Wortschöpfungen quasi festzusetzen. Denn es zeigt sich, dass Wählerinnen und Wähler tatsächlich ihre Werte und ihre vermeintliche Identität wählen. Dem zuwiderlaufende Zahlen, Daten und Fakten – mögen sie objektiv betrachtet noch so wahr sein – werden geflissentlich ausgeblendet. Die Wählerschaft befindet sich auf einer Einbahnstraße in Richtung Emotion.
Dieser Zugang funktioniert natürlich auch bei der Darstellung des politischen Mitbewerbers. Kann man diesen unter Druck setzen, ihn anders positionieren, als er das selbst gerne hätte, ist das oft schon die halbe Miete. Bei den Details ist aber Vorsicht geboten: Übernimmt man die Rahmenerzählung des Gegenübers und setzt sie plump ins Negative, stärkt man sie nur.
Die Industriellenvereinigung etwa plakatierte 2018, als es unter Türkis-Blau um eine Flexibilisierung der Arbeitszeit ging, Slogans zur Unterstützung der Regierung. „Der 12-Stunden-Arbeitstag ist ein Märchen“ stand da etwa zu lesen. Doch mit der prominenten Platzierung der Zahl 12 bekam der Gewerkschafts-Spin des vermeintlich um 50 Prozent verlängerten Arbeitsleids erst richtig Schwung. Dazugelernt hat man im Haus der Industrie offenbar nicht: Der heutige Präsident der Industriellen, Georg Knill, hat es weiterhin mit den Zahlen und stieß vor dem Sommer recht ungeschickt eine Pensionsalter-Debatte „in Richtung 70“ an.
Die Macht der Spindoktoren
Findet man dagegen eine eigene negative Zuspitzung, ein gelungenes Wording mit Wumms, kann „Framing“ effektiv sein. Das ist die Denkart vieler Spindoktoren, die sich auch zunehmend im politischen Alltag zeigt. Positive Frames sind aktuell eher selten zu finden. Zu dünn ist in den meisten Fällen die Zukunftserzählung der Parteizentralen.
In der politischen Kommunikation gibt es nur zwei Grundemotionen – die Hoffnung und die Angst.
Viele Politiker wissen nicht mehr so genau, wofür sie stehen. Oder sie fürchten sich vor der eigenen Courage und ahnen, dass sie sich mit ihrer Überzeugung nicht durchsetzen werden. In diesem Fall nimmt man meist den einfacheren Weg: jenen der Attacke. Das ist auch für die meisten Berater in der Branche eine sichere Bank. Denn in der politischen Kommunikation gibt es meist nur zwei Grundemotionen – die Hoffnung und die Angst. Die Crux an dieser Polarität: Es ist viel leichter, Angst zu schüren, als Hoffnung zu wecken.
Für Letzteres braucht man nämlich talentierte Kommunikatoren, ein zukunftsgerichtetes, glaubwürdiges Narrativ und auch noch ausreichend Ressourcen, um die Geschichte medial auf allen Kanälen zu platzieren. Selbst dieses Anforderungsprofil garantiert noch keinen Erfolg. Sogar Kommunikationsgrößen wie die ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder oder Sebastian Kurz scheiterten an der Königsdisziplin Reformkommunikation. Schröders Arbeitsmarktreform „Agenda 2010“ schrumpfte zum lautmalerisch eher furchteinflößenden Begriff „Hartz IV“, Kurz traute sich echte Reformen nach geschlagener Wahl erst gar nicht mehr zu.
Von seichten Wortspielen …
So begnügen sich die meisten mit dem (negativen) Etikettieren der Mitbewerber. Das beginnt bei plumpen Namenswitzen und Verballhornungen. US-Präsident Donald Trump etwa ist ein Meister dieses Fachs. Seinen langjährigen Kontrahenten und Nachfolger wie Vorgänger Joe Biden nannte er nur „Sleepy Joe“, seine Gegenkandidatinnen Kamala Harris und Hillary Clinton „Crazy Kamala“ und „Crooked Hillary“.
In heimischen Gefilden gibt’s das freilich auch. „NATO-Beate“ ist eine FPÖ-Zuschreibung für Außenministerin und Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, „Lady Gaga“ und „Corona-Karo“ galten während der Pandemie für die damalige Verfassungsministerin Edtstadler, „Andi Blabla“ tönte es dem SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler entgegen.
