Steter Tropfen: Russische Einflussnahme
Es wird bestochen und gedroht, aber vor allem gelogen: Desinformation ist Teil der hybriden Kriegsführung Putins. Ein Podcast über die Hintergründe.

Die Ukraine weiß es seit 2004: Putin führt Krieg gegen den Westen. Russische Einflussnahme passiert deshalb nicht nur in den USA, in Deutschland, oder in Großbritannien, sondern überall dort, wo sich Menschen für Demokratie und Menschenrechte einsetzen und sich von Russland lösen wollen – in Rumänien und der Republik Moldau etwa. Der Politikwissenschaftler Sebastian Schäffer erklärt Motive, Methoden und Instrumente russischer Desinformation.
Der Podcast über russische Einflussnahme
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Eine Orwellsche Dystopie.
Sebastian Schäffer, Direktor des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa
Über Sebastian Schäffer
Sebastian Schäffer ist Politikwissenschaftler. Ein Schwerpunkt seiner Forschung sind Demokratiebewegungen, europäische Integration und Desinformation. Seit 2019 leitet er das Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) in Wien.
Das Transkript zum Podcast über russische Einflussnahme
Es handelt sich um ein maschinell erstelltes Transkript. Offensichtliche Übertragungsfehler und orthographische Fehler wurden korrigiert, uneindeutige Passagen in Klammern gesetzt. Fragen von Podcast-Host Karin Pollack sind kursiv. Antworten von Sebastian Schäffer in Normalschrift. Wenn Sie mehr hören möchten: Sie finden alle unsere bisherigen Podcasts hier.
Karin Pollack: Hier spricht Karin Pollack vom Pragmaticus. Ich wollte Sie nochmal anruifen, weil sich in Rumänien gerade die Ereignisse überschlagen, und unser Podcast, den wir a letzte Woche aufgezeichnet haben, wirklich nach einem Update schreit. Da ging es um den Einfluss Russlands auf die Wahl in Rumänien. Würden Sie mir nochmal kurz Fragen beantworten?
Sebastian Schäffer: Sehr gerne.
Was war da Anfang der Woche in Rumänien los?
Zunächst hat die Wahlkommission aufgrund von Verfahrensfehlern, fehlenden Angaben, die Kandidatur, die erneute Kandidatur muss man ja sagen, von Georgescu abgelehnt, das Verfassungsgericht hat das dann letztinstantlich bestätigt. Er kann also dagegen nicht mehr vorgehen, ist also ausgeschlossen, wird nicht antreten können. Das hat natürlich zu gewissem Unmut, für gewissen Unmut gesorgt. Wir werden sehen, welche Auswirkungen das jetzt auf die Wiederholung der Präsidentschaftswahlen haben wird.
Aber wer waren die Leute, die auf die Straße gingen und dagegen protestieren, also gegen den Ausschluss?
Es waren natürlich primär Anhänger von ihm, aber mit Sicherheit auch Leute, die frustriert darüber sind, dass hier von der Seite der Justiz in einen Prozess eingegriffen wird, den Teile der Bevölkerung als undemokratisch empfinden wobei aber die Begründung des Bundesverfassungsgerichts schlüssig ist.
Nämlich weil er sein Vermögen nicht offengelegt hat und deswegen nicht klar war, ob er tatsächlich massiv Geld gekriegt hat aus Russland.
Das ist unter anderem auch ein Grund, es geht aber auch darum, dass er hier eigentlich offen zu einem Verfassungsbruch aufruft, indem er sagt, dass er den Staat umbauen möchte, sich hier als Kreml-nah gibt, Neutralität einführen will, aber auch diese Nähe zur faschistischen Ideologie in Rumänien. Was eben Grund dafür ist, warum er ausgeschlossen wird.
Wer mehr über die Strategien Russlands gegen die demokratische Welt hören will, bleibt jetzt dran, in der gleich folgenden Episode des Pragmaticus-Podcast habe ich mit Sebastian Schäffer darüber gesprochen wie russische Propaganda die Welt erobert und Rumänien ist da eine ganz wichtige Schlüsselstelle.
(...)
Und wenn die Länder innerhalb der EU, aber auch auf dem europäischen Kontinent fragmentiert sind, nur noch für sich arbeiten, dann ist es viel einfacher, hier Einfluss zu nehmen. Und das ist im Endeffekt der Grund, warum will man hier insbesondere euroskeptische bis hin zu eben, und das ist ja fast fast deckungsgleich, extrem rechte Parteien fördern.
