Robert F. Kennedy Jr. – Nur ein Spinner?

RFK, der umstrittene Kennedy-Sprössling soll das teuerste Gesundheitssystem der Welt umkrempeln. Wegen unwissenschaftlicher Aussagen steht er heftig in der Kritik, aber viele seiner Pläne gehen wichtige Probleme in den USA an.

Robert Kennedy Jr. (RFK) reicht Donald Trump vor Publikum die Hand.
Robert Kennedy Jr. (RFK) unterstützt Donald Trump während eines Wahlkampfauftritts in Arizona. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Kontrovers. Robert F. Kennedy Jr. ist als designierter US-Gesundheitsminister umstritten – nur 60 Prozent der republikanischen Wähler stehen hinter ihm.
  • Einflussreich. RFK würde das größte US-Ministerium leiten mit einem Budget von 1.700 Mrd. USD und elf Behörden wie CDC, FDA und NIH beaufsichtigen.
  • Vorhaben. Seine Politik fokussiert sich auf chronische Erkrankungen, nachhaltige Landwirtschaft, Lebensraumerhaltung, Umweltgifte und Korruptionsbekämpfung.
  • Bedenklich. RFK ist mit einer Reihe an wissenschaftlich unseriösen Haltungen aufgefallen, vor allem mit schädlicher Falschinformation über Impfungen.

Als der designierte US-Präsident Donald Trump Robert F. Kennedy Junior (RFK) als möglichen nächsten Gesundheitsminister vorschlug, waren die Reaktionen der Medien überwiegend negativ. RFK sei ein „Impfgegner, Verschwörungsideologe“, der „Falschbehauptungen wie am Fließband“ verbreitet und vor „allem bei medizinischen Themen“ den „wissenschaftlichen Konsens“ ignoriert.

Der Anwalt für Umweltrecht, der zu Zeiten des demokratischen Präsidenten Barack Obama sogar für die Leitung der Umweltschutzbehörde vorgesehen war, hat wesentlich zu diesem negativen Image beigetragen. Die Liste seiner fragwürdigen Aussagen ist nicht nur lang, sondern auch gut belegt. Zuletzt sprachen sich laut New York Times sogar 77 Nobelpreisträger gegen seine Nominierung als US-Gesundheitsminister aus.

RFK spaltet auch die amerikanische Bevölkerung. In einer aktuellen Umfrage begrüßen 60 Prozent der republikanischen Wähler seine Nominierung, zehn Prozent sind dagegen, im demokratischen Lager ist es genau umgekehrt, 73 Prozent sind gegen seine Nominierung und nur acht Prozent dafür.

Manche Forscher gehen davon aus, dass die Gesundheitskrise der amerikanischen Bevölkerung sowohl Ursache als auch Folge des schwindenden amerikanischen Traums ist.

Bei einer Bestätigung im Senat würde RFK das Ministerium mit dem größten Budget (1.700 Milliarden Dollar) aller US-Ministerien übernehmen. Ihm wären damit elf Behörden unterstellt, darunter die Centers for Disease Control and Prevention (CDC), die U.S. Food and Drug Administration (FDA), die National Institutes of Health (NIH) – oder die Centers for Medicare und Medicaid Services (CMS). Im Jahr 2023 gaben die USA 18 Prozent des Bruttoinlandprodukts bzw. unfassbare 4.900 Milliarden Dollar für Gesundheit aus. Das ist mit Abstand Weltrekord.

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Zahlen & Fakten

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Trotzdem schneiden die USA bei den Gesundheitsergebnissen unterdurchschnittlich ab. Die Lebenserwartung sinkt, viele Menschen sterben vorzeitig, 30 Millionen sind nicht versichert, die gesundheitliche und soziale Ungleichheit ist enorm und nimmt weiter zu. Schon vor der Corona-Pandemie kostete die Opioid-Krise Hunderttausenden jungen Menschen das Leben, dazu kommen Waffengewalt, schlechte Ernährung, mangelnde Bewegung, Fettleibigkeit, chronische Erkrankungen und vieles mehr. Arbeitsmarkt, Wirtschaft und Gesundheit hängen dabei direkt zusammen. Manche Forscher gehen davon aus, dass die Gesundheitskrise der amerikanischen Bevölkerung sowohl Ursache als auch Folge des schwindenden amerikanischen Traums ist.

