Geliebtes Gift

Das gesunde Achterl gibt es nicht. Aktuelle Studien legen vielmehr nahe, dass jeder Schluck Alkohol schädlich ist. Was macht die beliebteste Droge der Österreicher so gefährlich?

Illustration zu Alkohol als Sucht: Eine Weinflasche mit Koffer zieht aus dem Kühlschrank aus. Das Bild illustriert einen Artikel über die beliebteste Droge der Österreicher: Alkohol.
Die beliebteste Droge der Österreicher sollte aus dem Kühlschrank ausziehen. © Benedetto Cristofani
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Auf den Punkt gebracht

  • Tradition. Die Droge Alkohol begleitet die Menschheit seit Jahrtausenden – vom Ritual zum Volksgetränk.
  • Gesundheitsgefahr. Alkohol verursacht über 200 Krankheiten und steigert das Krebsrisiko schon in kleinen Mengen.
  • Abhängigkeit. Eine Million Österreicher trinken riskant, mit enormen sozialen und wirtschaftlichen Folgen.
  • Biochemie. Das Abbauprodukt Acetaldehyd ist hochgiftig, krebserregend und verändert den Stoffwechsel nachhaltig.

Alkoholische Getränke werden seit Jahrtausenden getrunken. Die ersten Nachweise von Alkoholherstellung liegen uns aus Mesopotamien (größtenteils im heutigen Irak), aus Ägypten und China vor. Während in diesen Zeiten der Gebrauch alkoholischer Getränke nur Priestern und den Eliten vorbehalten war, wurde im Laufe der Zeit Alkohol ein Volksgetränk. Im Mittelalter war Bier sehr beliebt, da das Wasser oft bakteriell verunreinigt war.

Noch in den 1950er-Jahren galt Alkohol gesundheitlich als unbedenklich. Erst im Laufe der vergangenen sechzig Jahre wurden die Gefahren der Droge allmählich entdeckt. Und erst in den vergangenen zehn Jahren konnte wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass Alkohol in jeder Form und Menge Schaden anrichtet.

Alkohol ist ein Zellgift und trägt zu über 200 Erkrankungen bei. Am häufigsten betroffen sind die Leber, der Verdauungstrakt, die Bauchspeicheldrüse, das Herz (in Form von Herzrhythmusstörungen), das Gehirn und die Nerven. Auch verschiedene Krebsarten, Stoffwechselerkrankungen, Bluthochdruck sowie psychische Erkrankungen wie Depressionen und Psychosen werden mit Alkohol in Verbindung gebracht. Die berauschende Wirkung kann bekanntlich auch zu Suiziden, Gewalttaten, Tötungsdelikten und Unfällen führen.

Eine Million mit Alkoholproblem

Europa gehört zu den Weltregionen mit dem höchsten Alkoholverbrauch, und Österreich zählt innerhalb Europas zu den Spitzenreitern (Vierter, nach Lettland, Spanien und Rumänien). Mehr als 11 Liter reinen Alkohols trinkt jeder Österreicher pro Jahr. Das sind statistisch gesehen 114 Flaschen Wein. Da keineswegs jeder trinkt, wird klar, dass es viele Menschen geben muss, die massiv die Droge Alkohol konsumieren.

15 Prozent der Österreicher – rund eine Million Menschen – trinken Alkohol in einem problematischen Ausmaß; das bedeutet, dass ihr Konsum längerfristig als erheblich gesundheitsgefährdend einzuschätzen ist. Ein Drittel davon ist als Alkoholiker eingestuft. Eine weitere Million Österreicher trinkt Alkohol über der Harmlosigkeitsgrenze. Das geht mit einem Verlust von hunderttausenden Lebensjahren einher und verursacht Milliarden an Kosten.

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Zahlen & Fakten

Momentan gibt es eine Gruppe von Menschen, die überproportional Alkohol konsumieren: Es sind dies Frauen in den mittleren Jahren mit verantwortlichen Berufen und einem hohen beruflichen Stresslevel, die zudem eine Familie mit Kindern versorgen müssen. Sie trinken häufiger abends, um von ihrer Tageslast zu entspannen.