Verkehrte Welt. Plötzlich hörte man aus dem Mund des amerikanischen Präsidenten Donald Trump Worte, die wie direkt aus der russischen Propagandamaschinerie klingen. Ist Russland da ein ganz großer Coup gelungen, ohne dass das jemand mitbekommen hat?
In dieser Ausgabe des Pragmaticus Podcast wollen wir uns mit der russischen Propagandamaschinerie als Teil der hybriden Kriegsführung beschäftigen, vor allem mit der Frage, ob Europa auch schon längst unterwandert ist. Das alles will ich Sebastian Schäffer fragen. Er ist Politologe und Direktor des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa, IDM, ein Thinktank mit Sitz in Wien. Er beschäftigt sich mit den Themen Desinformation, vor allem auch im Zusammenhang mit europäischer Integration, mit EU Erweiterung und Zukunftsszenarien für Europa. Willkommen.
Vielen Dank!
Erste Frage interessiert mich am allermeisten Beeinflussen die russischen Propaganda Instrumente tatsächlich die Welt? Oder ist das alles nur eine Mär?
Inzwischen haben wir so viele Beweise dafür, dass es wirklich keine mehr mehr sein kann. Wir haben diverse Wahlen gesehen, die unter Einfluss von russischen Trollfarmen standen. Wir hören aber auch Narrative, die aus dem Kreml kommen, die in eine gewisse Richtung gehen. Wir sehen, dass wir hier Finanzierungen für insbesondere extrem rechte Parteien und hier insbesondere in Europa haben, also dass ist keine Mär. Das ist Wahrheit.
Und könnten Sie mal aufdröseln, welche Instrumente diese Propagandamaschinerie nutzt, also die verschiedenen Kanäle. Das ist ja nicht eine große Sache, sondern wahrscheinlich viele kleine Aktionen.
Das stimmt. Wir sehen teilweise sehr konkrete Einflussnahme, die wir vielleicht eher als klassisch bezeichnen würden. Wenn wir jetzt die Präsidentschaftswahl und das Referendum aus dem vergangenen Herbst in der Republik Moldau uns betrachten. Da ist vollkommen klar aufgedeckt worden von investigativen Journalisten und Journalistinnen, dass hier direkt Stimmen gekauft worden sind, also das klassische Beeinflussen durch monetäre oder andere Zuwendungen.
Das sehen wir recht deutlich, können wir nachweisen. Etwas schwieriger, das quasi direkt zurückzuführen in den Kreml, ist dann natürlich diese Bot-Farmen. Wir können aber durchaus natürlich sehen, dass hier auch ein gewisses Muster dahinter steht. Wir haben Beeinflussung, wenn es zu gewissen Ereignissen kommt, sei das eben Referenden, sei das Präsidentschaftswahlen, aber auch Parlamentswahlen, wo es ja nicht mehr so einfach ist, weil wir verschiedene Parteien haben, die hier zur Wahl stehen. Da gibt es zum Beispiel sogenannte Doppelgängeraktionen.
Was ist das?
Das sind unter anderem Social Media Postings, die ähnlich von klassischen Medien aussehen und dann aber hier entsprechende Falschaussagen versuchen zu verbreiten.
Also quasi man glaubt, man ist auf der Seite einer Zeitung, ist es aber gar nicht und da steht plötzlich was anderes.
Genau. Und damit werden dann unter anderem eben bestimmte Narrative vorangebracht, die zu einer Beeinflussung der Wahlentscheidung führen sollen.
Aber darf ich Sie noch einmal fragen Wie kann ich mir das vorstellen? Auch zum Beispiel gerade bei der Wahl in Moldau? Sitzt da irgendjemand und sagt Okay, ich mache jetzt Strategie eins, Strategie zwei, Strategie drei und habe ein Budget dafür, dass ich diese Stimmen kauf. Oder ist es eher so ein loses Netzwerk, das jeder für sich betreibt oder ist das zentral gesteuert? Was glauben Sie?
Gewisse Dinge sind mit Sicherheit zentral gesteuert im Sinne von diesen Narrativen, weil diese Narrative natürlich irgendwo einen Anfang nehmen müssen und dann idealerweise möglichst weit verbreitet werden. Und das ist mit Sicherheit etwas, was, was zentral gesteuert ist.
