Zum Fressen gern
Seit dreißig Jahren kämpft Katja Sterflinger gegen Schädlinge wie Pilze und Bakterien in Museen. Der Klimawandel erschwert ihre Arbeit noch einmal; und trotzdem hat sie gute Nachrichten.

Über viele Jahrzehnte erstrahlten die Wandmalereien der Johanneskapelle in Pürgg in dezentem Rosa. Restauratoren mussten penibel darauf achten, dass etwa die Putzergänzungen, die notwendig waren, dieselbe Farbe hatten – schließlich sollten sie in das Gesamtbild passen. „War ja auch hübsch“, sagt Katja Sterflinger, Leiterin des Instituts für Naturwissenschaften und Technologie in der Kunst.
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Bloß dass sich irgendwann herausstellte, dass das Rosa weder die Intention des Künstlers noch der originale Zustand der Wandmalerei war. „Das war auf Bakterienbefall zurückzuführen“, sagt Sterflinger. Das aber hat erst eine DNA-Analyse vor etwa zwanzig Jahren ergeben. Mittlerweile wurde die Kapelle in ihren ursprünglichen Zustand re-restauriert und die Bakterien mit Alkohol entfernt.
Ein gedeckter Tisch für Schädlinge
In vielen anderen Fällen sind die Ergebnisse von Schädlingen an Fresken und Denkmälern, in Museen, Bibliotheken, Depots und Sammlungen weniger hübsch. Pilze, Bakterien und Insekten befallen Kunstwerke, selbst Sonnenlicht kann große Schäden hervorrufen. „Gerade historische Kunst ist im Grunde genommen ein gedeckter Tisch für Schädlinge“, sagt Sterflinger – sie beschäftigt sich seit dreißig Jahren mit Bakterien und Pilzen, die Kunstwerken Schaden zufügen könnten. Und der Klimawandel macht alles noch einmal schwieriger, weil es wärmer und feuchter wird. Seit 2021 ist Sterflinger deshalb Teil eines internationalen Forscherteams, das die Auswirkungen des Klimawandels auf Museumsschädlinge untersucht.

Im Labor ihres Instituts werden allerlei Dinge analysiert, die Kunst befallen könnten: Es stehen Erlenmeyerkolben mit Bakterien und unzählige Petrischalen mit Schimmelpilzkulturen herum – „wunderschön und sehr vielfältig“, findet Sterflinger diese. „Allerdings muss man sagen, dass die Pilze, die auf und in Kunstwerken vorkommen, nicht sehr spektakulär sind. Das sind die Jungs und Mädels, die auch bei uns im Kühlschrank siedeln.“ Nur das es eben ein Unterschied ist, ob der Topfen oder ein Tizian schimmelt.
Lediglich die dritte Gruppe an Schädlingen, Insekten wie Brotkäfer oder Silberfischchen, fallen nicht in ihren Kompetenzbereich – glücklicherweise, findet Sterflinger. Insekten faszinieren sie weit weniger als Pilze: „Das macht ein Entomologe, mit dem wir zusammenarbeiten, das können wir nicht abdecken. Ich will diese Krabbeltiere auch gar nicht hier haben.“
Prävention statt Polizei
Als Sterflinger anfing, sich mit Museumsschädlingen zu beschäftigen, „war ich immer nur die Polizei. Ich habe zwanzig Jahre lang zahlreiche Gutachten für Museen gemacht, die schon Schimmelpilzschäden hatten. ‚Es ist verschimmelt, was sollen wir tun?‘“ Mittlerweile ist das Bewusstsein für Prävention weitaus ausgeprägter. „Es gibt beispielsweise mittlerweile Quarantäneräume für angelieferte Kunstwerke. Früher ist das Objekt verschimmelt in die Sammlung gekommen und hat sie kontaminiert.“

