Die hohen Kosten von Lockdowns
Eine exklusive Analyse zu den Kosten von Lockdowns und Co zeigt: Strenge Maßnahmen während der Pandemie hatten keinen Effekt auf die Sterblichkeit. Staaten wie Schweden und die Schweiz, die in der Pandemie weniger auf Verbote setzten, erreichten bessere Ergebnisse.

Auf den Punkt gebracht
- Preisschild. Die Kosten der Lockdowns für Mensch, Wirtschaft und die Staatskasse waren beträchtlich.
- Effektivität. Lockdowns und strenge Corona-Maßnahmen hatten laut der Analyse keinen relevanten Einfluss auf die Übersterblichkeit.
- Vergleich. Die USA erholten sich wirtschaftlich zwischen 2019 und 2023 deutlich besser als die EU.
- Idealfall. Schweden erreichte ohne Lockdowns ein überdurchschnittliches Wachstum bei gleichzeitig geringer Übersterblichkeit.
Während der Pandemie befahl der Staat den Bürgern, einander aus dem Weg zu gehen. „Lockdowns“ und „räumliche Distanzierung“ sollten die Ausbreitung der Krankheit verlangsamen und damit das Gesundheitssystem vor einer Überlastung bewahren. Gleichzeitig verursachten diese Maßnahmen jedoch enorme soziale und wirtschaftliche Kosten. Denn die meisten Aspekte unseres Lebens, die uns produktiv und glücklich machen, setzen direkten Kontakt mit anderen Menschen voraus.
Das Dossier zum Thema
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Ineffektive Maßnahmen
Weltweit reagierten Länder sehr unterschiedlich auf die Pandemie. Manche Regierungen, etwa die österreichische, setzten auf strenge Maßnahmen wie Lockdowns, Schulschließungen, Maskenpflicht etc., während andere, etwa in Schweden, das soziale und wirtschaftliche Leben viel weniger einschränkten. Auch bei den Hilfspaketen für die schwer getroffene Wirtschaft gab es international große Unterschiede.
Das Ausmaß der Beschränkungen hatte welweit keinen relevanten Effekt auf die Übersterblichkeit.
Ich habe untersucht, wie effektiv diese Maßnahmen tatsächlich waren, und kam zu einem ernüchternden Ergebnis: Das Ausmaß an Lockdowns und Beschränkungen, gemessen am „Stringency Index“ der Universität Oxford, hatte im weltweiten Vergleich keine relevante Auswirkung auf die Übersterblichkeit.
Aus den Daten lässt sich auch kein Zusammenhang zwischen zusätzlichen Staatsausgaben und der Zahl der Covid-Toten ableiten. Allerdings offenbaren die Daten eine deutliche Korrelation von strengen Maßnahmen und wirtschaftlichen Schäden. Länder mit stärkeren Beschränkungen kämpfen mit einem schwächeren Wirtschaftswachstum.
Wirtschaftliche Kosten von Lockdowns
In der EU schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in allen vier Quartalen des Jahres 2020 erheblich. Die USA verzeichneten nur drei Quartale mit negativen Wachstumsraten; der wirtschaftliche Einbruch fiel dort also deutlich moderater aus. Nach dem Abklingen der Pandemie erholte sich die US-Wirtschaft auch besser.
Dies zeigt sich klar im Vergleich des BIP-Wachstums zwischen 2019 und 2023: Während die USA ein Wachstum von 9,4 Prozent erreichten, lag dieses in der EU bei lediglich 3,9 Prozent. Österreich und Deutschland lagen mit 2,37 Prozent bzw. 0,52 Prozent noch einmal deutlich darunter. Ein Ausreißer nach oben war Schweden, das ohne Lockdowns und mit wenigen verpflichtenden Einschränkungen des sozialen Lebens auskam und ein überdurchschnittliches Wachstum von 5,1 Prozent erzielte.