Dieser Stimmenkauf, den ich erwähnt habe, das kann man sehr deutlich auf Ilan Șor zurückführen. Das ist ein israelisch-moldauischer Oligarch, der inzwischen im Exil in der Russischen Föderation lebt, und der hat diese Gelder zur Verfügung gestellt.
Die ganze Desinformationskampagne, die aber wesentlich größer ist, die man ebenfalls aufgedeckt hat und die nicht nur diese 15 Millionen Euro umfasst, sondern ein Volumen, das zehnmal so hoch ist, das sind natürlich Bereiche, da brauche ich dann auch entsprechende staatliche Akteure dahinter, die so eine finanzielle Macht auch auch wirklich haben.
Aber könnten Sie mal so erklären, wie so ein Narrativ funktioniert. Mir kommt vor, es gibt da immer Muster. Also meine Frage ist wie geht Desinformation? Vielleicht an einem konkreten Beispiel, an das wir uns alle noch erinnern können.
Wir können ein sehr aktuelles Beispiel aufgreifen: Denn das, was wir gehört haben aus dem Weißen Haus, als der ukrainische Präsident Selensyj zu Besuch war, das ja ein wenig eskaliert ist, haben wir diese Narrative im Vorfeld dabei und auch danach eigentlich aus der US-Administration eins zu eins übernommen gesehen. Und hier geht es zum Beispiel um das Narrativ, dass zum einen der Ukraine eine gewisse staatliche Eigenständigkeit abgesprochen wird, aber noch viel beeinflussender in dem Fall, würde ich sagen, das Narrativ, dass die Ukraine ja diesen Krieg provoziert hat.
Und das finde ich so interessant. Insgesamt, also das ist jetzt ein Beispiel, aber man dreht eigentlich Dinge um. Die Wahrheit ist, Russland hat angegriffen. Die Ukraine und die russische Propaganda sagt: Das stimmt überhaupt nicht. Wir sind angegriffen worden. Also sie machen einfach eine inverse Welt.
Ja, eine ziemlich Orwellsche Dystopie, nicht?
Das stimmt. Aber das ist so das allgemeine Muster. Sie kennen den Vorwurf, den man hat, und dreht es einfach um und streut es dann. Und dann schaut man, ob es sich verselbstständigt. Weil dann wird so ein diffuses Netz an Argumenten, das man schon gar nicht mehr genau weiß, wenn man jetzt nicht ein ganz genauer Beobachter der politischen Szene ist.
Genau. Und diese Viktimisierung, diese Opferrolle, in die man sich gerne begibt, das ist schon ein gemeinsames Muster von, ich würde hier sogar so weit gehen zu sagen, von extrem rechten Parteien.
Genau darüber haben wir noch nicht gesprochen. Werden wir aber gleich. Die einzige Frage, die ich jetzt noch habe, um dieses Kapitel mit dem US Präsidenten Trump abzuschließen: Sehen Sie auch, dass da Russland gerade ein mega Coup gelungen ist? Wenn der amerikanische Präsident die russische Propaganda wiederholt, also ich meine, besser geht es ja nicht aus deren Sicht.
Ja, ich denke, dass gerade nach diesem Treffen im Weißen Haus diese, diese absurde Inszenierung, wo man den Präsidenten Selenskyj ziemlich vorführen und auflaufen hat lassen, da sind, glaube ich, wirklich Champagnerkorken in Moskau und gerade im Kreml geknallt.
Aber ich würde nicht so weit gehen, um zu sagen, dass hier quasi Wladimir Putin gesagt hat, wir brauchen Trump wieder im Weißen Haus, weil das ist jetzt nicht so einfach. Es ist, glaube ich, für ihn interessant, weil Putin ist kein Ideologe. Putin ist ein Kapitalist. Und Putin möchte für sein mafiöses System, das er über diesen russischen Staat gestülpt hat, möglichst viel Geld für seinen innersten Zirkel generieren. Und wenn man da einen selbsternannten Dealmaker im Weißen Haus hat, ist das wahrscheinlich einfacher.
Aber das kommt vielleicht mit anderen Schwierigkeiten, denn Trump ist mit Sicherheit wesentlich weniger vorhersehbar und seine Aktionen, die ja sehr erratisch sind, wenn wir uns anschauen, was er eigentlich in diesen letzten zwei Monaten von sich gegeben hat und auch versucht hat, anzustoßen, das geht ja in sämtliche Richtungen, das ist schon etwas, was, was glaube ich, unkalkulierbar ist und auch eine gewisse Herausforderung sein kann.