Und nach den gescheiterten blau-türkisen Regierungsverhandlungen wurde FPÖ-Chef Herbert Kickl, in der Eigenwahrnehmung „Noch-nicht-Kanzler“, für die Volkspartei zum „Will-nicht-Kanzler“.
Es ist viel leichter, Angst zu schüren, als Hoffnung zu wecken.
Manche versuchen, solche Attribute auch inhaltlich zu entwickeln. Der seinerzeitige Kanzler Karl Nehammer etwa prägte im Wahlkampf 2024 den Begriff „schleichender Lohnfraß‘“ (für die Abschaffung der mittlerweile zum Teil wiedereingeführten kalten Progression). Gern sprach er auch vom „größer werdenden Kuchen“, der die Grundlage für neue soziale Wohltaten werden sollte. Doch das Versprechen entpuppte sich angesichts des explodierenden Budgetdefizits als Voodoo-Ökonomie. Bemerkenswert ist, wie schnell sich die wirtschaftliche Welt des Landes ins komplette Gegenteil verkehrt hat: 2019 zählte Österreich in der EU noch zu den „Frugal Four“, also jenen Mitgliedsstaaten, die besonderen Wert auf geordnete Finanzen legten.
Untaugliche Begrifflichkeiten kennzeichnen auch die zumeist eher hilflosen Bemühungen der politischen Mitte, sich populistischer Konkurrenz zu erwehren. In Deutschland wurde gegen die AfD eine „Brandmauer“ errichtet, in Österreich sprachen die Gegner der schwarz-blauen Regierung im Wien des Jahres 2000 von einem „cordon sanitaire“. Ob man in der Abgrenzung zu FPÖ oder AfD nun ein Bild aus dem Vokabular des Seuchenschutzes nutzt oder eine Feuersbrunst beschwört: Erfolgreich waren und sind solche Ansätze meistens deshalb nicht, weil die Wähler dieser isolierten Parteien ebenfalls getroffen werden und für die gemäßigte Mitte nicht mehr ansprechbar sind.
Die Wiener Grünen machten im Wahlkampf 2025 einen ähnlichen Fehler. Sie plakatierten: „Ihr könnt Klima nicht mehr hören, wir die Vögel.“ Als Adressat der Botschaft war man also von vornherein auf der falschen Seite.
Sinnvolle Auseinandersetzungen mit unterschiedlichen inhaltlichen Positionierungen werden auf dieser Basis natürlich schwer, mitunter unmöglich. Aber so ist das nun einmal auf unserem Weg in die „Emokratie“, in der sich die Politik der (negativen) Gefühle abkoppelt von realen Zahlen, Daten und Fakten und diese damit zunehmend marginalisiert. Jeder bastelt sich seine eigene Wirklichkeit, schafft ein paar aufgeladene Begrifflichkeiten, und fertig ist die Positionierung.
US-Präsident Trump scheint dabei für viele zum Vorbild zu werden. Von der angeblich gestohlenen Wahl 2020 – er hatte diese verloren, und das konnte nun ja wirklich nicht sein – bis hin zu Haustiere verzehrenden Zuwanderern im Bundesstaat Ohio: Trumps faktenbefreite Behauptungen halten die Welt in Atem, seine Anhänger aber durchaus bei Laune.
… und großen Linien
Was der von vielen Kommentatoren als geistig minderbemittelt beschriebene Präsident der Vereinigten Staaten im Gegensatz zu manch anderen jedenfalls schafft, ist der Aufbau einer eigenen Erzählung. Diese hantelt sich immer entlang eines doppelten Populismus: Einmal bedient er die Instinkte des ideologischen Populismus, die angesichts multipler Krisen und eines wahrnehmbaren Abstiegs der Mittelschicht vermehrt Resonanzboden bieten. In dieser Zuspitzung muss immer etwas „zuerst“ kommen und sich über das Andersartige erheben.
Erfunden wurde das in der politischen Neuzeit zwar 1993 mit Jörg Haiders Volksbegehren „Österreich zuerst“. Das aber ist lange genug her, somit kann „America first“ in der modernen Medienwelt durchaus als revolutionär gelten.
Diese Form der Teilung zwischen Gut und Böse geht mit einer für die Republikaner neuartigen Form des diskursiven Populismus einher. Trump spielt mit der eigentlich klassisch linken Erzählung des „Wir da unten gegen die da oben“. Gekoppelt wird das mit der Agitation gegen ein vermeintlich alles kontrollierendes und beherrschendes „System“. Auch der Kampf gegen diese amorphe Obrigkeit kam früher mal von links.