Fast überall auf der Welt setzten Regierungen erhebliche öffentliche Mittel zur Krisenbewältigung ein. Dabei unterschieden sich die Ansätze in Europa und den USA in zwei zentralen Dimensionen: Erstens waren die staatlichen Hilfspakete der USA deutlich umfangreicher als jene der EU, was sich auch in der Entwicklung der Staatsverschuldung klar widerspiegelt. In den USA stieg die Staatsschuldenquote zwischen 2019 und 2020 um gut 22 Prozentpunkte auf 130 Prozent des BIP.
In der EU fiel der Anstieg mit rund 12 Prozentpunkten (auf 91 Prozent des BIP) signifikant geringer aus. Innerhalb der EU lagen Österreich und Deutschland über dem EU-Durchschnitt, während Schweden darunter blieb. Geringe Ausgaben für die Pandemie führten dort zu einer geringeren Verschuldung. Es liegt nahe, dass die hohen öffentlichen Ausgaben auch die Inflation befeuerten.
Zweitens lag in den USA der Fokus auf der Stärkung des privaten Konsums. Dies wurde vor allem durch direkte finanzielle Hilfen für Haushalte – wie umfangreiche Einmalzahlungen („stimulus checks“) und erhöhte Arbeitslosenleistungen – erreicht. Ziel war es, den Konsum schnell anzukurbeln und die Bevölkerung unmittelbar zu entlasten. In der EU hingegen lag der Schwerpunkt auf Programmen zur Sicherung von Jobs, wie etwa der Kurzarbeit. Damit sollten Arbeitnehmer eng an ihre Arbeitsplätze gebunden und allfällige (Massen-)Entlassungen verhindert werden.
Verkrustete Arbeitsmärkte
Die unterschiedlichen Ansätze hatten natürlich Auswirkungen auf die Beschäftigung: In den USA stieg die Arbeitslosenquote von etwa vier Prozent Ende 2019 auf einen Höchstwert von 14,8 Prozent im April 2020, sank jedoch bis Ende 2020 auf unter sieben Prozent. Dies verdeutlicht die hohe Dynamik des US-Arbeitsmarktes, da viele der zu Beginn der Pandemie verlorenen Arbeitsplätze schnell wieder besetzt wurden.
Alterung: Der große Umschwung
In der EU fiel der Anstieg der Arbeitslosenquote dank der umfassenden Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung moderat aus. Doch könnten die Interventionen eine unerwünschte und schädliche Verkrustung der Arbeitsmärkte zur Folge haben. Dafür spricht die vergleichsweise schlechte Entwicklung der Produktivität. Seit Beginn der Pandemie stieg die Produktivität je geleisteter Arbeitsstunde im Euroraum nur um 0,6 Prozent, während sie in den USA um 6,0 Prozent zunahm.
Nachfrage trieb Inflation
Die Zeit nach 2020 war sowohl in Europa als auch in den USA von hoher Inflation geprägt. Über die genauen Ursachen wird noch debattiert. Es besteht unter Ökonomen jedoch weitgehend Einigkeit darüber, dass die Teuerung vor allem durch eine starke Nachfrage getrieben wurde. Diese entstand durch ein Bündel an Faktoren: hohe Staatsausgaben, niedrige Zinsen und überschüssige Ersparnisse, die während der Pandemie angesammelt wurden, die Wiedereröffnung der wirtschaftlich abgeschotteten Märkte sowie Rückstände bei Aufträgen für Waren und Dienstleistungen infolge von Lieferkettenproblemen.
Später kamen vor allem in Europa durch den Ukraine-Krieg bedingte Anstiege der Energiepreise hinzu. Unter dem Strich war die Belastung durch höhere Preise für die Bürger auf beiden Seiten des Atlantiks ähnlich stark. Innerhalb Europas zeigte sich jedoch, dass Länder wie die Schweiz, deren Staatsausgaben stabil geblieben waren, auch eine deutlich geringere Teuerung erlebten.