Aber denken Sie, dass diese Desinformation eben Teil einer Kriegsführung ist, die schon viel länger geht, als wir überhaupt denken?
Absolut.
Und gibt es da einen Zeitpunkt, wo man feststellen kann, wann hat das angefangen?
Die Frage, die wir uns eigentlich stellen müssten Hat das jemals aufgehört? Vielleicht gab es in den 1990er Jahren, als die UdSSR kollabiert ist und hier so ein wenig Chaos und Wilder Osten geherrscht hat, nicht unmittelbar zentral gesteuerte Desinformation. Aber spätestens mit der Wahl von Wladimir Putin zum zunächst, ja eigentlich Ministerpräsidenten, dann Präsidenten, dann wieder, und so weiter und so fort, sind wir wieder dort angekommen, wo wir eigentlich im Kalten Krieg gewesen sind.
Und Putin ist ein Mann des Kalten Krieges.
Putin ist ein Mann des Kalten Krieges, wobei ich hier nicht ihm zuschreiben würde, dass er die UdSSR wieder zurückbekommen möchte. Was immer so auch ein Narrativ ist, das jetzt nicht aus dem Kreml kommt, aber das gerne mal verbreitet wird. Das würde ich nicht sagen.
Gut, jetzt ist die große Frage, Wenn das so ist, wenn es diese Desinformation gibt, warum merkt es keiner?
Ich glaube, dass es nicht keiner merkt. Wir merken es ja, sonst würden wir ja gar nicht darüber reden. Aber natürlich sehen wir sehr deutlich, dass hier in dieser Flut von verschiedenen Desinformations narrativen plus den alltäglichen Informationen, die auf einen so einprasseln. Da natürlich das immer schwerer wird, weil es einfacher zugänglich ist, einfacher zu verbreiten, ist ich, ich einfacher an die Leute komme und auch diese meine eigene Stimme sehr viel mehr verbreiten und überhöhen kann. Es ist glaube ich, wird es immer schwerer zu unterscheiden, ist das denn jetzt wirklich so oder ist das eine gezielte Desinformation?
Ja, weil Social Media ist prädestiniert dafür, oder? Das war ja früher viel mühsamer, eine Message durchzubringen. Jetzt geht es eigentlich ziemlich leicht, oder?
Ja, also früher musste ich mich irgendwie auf den Marktplatz stellen und meine Flugblätter verteilen. Das ist jetzt natürlich wesentlich einfacher. Ich finde auch, (es ist) wesentlich einfacher eine Bestätigung für diese Dinge zu bekommen. Mir fällt es teilweise selbst schwer herauszufinden, ist das denn jetzt wirklich eine gesicherte Information oder bin ich selber Desinformation aufgesessen, weil es einfach ein vielfältiges Angebot hier gibt. Man hat halt auch eine gewisse Tendenz zur Schnelligkeit. Dann liest man vielleicht halt nur die Schlagzeile und den Teaser und denkt sich, na ja, das wird schon irgendwie stimmen. Gerade, wenn es eben gut gemacht ist und ähnlich eines seriösen Mediums aussieht.
Sie arbeiten ja sehr viel zu diesen Themen und publizieren auch. Im Vorfeld in ich da auf eine Abkürzung gestoßen, die heißt FIMI. Habe ich noch nie vorher gehört. Könnten Sie uns sagen, was FIMI ist?
FIMI ist Foreign Information Manipulation and Interferenz, also aus dem Ausland beeinflusste Information und Manipulation.
Und kommt es immer nur aus einem Land oder gibt es da viele Länder, die das machen? Wer macht FIMI alles? Also Russland, ja, darüber haben wir gesprochen, aber gibt es auch noch anderes FIMI?
Mit Sicherheit. Wir haben andere Länder, die das bewusst vielleicht aufnehmen, aber auch ihre eigenen Interessen daran haben, gewisse Falschmeldungen zu verbreiten, die man. Einer der größten Akteure sitzt gerade nicht wirklich im Weißen Haus, aber ist ständig dort. Denn da hat sich ja ein südafrikanischer Oligarch eine Social Media Plattform gekauft und damit auf die Bundestagswahl Einfluss genommen. Er versucht, auf die Wahl in Rumänien, die Präsidentschaftswahl in Rumänien Einfluss zu nehmen, um diese Desinformationen zu verbreiten. Und das ist eigentlich klassisch.