In der Albertina hat Sterflinger ein präventives mikrobiologisches Monitoring durchgeführt, „dort haben wir es geschafft, dass der Tiefenspeicher fast eine Reinraumqualität hat.“ Einige, erzählt sie, hätten sich gefragt, ob das wirklich nötig sei. Die Antwort kam 2009, als nach starken Regenfällen Wasser in den Tiefspeicher eindrang. „Da gab es letzten Endes eine Durchfeuchtung, aber keine Schimmelpilzbildung. Weil nichts da war, das wachsen konnte, da gab es keine Sporen.“
Dass Kunstwerke vor Schädlingen geschützt werden müssen, ist seit langem bekannt – nur dass früher die Methoden wenig zimperlich waren. „Die organischen Bestände aus Kolonialzeiten, also beispielsweise Knochen oder Felle, wurden mit den härtesten Giften, die man damals hatte, behandelt – damit sie überhaupt die Passage auf dem Schiff nach Europa überstehen.“ Auch das ist ein Problem: „Die Rückstände dieser Biozide findet man bis heute auf den Sammlungen, sie sind verseucht mit Giftstoffen.“
Gibt es in hundert Jahren noch eine Mona Lisa?
Heute geht man die Sache behutsamer an. Nicht zuletzt auch deshalb, weil eine Behandlung eines Kunstwerks auch immer ein Risiko birgt. „Das ist ja was anderes, als wenn ich daheim die Fassade der Garage reinigen will, da geht es um wertvolle Objekte und empfindliche Materialien.“ Es sind nicht nur Schädlinge, die es auf die Kunst abgesehen haben. „Schadgase wie Schwefeldioxid oder auch einfach nur UV-Licht haben ein riesiges Schädigungspotential – deshalb steht die Mona Lisa auch nicht im direkten Sonnenlicht.“
Wir werden es nicht schaffen, alle Objekte zu erhalten, die wir vielleicht bewahren möchten.
Haben Kunstwerke deshalb ein Ablaufdatum? Wird eine Kombination all dieser Faktoren in ein paar hundert Jahren die Mona Lisa zersetzt haben? „Die Mona Lisa werden wir auch in 1.000 Jahren noch anschauen können. Aber wir werden es nicht schaffen, alle Objekte zu erhalten, die wir vielleicht bewahren möchten, weil der Aufwand groß ist.“ Und bei moderner Kunst ist es noch einmal schwieriger. „Es gibt so viele verschiedene Kunststoffe, so viele verschiedene zeitgenössische Pigmente, Kleber, Bindemittel – das alles zu überschauen ist wirklich schwer.“

Wobei die größten Gefahren für Kunstwerke nicht Schädlinge, sondern Kriege, Naturkatastrophen und Extremwetterereignisse sind. Auch das befördert der Klimawandel: „Starkregen nimmt genauso zu wie tektonische Ereignisse. Wir brauchen also Erdbebensicherheit, aber auch Schutz gegen Überflutungen. Wenn ich ein Depot in einen Keller räumen will, brauche ich ein wirklich gutes geologisches Gutachten“, erklärt sie.
Der Topfen und der Tizian
Das Konservieren und Lagern muss komplett neu gedacht werden. Dass es wärmer und feuchter wird, „ist für die Pilze super“, erklärt Sterflinger. Der Topfen bleibt nicht ohne Grund im Kühlschrank und auch der Tizian braucht eine geeignete Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Gleichzeitig stehen Museen vor der Aufgabe, energieeffizienter zu werden, um den Klimawandel nicht weiter zu befeuern. „Etwa durch passive Lüftungssysteme“, sagt sie.
Wenn wir die Umwelt zerstören, brauchen wir die Kunst auch nicht mehr.
Im Zuge des Projekts war die große Frage: Welche Temperatur und welche Luftfeuchtigkeit sind vertretbar, ohne die Kunstwerke zu gefährden? „Die wichtigste Erkenntnis ist, dass Dogmen, die sich seit dem Zweiten Weltkrieg durchgesetzt haben, was die Museumsklimatisierung angeht, nicht wissenschaftlich belegt sind“, sagt sie. „Man hat gesagt, 55 Prozent relative Luftfeuchtigkeit ist der oberste Schwellenwert.“ Dieser Wert habe sich durchgesetzt, ohne wirklich belegt zu sein. Und im Zuge des Projekts habe sich gezeigt, dass „wir einen größeren Spielraum haben“.

Natürlich, sagt Sterflinger, auch das müsse man nun noch feinjustieren und es „ist auch für eine Gemäldesammlung anders als für eine Pergamentsammlung.“ Aber insgesamt sei das eine gute Nachricht. Denn, sagt sie: „Bei aller Liebe zur Kunst und zum Denkmalschutz, die ich sicher habe: Das darf nicht auf Kosten der Umwelt gehen. Wenn wir die zerstören, brauchen wir die Kunst auch nicht mehr.“
Über diese Serie
Unter dem Titel „Forschungsreisen“ präsentieren wir spannende Forschungsprojekte aus ganz Österreich. Der Pragmaticus war bereits zu Gast bei Peter Turchin vom Complexity Hub, der die USA vor einem Bürgerkrieg sieht, hat mit Stefan Mayr von der Uni Innsbruck über die Zukunft der Alpenwälder unterhalten und sich von Lisa Bugnet am ISTA erzählen lassen, wie die Sterne klingen. Alle Forschungsreisen können Sie hier nachlesen.
Ausstellungstipp: Hier nagt nicht nur der Zahn der Zeit
Im Naturhistorischen Museum in Wien ist seit 19. März eine Sonderausstellung zu sehen, die sich mit Museumsschädlingen und den Versuchen, sie zu bekämpfen, beschäftigt.