Bei aller Süße …

Mit ihm kam der Sklavenhandel in die Welt, und er kann krank machen: Zucker. macht Hunger mit Peter Peter über die Geschichte billigen Zuckers.

Margaret Thatcher hält bei einer Wahlkampfveranstaltung 1979 triumphierend zwei Einkaufsnetze in die Höhe. Der eine ist wenig befüllt, der andere reichlich. Hinter ihr steht eine Reihe von Menschen. Thatcher tritt gerade aus der Tür. Das Bild illustriert einen Beitrag über Inflation und Zucker.
Billig ist besser: Margaret Thatcher im Wahlkampf 1979. In ihrer rechten Hand, was man 1974 für ein britisches Pfund kaufen konnte, in ihrer linken was man damit 1979 bekam. Unter Labour natürlich fast nichts. In Thatchers Einkaufsnetzen finden sich interessanterweise Fertigprodukte, aber kein Gemüse. © Getty Images

Die Geschichte des Zuckers als billiges Massenprodukt beginnt gewaltsam: Auf Kreta oder Sizilien angebaut, war Zucker bis zum 15. Jahrhundert eine kostbare Seltenheit. Das änderte sich, als Heinrich der Seefahrer 1419 auf Mission für das Königreich Portugal die Insel Madeira „entdeckte“.

Der Podcast

Ab 1420 begann Portugal die Insel mit Abenteurern, Strafgefangenen und Seeleuten zu besiedeln, den Wald zu roden, Getreide anzubauen und schließlich Zuckerrohrplantagen anzulegen, Fabriken und Hafenanlagen zu errichten. Um 1450 dominierte Portugal die Zuckerproduktion und den Handel damit. Die Arbeitskräfte kamen aus Afrika, es waren Sklaven, die nach Madeira verschleppt worden waren.

Je größer die Nachfrage nach Zucker, desto brutaler wurde der Sklavenhandel.

Das Modell kam auf Madeira schon um 1520 an seine ökologischen wie ökonomischen Grenzen. Mangels Wald fehlte das Wasser, Raupen taten sich am Zuckerrohr gütlich und eingeschleppte Ratten vernichteten Ernten. Bei den gesunkenen Erträgen war Madeira nicht mehr konkurrenzfähig.

Der billige Zucker

Doch das Prinzip der Sklavenwirtschaft blieb. Portugal und andere Kolonialmächte übertrugen es auf andere Waren wie Tabak, Tee und Kaffee. Um 1900 war Zucker in Europa eine vergleichsweise günstige Zutat, doch so richtig billig wurde er erst ab den 1950er Jahren. „Das hat die Getränke- und Fertiggerichte-Industrie boomen lassen“, sagt Peter Peter. 80 Prozent des in Deutschland angebauten Zuckers aus Rüben wird heutzutage darauf verwendet.

Billig ist Zucker heute nicht mehr: Die Teuerung ist bei Zucker mit 70 Prozent (Deutschland) besonders hoch. Das liegt zum einen an den geringeren Exporten aus Südamerika (es lohnt sich mehr, den Zucker für Ethanol zu verwenden) und zum anderen an den Ernteausfällen bei Zuckerrüben durch die Dürre.

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Diese Episode über den Zucker ist die sechste Folge unseres Podcast macht Hunger mit dem Gastrosophen Peter Peter. In unserer Podcastreihe macht Hunger geht es um die Kulturgeschichte des Essens und alle wirtschaftlichen Verstrickungen und politischen Machtspiele, die mit dem Essen und mit kulinarischen Traditionen verbunden sind.

Die erste Folge über die Macht der Nationalgerichte können Sie hier nachhören, die zweite Folge über französischen Küchendrill hier, die dritte Folge über die klassenlose italienische Küche hier, die Folge Nummer vier mit den unwissenden Wienern und dem Wiener Schnitzel hier, Folge Nummer fünf über der Welterweiterung durch die Imbissbude hier, und das weitere Programm von macht Hunger nach dem Zucker finden Sie hier:

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Zahlen & Fakten

Hilary Clinton isst aus einem Pappbecher eine Süßigkeit und blickt zweifelnd auf einen Mann, der ebenfalls aus einem Pappbecher die Süßigkeit ist.
Wahlkampf in South Bend, Indiana, im Mai 2008: Hilary Clinton isst in einem Dairy Queen einen Blizzard. Falls es ein Reese's Peanut Butter Cup Pie Blizzard in Medium wäre, wären 115 Gramm davon Zucker. © Getty Images

macht Hunger – Ihr Programm bis Mitte Dezember

28. November >> Jenseits der Piroggen: Dass die slawische Küche getreidelastig sei, ist ein Gerücht. Wahr ist vielmehr, dass sie jene Küche ist, die die kulinarische Qualität der Wurzeln – von Karotte bis Rübe – gewissermaßen erweckt und zur Vollendung gebracht hat.

12. Dezember >> Die Welt kocht vegetarisch? Ach, wäre es doch nur so. Es stimmt, der größte Teil der Weltbevölkerung ernährt sich ohne oder nur mit wenig Fleisch und auch in den reichen Ländern der Welt werden vegetarische Gerichte (wieder) beliebter. Dabei war es vor nicht allzu langer Zeit selbstverständlich, dass Wurst und Fleisch (und auch Schnitzel) nicht immer zu haben sind. Das Wort Sonntagsbraten deutet es bereits an. Diese Folge von macht Hunger widmet sich Aufstieg und Fall der Fleischgerichte nach dem Zweiten Weltkrieg.

Über Peter Peter

Portraitfoto von Peter Peter.
Beim Essen gibt es keine Zufälle: Gastrosoph Peter Peter zeigt im Podcast macht Hunger wieviel politisches Kalkül im Essen steckt. © Gregor Kuntscher

Der Kulturwissenschaftler Peter Peter ist in der bayerischen Hauptstadt München aufgewachsen, hat in Klassischer Philologie promoviert und ist Autor zahlreicher Bücher über das Reisen und die Kochkulturen dieser Welt (unter anderem verfasste er auch eine Kulturgeschichte des Schnitzels bzw. der österreichischem Küche). Er lehrte an der von Slow Food gegründeten Università delle scienze gastronomiche in Pollenzo und Colorno. Seit 2009 lehrt er für den Masterstudiengang des Zentrums für Gastrosophie der Universität Salzburg das Modul „Weltküchen und Kochsysteme“ und ist Mitglied der Deutschen Akademie für Kulinaristik.

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