Was ist das Mittel gegen FIMI? Also von anderer Seite, oder, da gibt es ja immer diese Falschmeldungen, und auch die Theorie, dass es gar keinen Sinn mehr hat, das zu falsifizieren oder die Beweise zu liefern, dass das nicht stimmt, weil damit perpetuiert man es ja auch irgendwie.
Und man reagiert nur. Das ist tatsächlich eine der wichtigen Punkte, die ich glaube, an den wir als Menschen, die in einer demokratischen, freien Zukunft leben wollen, arbeiten müssen. Natürlich gibt es gewisse Schritte, die man setzen kann, indem man einfach zum Beispiel Möglichkeiten zum Faktencheck stärkt, indem man grundsätzlich das, was Elon Musk immer als Zensur beklagt, nämlich hier die Maßnahmen der Europäischen Union zum Beispiel mit dem Digital Services Act, versucht umzusetzen und sich nicht aufs Glatteis führen zu lassen, dass das irgendwie Einschränkung von Meinungsfreiheit hat, weil Meinungsfreiheit, hat halt gewisse Grenzen. Das wissen wir spätestens seit Popper.
Seit wem?
Karl Popper, der gesagt hat, also wenn wir tolerant gegenüber Intoleranz sind, dann werden wir halt das verlieren, was uns wichtig ist, nämlich eben Demokratie, Freiheit, freie Meinungsäußerung.
Sie haben jetzt immer von wir gesprochen. Wer ist wir?
Also wenn ich jetzt wieder gesagt habe, dann meine ich wir als demokratische Gemeinschaft. Wir als Menschen, die in europäischen Demokratien leben, sei das jetzt EU oder außerhalb der EU, glaube ich, (dass wir) hier eine Lösung finden müssen, weil wir das nicht als Österreich, aber auch nicht als Deutschland oder Frankreich oder Vereinigtes Königreich alleine lösen werden können, sondern wir brauchen hier eine gemeinsame Lösung, weil im digitalen Raum gibt es keine Ländergrenzen. Das ist irrelevant in dem Fall.
Es gibt aber in der EU eine Stelle, die sich mit so einer Desinformation, oder ich weiß nicht, gar nicht dokumentiert sie das? Können Sie sagen, was ist das für eine Stelle, was machen die, wie gut sind die? Wie sehr arbeiten sie mit denen zusammen?
Dadurch, dass wir nur Analysen machen und uns nicht mit dem Aufdecken von diesen Falschinformationen primär beschäftigen, arbeiten wir mit dieser Stelle nicht direkt zusammen. Aber wir verlassen uns sehr darauf, was hier an Informationen zur Verfügung gestellt wird. Das ist einer der Ansätze, wo ich sagen würde, wir brauchen vielleicht auch weniger eine zentrale Stelle, sondern eher eine zentrale Koordination, die dazu beiträgt und hilft, unabhängige Faktenchecker auszustatten mit den notwendigen Mitteln. Und da geht es darum, dass man das Geld dafür hat.
Das könnte dann so aussehen, dass jemand sagt derzeit ist in Umlauf diese Desinformation XY bitte melden.
Ich glaube, das wäre ein falscher Ansatz. Nein, andersherum, im Sinne, dass man darauf aufmerksam macht, also das ist ein Narrativ, das benutzt wird, oder das sind Wege, auf denen das verbreitet wird oder das sind gerade wieder Akteure, die hier aktiv sind. Passen Sie darauf auf. Man konnte zum Beispiel sehr deutlich sehen, dass beim Endspurt der Bundestagswahl auf einmal ganz viele Bots gegen den Kandidaten der CDU, Friedrich Merz, agiert hatten.
Und das Interessante war hier dass das die kyrillische Transliteration seines Namens war und damit war der Name falsch geschrieben. Wenn man auf sowas hinweist, checkt man dann vielleicht noch mal, ist das wirklich so, und lässt das nicht nur so auf sich einrieseln. Aber das ist eine zweispurige Straße.
Trotzdem Bots. Nur für alle, die das nicht so genau wissen. Was ist ein Bot? Damit hier auch Dinge gelernt werden.