Tödliche Droge

Was macht Alkohol so gefährlich? Er führt zu Veränderungen von Botenstoffen im Zentralnervensystem. Hierbei entfaltet Alkohol seine Wirkung nicht über einen einzelnen Rezeptortyp, sondern interagiert mit einer Vielzahl von Neurotransmittersystemen. Alkoholkonsum entspannt uns zunächst, wir werden kommunikativer, verlieren Hemmungen und schütteln die Sorgen des Tages ab. Glückshormone wie Endorphine und Dopamin werden ausgeschüttet.

Das ist das Gefühl, das man haben will und deshalb trinken die meisten Menschen Alkohol. Trinkt man mehr Alkohol nimmt die Enthemmung zu, Konzentration und Kritikfähigkeit nehmen ab, und die Risikobereitschaft steigt. Hemmende Systeme wie das Glutamatsystem übernehmen und im übertragenen Sinne ist es so wie wenn man mit voller Motorleistung und gleichzeitiger Handbremse fährt.

Zu guter Letzt kann der Rauschzustand in vollkommener Bewusstlosigkeit und der Gefahr einer akuten Vergiftung mit Todesfolge enden. Im Jahr 2023 mussten in Deutschland mehr als 63.000 Menschen, meist Jugendliche, wegen eines Alkoholkomas in Spitäler aufgenommen werden, für einige bestand akute Lebensgefahr.

Trinkt man jeden Tag, so verändert Alkohol die Neurotransmission und führt zu Veränderungen in der emotionalen Prozessierung und der Gedächtnisfunktion. Bei vulnerablen Personen können diese Faktoren zu einer Suchtentwicklung beitragen. Süchtige sind auf täglichen Alkoholkonsum angewiesen – fällt Alkohol weg, entsteht ein Entzugssyndrom, das ebenfalls tödlich sein kann.

Zellgift Acetaldehyd

Um die Wirkung von Alkohol als Zellgift zu verstehen, muss man kurz über dessen Weg im Körper sprechen. Alkohol wird zu zirka sechs bis acht Prozent im Magen, aber hauptsächlich in der Leber abgebaut. Nicht der Alkohol selbst ist toxisch, sondern sein erstes Abbauprodukt Acetaldehyd; es wirkt hochgiftig und krebserregend.

Hinzu kommen weitere Produkte, die während des Alkoholabbaus anfallen. Hierzu zählen Sauerstoffradikalverbindungen, die die Erbsubstanz schädigen und sogenannte Reduktionsäquivalente, die den Stoffwechsel von Kohlenhydraten, Fetten und Harnsäure massiv beeinflussen und unter anderem für die Leberverfettung und Gichtanfälle verantwortlich sind.

Es ist weitgehend bekannt, dass Alkohol die Leber schädigt und zu einer Leberverhärtung (Leberzirrhose) mit Todesfolgen führen kann. 50 Prozent aller Lebertoten in Europa sind durch Alkohol verursacht. Besonders empfindlich für die toxische Wirkung von Alkohol auf die Leber sind Frauen, Jugendliche und alte Menschen, die noch dazu Medikamente einnehmen müssen, die oft mit Alkohol negativ interagieren.

Auch Übergewichtige, Diabetiker und Menschen mit einem sogenannten metabolischen Syndrom müssen bei Alkohol aufpassen. Es versteht sich von selbst, dass Personen mit einer anderen Ursache für eine Lebererkrankung keinen Alkohol trinken sollten. Warum die Leber von Frauen empfindlicher auf Alkohol reagiert als die von Männern, ist unklar. Ursachen könnte der verminderte Alkoholstoffwechsel im Magen sein, der geringer Wasseranteil im Körper oder die Östrogene, deren Abbau durch Alkohol gehemmt wird.

Herzschmerz

Neben der Leber beeinflusst Alkohol auch das Herz, er kann zu Rhythmusstörungen bis hin zum Vorhofflimmer führen; eine Situation, die einen Schlaganfall auslösen kann. Gelegentlich führt massiver Alkoholkonsum am Wochenende zu Vorhofflimmern am Montag, das am Dienstag wieder verschwunden ist. Dies nennt man dann Holiday Heart.