Heute ist das der Sammelpunkt der nationalen Internationale. FPÖ und Republikaner haben hier ihre neue gemeinsame Basis. Sie versuchen sich in der Disziplin des „Agenda Building“, also im Aufbau einer über die politische Tagesaktualität weit hinausgehenden Sammlung von Botschaften. FPÖ-Chef Herbert Kickl ist bei der Regierungsbildung zwar gescheitert und wird wohl auch künftig nicht so leicht Koalitionspartner finden, aber eine Erzählung hat er. Auf den Trümmern der von Ibiza und der Spesenaffäre dezimierten FPÖ baute er ab 2019 einen neuen blauen Themenpark.
Made in Blaustria
Kickl stellte die früher fast monothematisch auf Migration fokussierte Partei breiter auf, aber immer unter einer kommunikativen Klammer: Freiheit versus Unterdrückung. Darauf spielen die Freiheitlichen an, wenn sie bei ihrem Leib-und-Seelen-Thema vom angeblich drohenden „Bevölkerungsaustausch“ sprechen. Die Befreiung kommt hier durch den „Remigration“ genannten Rauswurf der Unerwünschten.
Das Motto ist immer gleich: Make Voters Great Again!
Während der Pandemie war es der schwere politische Fehler der „Impfpflicht“, die im FPÖ-Sprech zur „Zwangsimpfung“ und im Tandem mit den schier endlosen Lockdowns für Impfverweigerer zum politischen Kassenschlager wurde. Klimapolitik wird bei der FPÖ zum „Öko-Kommunismus“, es brauche stattdessen freie Fahrt für freie Bürger. Die Russland-Sanktionen der EU werden zum wirtschaftlichen Selbstfaller und zur „vertanen Friedenschance“. Die Lösung: echte Neutralität – und billiges Gas. Schließlich bleibt die Abgrenzung zur ebenfalls mit (in diesem Fall linker) Identitätspolitik überladenen „Wokeness“. Auch hier kämpft die FPÖ für die vermeintlich Entrechteten und dafür, dass sie (wieder) so sprechen dürfen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.
Das Motto ist immer gleich: Make Voters Great Again! Die FPÖ adressiert die Ohnmacht der Menschen. Dafür klaut sie ausnahmsweise nicht bei Trump, sondern bei dessen Vorgänger Barack Obama. Der hatte in seinen stilbildenden Kampagnen auch die Wähler ins Zentrum gestellt: „Yes, we can!“
Die Freiheitlichen versuchen das ebenso, wenn sie behaupten, der „Volkskanzler“ sei bloß „Werkzeug“ der Wähler. Aktuell sind sie freilich verdammt, darauf zu warten, dass die Regierung aus ÖVP, SPÖ und Neos an den enormen Herausforderungen scheitert. Untätig ist man bei der FPÖ derweil nicht; die Fremdetikettierung läuft weiter prächtig. Die vom Boulevard hinterhältig „Zuckerlkoalition“ genannte Regierung muss eher bittere Pillen verteilen, bei den Freiheitlichen wird sie zur „Einheitspartei“ und zur historisch bedenklichen „Liste Volksverrat“. In einer Art Zwischenkampagne, genannt U-Ausschuss, verstärkt die FPÖ inzwischen die schon bestehende Verschwörungserzählung gegen das „System“.
Das aus der Kampagne von Donald Trump importierte Motto ist das nächste Kapitel im politischen Fortsetzungsroman: Der „tiefe Staat“ ist am Werken und unterdrückt wieder einmal die Menschen.
Conclusio
Etikettierung. In Ermangelung positiver Zukunftserzählungen setzen die Parteien zunehmend auf harsche Abgrenzung voneinander. In der politischen Auseinandersetzung dominiert Negativität, inhaltliche Tiefe bleibt auf der Strecke.
Erfolglos. Die Entwicklung politischer Wordings geht daneben, wenn Politiker stets nur betonen, wofür sie alles nicht stehen. Auch meistens eher peinliche Namenswitze und sonstige bemühte Wortkreationen führen nur selten zum Erfolg.
Erfolgreich. Der strategisch geplante Aufbau von Begriffswelten kann sich lohnen, wie die jüngsten Wahlkämpfe in den USA und Österreich gezeigt haben: Die Politiklandschaft war von der Etikettierung der ideologischen Gegner geprägt.