Fünf wichtige Ziele

Auf den kommenden Gesundheitsminister kommt somit eine Mammutaufgabe zu, wobei es vor allem darum geht, die wirtschaftliche Situation vieler Amerikaner und damit ihre Gesundheitschancen zu verbessern. RFK möchte mit seiner Initiative „Make America Healthy Again“ auf folgende fünf Handlungsfelder fokussieren: Reduktion von chronischen Erkrankungen, regenerative Landwirtschaft, Lebensraumerhaltung, Bekämpfung von Korruption und Reduktion von Umweltgiften.

Das CDC schätzt, dass 130 Millionen Amerikaner zumindest von einer chronischen Krankheit betroffen sind. 90 Prozent der Gesundheitsausgaben fließen in das Management und die Behandlung von chronischen Erkrankungen, die für fünf der zehn häufigsten Todesursachen in den USA verantwortlich sind. RFK möchte deshalb deutlich stärker in die Prävention von chronischen Erkrankungen investieren, den Zugang zu gesunden Lebensmitteln verbessern und jene Umweltfaktoren reduzieren, die das Risiko für Krebs, Diabetes und Herzerkrankungen erhöhen.

Dafür erhält er auch Zustimmung von führenden Gesundheitsexperten die ihm bei anderen Themen durchaus heftig widersprechen. Aufgrund der ungesunden Ernährung und Bewegungsmangel sind bereits über ein Drittel der amerikanischen Bevölkerung adipös. Darunter immer mehr Kinder und Jugendliche. RFK sieht einen wesentlichen Grund in der industrialisierten Nahrungsmittelproduktion und möchte dagegen gesetzlich vorgehen. RFK schafft es aber auch bei so einem konsensualen Thema zu provozieren. „Wir haben eine Generation von Kindern, die gerade in einer giftigen Suppe herumschwimmen“, sagte er kürzlich auf Fox News, um auf dem Sender MSNBC noch nachzulegen: „Es gibt ganze Abteilungen, wie die Ernährungsabteilung der FDA … die gehen müssen, die ihren Job nicht machen.“

Schadstoffe und Umweltschutz

Die weltweit eingesetzte Pestizidmenge steigt seit Jahrzehnten an. Die Auswirkungen auf die Gesundheit sind gut belegt. RFK möchte Anreize für nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken schaffen, die Bodengesundheit verbessern, die Artenvielfalt erhöhen und den Einsatz von Pestiziden in den USA reduzieren. In Interviews argumentiert er, dass eine regenerative Landwirtschaft nicht nur gesündere Lebensmittel produziert, sondern auch zur Kohlenstoffbindung und zum Kampf gegen den Klimawandel beiträgt. Ob er dafür jene Unterstützung des zukünftigen Präsidenten erhält, die er braucht, um sich gegen mächtige Interessensgruppen durchzusetzen, bleibt offen.

RFK möchte die natürlichen Lebensräume Amerikas schützen und deren Zerstörung durch die Expansion von Industrie und Landwirtschaft eindämmen. Er plädiert für strengere Umweltvorschriften und deren Durchsetzung. Angesichts der Äußerungen von Donald Trump zur Gewinnung von Bodenschätzen in sensiblen Naturräumen, wird es nicht leicht werden, dieses Ziel umzusetzen. Außerdem ist der Umweltanwalt RFK für die Reduktion schädlicher Chemikalien und Giftstoffe – sowie das bessere Monitoring von Umweltgiften. Auch bei diesem Thema kann er mit Unterstützung, zum Beispiel von Umweltorganisationen, rechnen.

Interessenskonflikte im Gesundheitswesen

Dass er beim Thema Korruptionsbekämpfung erfolgreich sein kann, hat RFK in der Vergangenheit, zum Beispiel 2018 im Prozess gegen den Agrarkonzern Monsanto, bewiesen. Als Gesundheitsminister möchte er den Einfluss der Industrie auf Gesundheitsbehörden reduzieren und sicherstellen, dass Regulierungsbehörden im öffentlichen Interesse und nicht auf Geheiß von Geldgebern handeln. So wird die US-Arzneimittelbehörde (FDA) aktuell zu 45 Prozent über sogenannte Benutzungsgebühren finanziert. Der Großteil davon kommt von der Pharmaindustrie. Nachdem die FDA auch für die Zulassung von Arzneimitteln zuständig ist, sehen viele Kritiker hier einen Interessenskonflikt. Hinzu kommt, dass in der Vergangenheit neun von zehn FDA-Leitungen direkt in Führungspositionen in der Pharmaindustrie gewechselt haben.