Also ein Bot ist eine nicht real existierende Person, die hier Nachrichten auf sozialen Medien verbreitet über sogenannte Trollfarmen. Hier werden tausende, abertausende Profile erstellt, die dann gewisse Narrative weiterverbreiten, teilen, darüber aber auch posten. Und das wird eben automatisch gemacht und damit bekommt man halt eine viel größere Reichweite als jemand, der einfach nur normal seine Informationen teilen würde.
Und da gibt es manchmal dieses Bild von irgendeinem Zimmer, in dem tausende Handys nebeneinander stehen. Ist das eine Trollfarm?
Ja.
Das heißt, es sind quasi Fake Identities, die alle dasselbe senden.
Mehr oder weniger. Ich glaube, es ist eine schöne Visualisierung, dass man versteht, da ist dann eine Person, die steuert zigtausende Handys. Genau so ist es, nur das Ganze wird natürlich dann inzwischen jetzt auch gerade mit (der) Weiterentwicklung von künstlicher Intelligenz noch wesentlich ausgeklügelter und noch wesentlich schwieriger zu identifizieren.
Sehr geehrte Hörerinnen und Hörer, der Pragmaticus Podcast startet etwas Neues. Peter Filzmaier, bekannter Politologe aus Funk und Fernsehen, ist bei uns der Host einer neuen Show, in der es um Überraschung alles außer Politik gehen wird. Jeden dritten Donnerstag im Monat wird er mit seinen Gästen über Wirtschaft, Gesellschaft, Sport oder Wissenschaft sprechen. Der nächste Gast ist Katharina Reich, Sektionschefin im Gesundheitsministerium. Sie wird mit Peter Filzmaier über die Frage diskutieren, Warum jammern wir uns krank?
Jetzt wollen wir einen Sprung machen, und zwar zur Politik. Ich würde von Ihnen gern wissen: Wie ist der Konnex zwischen Desinformation und den politischen Playern?
Desinformation zu einem gewissen Grad ist wahrscheinlich so alt wie Politik per se. Wahlkämpfe werden ja sehr oft auf Aussagen geführt, die jetzt nicht bewusst Desinformation sind, aber wo man vielleicht nicht sofort alles offenlegt, was notwendig sein wird, am Ende zu tun. Dann haben wir zusätzlich natürlich auch sich verändernde Realitäten, die daraus passieren. Die Schwierigkeit sehe ich gar nicht darin, dass wir immer hinterher beklagen, da ist ein Wahlversprechen gebrochen worden, sondern es ist ja Teil eines demokratischen Prozesses, dass man einen Kompromiss irgendwo aushandeln muss und dann kann das durchaus passieren.
Aber wenn hier bewusst versucht wird, sei es von Seiten den politischen Akteuren im Land Wahlergebnisse zu beeinflussen und damit dann für sich natürlich politische Ziele entsprechend umzusetzen bzw., was wir, was wir sehen, dass dann vielleicht gewisse Politiken sich in eine Richtung entwickeln, einfacher wird es natürlich immer bei solchen Referenden. Wir könnten da über Brexit sprechen, wir könnten aber auch über das Referendum im vergangenen Herbst in der Republik Moldau sprechen.
Genau. Da ging es um eine Wahl. Oder erzählen Sie einfach Also, warum ist das so ein Meilenstein gewesen, diese Wahl? Was hat man daran gesehen, wenn es um Desinformation geht?
Also neben der Präsidentschaftswahl, die auch die Amtsinhaberin Maia Sandu gewonnen hat, wenn auch knapp, hat sie ein Referendum angesetzt, das in der Verfassung festschreiben sollte, dass das Ziel europäische Integration hier verankert wird. Was wiederum jetzt, also das Referendum ist, ist positiv ausgegangen, auch relativ knapp, aber positiv ausgegangen, hier bedeutet, dass man, wenn man den Verhandlungsprozess abgeschlossen hat, einfacher die Beitrittsurkunde zur Europäischen Union ratifizieren kann und dann kein Referendum mehr hier benötigen würde.
Und hier war natürlich dieser Schritt in Richtung europäische Integration, die damit sogar im Verfassungsrang festgeschrieben wird. Etwas, was nicht im Interesse des Kremls sein konnte, weil hier sehr deutlich in den vergangenen Jahren wir sehen konnten, dass eigentlich auf zwei Schritte in Richtung europäische Integration immer ein Schritt Richtung Kreml zurück erfolgt ist und dieser Schritt Richtung Kreml auch durchaus aus Moskau mit beeinflusst worden ist.