Besonders besorgniserregend ist die Einnahme von Alkohol während der Schwangerschaft. Jeglicher Alkohol, in welcher Menge auch immer und zu welcher Zeit auch immer, ist für Schwangere verboten. Alkohol in der Schwangerschaft kann zum Fötalen Alkoholsyndrom führen, da Alkohol in der Gebärmutter nur langsam abgebaut wird und der Fötus dann stundenlang in Alkohol „badet“. Das Ergebnis sind phänotypische Veränderungen des Gesichts der Kinder mit weiteren Organmissbildungen. Solche Kinder sind später hypermotorisch, konzentrationsschwach und mental retardiert. Manche sind das ganze Leben auf fremde Hilfe angewiesen. Alkoholkonsum der Mutter ist die häufigste angeborene Schädigung des Neugeborenen noch vor dem Down-Syndrom.

Die Droge Alkohol ist wie gesagt auch eine krebserregende Substanz, wobei die karzinogene Wirkung in erster Linie dem Azetaldehyd zukommt. Acetaldehyd verändert die DNA, und chronischer Alkoholkonsum bewirkt ein erhöhtes Risiko für die folgenden Krebserkrankungen: Mundhöhle, Rachen, Kehlkopf, Speiseröhre, Magen, Dickdarm, Leber und weibliche Brustdrüse. Nach neuesten Daten ist dieses Risiko bereits bei Mengen zwischen 10 und 20 Gramm Alkohol täglich erhöht (ein Viertelliter Wein enthält circa 25 Gramm). Jugendliche, die früh Alkohol trinken, haben später im Leben ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs.

Eine gefährliche Mutation

Laut WHO ist Brustkrebs der häufigste durch Alkohol verursachte Krebs überhaupt mit weltweit zirka zwei Millionen neuen Fällen pro Jahr. Eine Schwellendosis gibt es nicht, bereits kleine Mengen der Droge können bei empfindlichen Frauen das Risiko erhöhen. Generell ist das Krebsrisiko abhängig von genetischen und nicht-genetischen Kriterien und individuell unterschiedlich. Das Risiko steigt, wenn folgende Faktoren gegeben sind: Rauchen, eine schlechte Mundhygiene (da orale Bakterien aus Alkohol Acetaldehyd generieren können), Folsäuremangel sowie entzündliche Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber.

Genetische Faktoren beeinflussen den Alkoholstoffwechsel. So können ungefähr 50 Prozent der Japaner, Chinesen und Koreaner kaum Acetaldehyd abbauen, weil das Enzym, das dafür verantwortlich wäre, durch eine Mutation kaum mehr aktiv ist. Menschen mit dieser Mutation akkumulieren deshalb bei jedem Alkoholkonsum das hochgiftige Acetaldehyd. Akut kommt es zu einem Flush-Syndrom (Gesichtsröte, Übelkeit, Erbrechen, Schwitzen, Herzrasen). Wenn solche Menschen regelmäßig Alkohol trinken, haben sie ein großes Risiko für die genannten Krebsformen.

Abstinenz lohnt sich

Zum Schluss die gute Nachricht: Es lohnt sich, mit dem Trinken aufzuhören. Abstinenz vermindert das Risiko für Krebs und andere Alkohol-assoziierte Erkrankungen signifikant – egal zu welchem Zeitpunkt.

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Conclusio

Riskant. Alkohol schadet in jeder Menge und ist für zahlreiche Krankheiten verantwortlich. Die Risiken betreffen Körper und Psyche gleichermaßen und reichen von Depressionen bis hin zu akuten Vergiftungen mit Todesfolge.

 
Krebserregend. Die Gefahren entstehen nicht nur durch den Rausch, sondern durch komplexe biochemische Prozesse und giftige Abbauprodukte. Acetaldehyd zum Beispiel ist hochgiftig und krebserregend.

 
Teuer. Aufklärung, Prävention und individuelle Konsumreduktion oder Abstinenz sind entscheidend, um Krankheitslast und Folgekosten zu senken – besonders in Ländern wie Österreich, in denen der Alkoholkonsum sehr hoch ist.

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