Interessenskonflikte gibt es aber auch in vielen anderen Bereichen. So verlassen sich die Zentren für Medicare und Medicaid Services (CMS) auf Empfehlungen des National Comprehensive Cancer Network (NCCN), wenn es um die öffentliche Finanzierung von Krebsmedikamenten für circa 140 Millionen Versicherte geht. Eine Studie zeigte, dass 85 Prozent der Autoren von Leitlinien des NCCN zumindest einen finanziellen Interessenskonflikt aufwiesen. Auch eine Arzneimittelwerbung, die direkt am Konsumenten ansetzen darf („Direct-to-consumer advertising“), gibt es weltweit nur in den USA und Neuseeland. RFK möchte diese verbieten und Regelungen ähnlich wie in Europa einführen.

Rohmilch und Fluorid als Strohfeuer

Mit zwei weiteren Themen hat RFK mediale Aufmerksamkeit erregt. So möchte er Amerikanern den Konsum von roher Milch ermöglichen. Das sorgte für heftige Kritik, auch in deutschsprachigen Medien. Dabei ist rohe Milch nicht nur in vielen europäischen Ländern frei erhältlich, sondern auch in 43 amerikanischen Bundesstaaten. Der Gesundheitsnutzen mag fraglich sein, das Risiko einer Infektion ist für gesunde Menschen bei Einhaltung der geltenden Hygienevorschriften aber minimal. Angesichts der vielen ungesunden, hochkalorischen, hochverarbeiteten, zuckerhaltigen, fettreichen und mit künstlichen Zusatzstoffen angereicherten Nahrungsmitteln, ist der Konsum von Rohmilch mit Sicherheit ein Randthema.

RFK möchte auch auf die Fluoridierung von Trinkwasser verzichten. Auch das sorgte für heftige Kritik. Dabei gibt es diese Art der Fluoridierung nur in ganz wenigen Ländern der Welt. In Europa nur in Irland und geringfügig auch in England, Polen und Spanien. In allen anderen Ländern stehen fluoridierte Lebensmittel, insbesondere in Form von Salz, manchmal auch Brot und Milch zur Verfügung. Zur Kariesprophylaxe braucht es inzwischen kein fluoridiertes Trinkwasser, dafür weniger kariesfördernde Nahrungsmittel und eine entsprechende Zahnpflege. Gerne auch mit fluoridhaltigen Zahnpasten.

Diese Aufzählung soll zeigen, dass RFK auch durchaus legitime Standpunkte vertritt. Seine Nominierung wird letztendlich davon abhängen, ob er den US-Senat überzeugen kann, dass er kein Impfgegner ist, der mit seinen extremen Ansichten die Gesundheit von Kindern, aber auch Erwachsenen gefährden könnte. Angesichts seiner vielen Falschaussagen in Bezug auf Impfungen, seinem Engagement in impfskeptischen Organisationen und seiner viel zu oft wissenschaftsfeindlichen Haltung auch zu anderen Gesundheitsthemen wird ihm das nicht leichtfallen.

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Conclusio

Mammutaufgaben. Egal, wer der nächste US-Gesundheitsminister wird, die Herausforderungen sind enorm: Die USA kämpfen trotz weltweiter Rekordausgaben für Gesundheit mit sinkender Lebenserwartung, 30 Millionen Nichtversicherten, einer verheerenden Opioidkrise, schlechter Ernährung, Bewegungsmangel, Fettleibigkeit und chronischen Erkrankungen.
Wackelkandidat. Trotz einiger legitimer Standpunkte in Bereichen wie Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung wird die Nominierung von RFK als Gesundheitsminister aufgrund kontroverser Aussagen zu Impfungen und einer als wissenschaftsfeindlich wahrgenommenen Haltung kritisch gesehen.
Einseitig. In deutschsprachigen Medien lag der Fokus in der Berichterstattung über RFK vermehrt auf dessen unwissenschaftlichen Ansichten. Eine differenzierte Betrachtung offenbart jedoch, dass einige seiner politischen Vorhaben der Gesundheit der Amerikaner großen Nutzen bringen könnten.

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