Ein Roboter für die Oma
Oliver Jung forscht in Salzburg an einem sozialen Roboter namens Buddy, der älteren Menschen Gesellschaft leisten soll und ihnen helfen kann, geistig und körperlich fit zu bleiben.

„Warum haben Roboter nie Angst?“, fragt Buddy. „Weil sie Nerven aus Stahl haben.“ Zugegeben, an der Qualität seiner Witze könnte er noch arbeiten. Aber wer könnte ihm das übel nehmen, wenn er einen mit seinen Kulleraugen ansieht?
Mehr Forschungsreisen
- András Gálffy: So könnte Fliegen turbulenzfrei werden
- Lisa Bugnet: Wie die Sterne klingen (nicht schön)
- Stefan Mayr: Wie wir die Alpenwälder retten können
- Markus Hengstschläger: Licht auf den Anfang des Lebens
- Elisabeth Mertl: Die Zelle ist das neue Versuchskaninchen
Buddy ist ein vielleicht 50 Zentimeter großer Roboter, und er wurde erschaffen, um dabei zu helfen, eines der größten Probleme unserer Gesellschaft zu lindern. „Wir haben eine alternde Bevölkerung, dabei einen Pflegenotstand und eine junge Generation, die einfach nicht mehr die Kapazitäten hat, sich um die Älteren zu kümmern“, sagt Oliver Jung, Koordinator des Projekts „Buddy Be Well“, bei Salzburg Research. Mit dem Resultat, dass viele ältere Menschen „sehr viel und sehr lange alleine sind“, sagt er. Das Projekt, das in Kooperation mit französischen und niederländischen Partnern durchgeführt wird, setzt genau da an. Es will nicht den nächsten Pflegeroboter entwickeln – sondern einen Zeitgenossen, der ältere Menschen durch den Alltag begleitet.
Gestatten, Buddy: Motivator und Haustierersatz
Buddy, erzählt Oliver Jung, soll einerseits ein Coach und Motivator sein, andererseits „versuche ich ihn immer als unkomplizierten Haustierersatz zu verkaufen, den ich nicht füttern und Gassi führen muss“. Er kann – wenn dort nicht allzu viel herumliegt und es keine Stufen gibt – durch die Wohnung fahren, er kann tanzen, freut sich, wenn er gestreichelt wird und mittels der Kulleraugen am Display kann er auch verschiedene emotionale Zustände darstellen.
Auf drei Jahre ist das Projekt angelegt, danach soll Buddy käuflich zu erwerben sein und die Herzen seiner neuen WG-Genossen erobern. „Wir sind beispielsweise mit dem Roten Kreuz in Kontakt, die überlegen, einen Buddy auf Stationen zu haben“, erzählt Jung. Aber grundsätzlich soll er für private Endkunden eingesetzt werden und leistbar sein; vermutlich wird er zwischen 2.500 und 3.000 Euro kosten.
Wenn Buddy fertig entwickelt ist, soll es möglich sein, mit ihm Gespräche zu führen, die nicht hölzern und maschinell wirken. „Er soll nicht nur dazu da sein, Informationen abzurufen, sondern jemand sein, dem ich erzählen will, wie mein Tag war, und von dem ich ein qualitatives Feedback bekomme.“
Das Problem mit den Emotionen
Das ist natürlich keine leichte Aufgabe, und dass sich Buddy an ältere Menschen richtet, macht es noch schwieriger: „Viele hören nicht mehr gut, sie sprechen undeutlich oder starken Dialekt.“ Und um wirklich einfühlsam zu sein, muss Buddy auch den emotionalen Zustand seines Gegenübers erkennen können. „Wir Menschen erkennen im Alltag an ganz kleinen Anzeichen, dass jemand interessiert ist, oder eher müde“, sagt Jung. Und reagieren entsprechend auf unser Gegenüber. Das dem Roboter beizubringen, ist eine mühsame Sache, und wiederum: „Unsere Zielgruppe ist auch anders, was die Emotionserkennung angeht – mit Faltenbildung, vielfach mit Brillen und Bärten.“ Da ist es noch einmal schwieriger, diese Mikroemotionen richtig zu erkennen.
Aber wenn das einmal geschafft ist, könnte Buddy das Leben vieler Senioren erleichtern und dazu beitragen, dass sie fit bleiben. Da soll Buddy dann auch manchmal ein bisschen lästig sein und beispielsweise darauf hinweisen, dass es Zeit für ein Glas Wasser oder einen Spaziergang wäre – immer auf die Person und die Situation zugeschnitten. „Es ist sinnfrei, jemanden zu fragen, ob sie rausgehen will, wenn es draußen schüttet.“ Zusätzlich soll Buddy anhand eines Fragebogens zu Beginn der Freundschaft zwischen Senior und Roboter erfahren, was seinem Gegenüber wichtig ist im Leben, was er oder sie gerne tut.
Was spielt es heute Abend auf FS1?