Muster der Polarisierung
Die Zufriedenheit der Bürger mit der Pandemiepolitik hatte Einfluss auf nachfolgende Wahlen und damit auf politische Ausrichtungen. Die OECD-Studie „Risks That Matter“ befragte im Jahr 2022 Menschen in den USA und Europa zu ihrer Einschätzung der staatlichen Corona-Maßnahmen. In den USA bewerteten 38 Prozent die Politik als „genau richtig“, in der EU waren es 48 Prozent. Österreich (35 Prozent) und Deutschland (42 Prozent) lagen unter dem EU-Durchschnitt, während die Schweiz mit 59 Prozent deutlich besser abschnitt. In allen Regionen zeigte sich eine starke Polarisierung zwischen jenen Bürgern, die „zu viel“, und jenen, die „zu wenig“ Maßnahmen sahen.
Wer nicht im Homeoffice arbeiten kann, ist deutlich häufiger der Meinung, dass die Regierung zu viel getan hat.
Noch etwas wurde in dieser Befragung klar: Wie eine Person die Corona-Maßnahmen einschätzt, hat erstaunlich wenig mit sozioökonomischen Faktoren – wie etwa dem Einkommen – zu tun. Ein Muster ist jedoch erkennbar: Wer nicht im Homeoffice arbeiten kann, ist deutlich häufiger der Meinung, dass die Regierung „zu viel“ getan habe.
Fazit: Die Covid-19-Pandemie führte zu verschiedenen nationalen Krisenstrategien mit unterschiedlichen Folgen. Die USA erholten sich wirtschaftlich schneller als die EU, allerdings um den Preis hoher Verschuldung und Inflation. Europa fokussierte sich auf Beschäftigungssicherung, was soziale Folgen milderte, aber zu geringerem Wachstum führte. Die Schweiz erreichte eine bemerkenswerte Balance aus Wirtschaftswachstum, niedriger Inflation und hoher Bürgerzufriedenheit bei moderaten Staatsausgaben.
Schweden sticht wegen seines Ansatzes mit vergleichsweise geringen Beschränkungen hervor. Trotz dieser Strategie – oder gerade wegen dieser Vorgangsweise – verzeichnete das Land eine geringe Übersterblichkeit während der Pandemie. Wirtschaftswachstum und Staatsfinanzen blieben relativ stabil und litten kaum, ähnlich wie in der Schweiz. Allerdings konnte auch Schweden eine hohe Inflation nicht vermeiden.
Nebenwirkungen bedenken
Falls wir wieder einmal eine Pandemie erleben, sollten Beschränkungen gezielt auf den Schutz vulnerabler Gruppen ausgerichtet werden, während der Großteil der Bevölkerung möglichst unbehelligt bleibt. Dies würde einen massiven Wirtschaftseinbruch verhindern und staatliche (Kompensations-)Ausgaben reduzieren. Außerdem wird die Politik gut beraten sein, die Maßnahmen nicht nur im Hinblick auf ihre kurzfristigen Wirkungen zu bewerten, sondern auch die unerwünschten Nebenwirkungen im Auge zu behalten. Corona hat gezeigt, was alles zu kurz kommt, wenn es nur noch darum geht, die Weiterverbreitung eines Virus zu verhindern.I
Conclusio
Stimulus. Die USA erreichten zwischen 2019 und 2023 ein deutlich höheres Wirtschaftswachstum als die EU. Die US-Corona-Hilfen stützten den Konsum, brachten aber auch eine höhere Verschuldung mit sich.
Vorbild. Länder mit weniger strengen Lockdowns wie Schweden und die Schweiz erzielten ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum. Die Daten zeigen keine Auswirkung strenger Maßnahmen auf die Übersterblichkeit.
Fokus. Bei künftigen Pandemien sollten Maßnahmen auf den Schutz vulnerabler Gruppen ausgerichtet werden. Der Großteil der Bevölkerung sollte möglichst unbehelligt bleiben. Dies würde einen massiven Wirtschaftseinbruch verhindern.
Der andere Weg
- Eigenverantwortung statt Zwang: Wie Schwedens Chef-Epidemiologe Anders Tegnell die Pandemie zähmte
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