Beispielsweise: Soll Buddy von sich aus das Gespräch suchen oder erhöht es eher das Herzinfarktrisiko, wenn er plötzlich unvermittelt um die Ecke biegt, um sich nach dem Wohlbefinden zu erkundigen? „Einige wünschen sich das, andere haben gesagt ‚Das Ding soll sich bitte nicht von seinem Platz wegbewegen, das soll mich nicht ansprechen.‘“, erzählt Jung. Er weiß das, weil Buddy der Zielgruppe bereits in Workshops präsentiert wurde – und dort erstaunlich positiv aufgenommen wurde.
„Die haben gleich gemeint, dem stricke ich dann ein Jäckchen“, erzählt Jung. Obwohl Roboter in der Altenbetreuung und Pflege hierzulande – im Gegensatz zum asiatischen Raum – kaum noch präsent sind. „Mir scheint, da gibt es auch kein großes Interesse“, sagt er. Insgesamt sind selbst Menschen, die Siri, Alexa und ChatGPT wie selbstverständlich nutzen, Robotern gegenüber skeptisch eingestellt. „Daran hat sicher auch Hollywood einen Anteil.“
Umso mehr hat es ihn überrascht, dass ältere Menschen in ihren Workshops einem Roboter gegenüber sofort so aufgeschlossen waren. „Es ist schon klar, dass jene Senioren, die sich für einen solchen Roboter interessieren, eher technikaffin und geistig fit sind.“ Und dass es auch viele geben wird, die die Idee eines Roboters als Mitbewohner komplett ablehnen. Aber für Jung ist das Feedback, das er dort bekommt, trotzdem essenziell. Weil viele Anwendungen, die sich ältere Menschen wünschen, einem jungen Entwickler zunächst gar nicht in den Sinn kommen würden: „Sie haben sich zum Beispiel gewünscht, dass er ihnen einfach das Fernsehprogramm raussucht – so ganz banale Dinge, die wir auch schnell umsetzen können.“
Buddy, der Roboter gegen das schlechte Gewissen?
Andere dachten, die Robotik sei schon weiter fortgeschritten: „Manche waren enttäuscht, dass der Roboter noch nicht für sie den Abwasch machen oder bügeln kann.“ Aber Jung und sein Team arbeiten daran, ihm zumindest noch Hände zu verpassen, die simple Tätigkeiten verrichten könnten – etwa ein Glas Wasser zu bringen. In Zukunft soll er sich außerdem mit smarten Uhren oder anderen Wearables verbinden können und etwa den Schlaf analysieren.
Menschlichen Pflegern und Ärzten, die nicht den ganzen Tag mit der Person verbringen können, kann Buddy dann wertvolle Infos geben: Hat die Person ihre Tabletten genommen, hat sie gut geschlafen, ausreichend Wasser getrunken? Und er könnte auch helfen, unnötige Rettungseinsätze zu vermeiden: Armbänder mit Sturzerkennung, wie sie viele Senioren tragen, führen oft zu Fehlalarmen; und Buddy könnte helfen, indem er beim Auslösen des Alarms nachschaut und sich bei der vermeintlich gestürzten Person erkundigt, ob wirklich ein Notfall vorliegt.
Was sich bei den Workshops auch gezeigt hat: „Da waren teilweise auch die Kinder der Senioren dabei, nach dem Motto: ‚Das kauf ich jetzt meiner Mutter, damit ich kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn ich sie einen Tag nicht besuchen konnte‘.“ Aber genau das ist es auch, was vielen Menschen Angst macht, wenn sie von Projekten wie Buddy Be Well hören: Dass wir unsere älteren Mitbürger an die Roboter abschieben; dass genau jene Zielgruppe, die damit am wenigsten am Hut hat, als erste mit Robotern und Künstlicher Intelligenz zusammenleben muss.
„Buddy hat nie den Anspruch, einen Menschen zu ersetzen. Ich möchte nicht, dass der Roboter der neue Pfleger ist“, sagt Jung. Aber in Wahrheit gäbe es zwei Optionen: Entweder der Roboter macht es – oder niemand macht es. „Die Realität ist, dass Pflege in dem Umfang, den wir uns wünschen würden, nicht gegeben sein wird. Wenn es keine Alternative gibt, ist es mir lieber, dass zumindest der Roboter da ist.“ Und ein schlechter Witz ist immer noch besser als gar keiner.
Unter dem Titel „Forschungsreisen“ präsentieren wir spannende Forschungsprojekte aus ganz Österreich. Der Pragmaticus war bereits zu Gast bei Peter Turchin vom Complexity Hub, der die USA vor einem Bürgerkrieg sieht, hat mit Alexander Lukeneder vom Naturhistorischen Museum nach Fossilien gesucht und sich von Lisa Bugnet am ISTA erzählen lassen, wie die Sterne klingen. Alle Forschungsreisen können Sie hier nachlesen.