Und da hat man sie dann verunglimpft, die Maia Sandu?
Unter anderem. Wir haben auch klassische Narrative wieder. Dass russischsprachige Minderheiten hier bedroht sind, aber auch einfach, dass das natürlich bedeutet, man muss diesem dekadenten Westen beitreten und alle Dinge.
Alle sind woke und transgender.
Ja, genau.
Das war in der Republik Moldau. Aber in Rumänien gab es ja diesen Tiktok-Kandidaten. Ja. Könnten Sie die Geschichte noch erzählen?
Also das war wiederum etwas, wo man nicht sehr darauf vorbereitet war. Bei diesem Referendum war klar, dass man da versuchen wird, Einfluss zu nehmen, weil wie gesagt, das kann nicht im Interesse sein, dass auf einmal ein Kandidat, von dem man nicht so viel gehört hatte, nämlich auch in Rumänien.
Er heißt Georgescu.
Ja, genau, nicht Ceaușescu wie der ehemalige Diktator, sondern Georgescu. Der hat hier insbesondere Popularität erreichen können über TikTok, in dem er sich halt sehr deutlich gegen die meisten politischen Parteien in dem Land programmatisch gestellt hat, nämlich Anti-NATO, Anti-EU, prorussisch, Anti-Vaccs, Covid gibt es nicht, man muss nur irgendwie schwimmen gehen, und dann hat man ein gutes Immunsystem. Und dann hat er sich gefilmt, wie er schwimmt. Aber das war noch gar nicht im Wahlkampf, das war noch viel früher. Aber das hat natürlich noch mal viel mehr Aufrufe bekommen. Seine Videos, das war perfekt zugeschnitten. Und auf einmal hatte er im ersten Wahlgang die meisten Stimmen.
Und das hat dann alle überrascht, weil das war unwahrscheinlich, weil er ja schon lange auf der politischen Szene war.
Ja, es war eine große Überraschung und ein großer Schock, dass das eigentlich passieren kann.
Und wie konnte es passieren? War das einfach zu (...) gemacht?
Also das eine ist, mit Sicherheit, dass es sehr gut gemacht hat, was er auf Tiktok geteilt hat, und dass da aber durchaus die Reichweite verstärkt worden ist. Dann sind wir wieder bei Bots und und Trollfarmen.
Auf der anderen Seite ist eine Kandidatin vorab vom Verfassungsgericht nicht zugelassen worden und die hat nicht die gleichen, aber ähnliche krude Ansichten zu gewissen Bereichen, die hin zu Verschwörungstheorien gehen. Und die hatte vorab in den Umfragen so um die fünf, sechs Prozent. Und das ist natürlich etwas, was vielleicht noch mal zusätzlich dann hinzugekommen ist, wo Georgescu davon profitiert hat, dass quasi dieses Wählerpotenzial keine Heimat mehr hatte, mit mit ihr und dann zu ihm gewechselt ist. Und das hat letztendlich wahrscheinlich dazu beigetragen.
Ich meine, er hat ja nicht die Wahl gewonnen, sondern er hat nur die meisten Stimmen im ersten Wahlgang bekommen mit über 20 Prozent. Er hätte aber wahrscheinlich eben im zweiten Wahlgang durchaus die Chance gehabt, diese Stichwahl zu gewinnen.
Aber Rumänien hat reagiert. Das wird jetzt noch einmal wiederholt im Mai. Also eigentlich sehr wehrhaft.
Bei gleichzeitigem Angriff schon wieder über gewisse Narrative, die verbreitet werden – FIMI. Wir hatten über Elon Musk gesprochen, auch der amerikanische Vizepräsident hat der Rumänien bei der Münchner Sicherheitskonferenz erwähnt, aber nicht, wie man es eigentlich gewohnt wäre, vielleicht als guten Partner in der geopolitisch wichtigen Schwarzmeer-Region, sondern er hat gesagt, da wird die Meinungsfreiheit eingeschränkt.
Und dieser drastische Eingriff, quasi die zweite Wahlrunde auszusetzen und noch mal genauer hinzuschauen, was denn da eigentlich passiert ist und das Ganze aufzuklären und eine gewisse Zeit zu geben, ist richtig, ist mit Sicherheit auch in einer wehrhaften Demokratie notwendig, Führt aber gleichzeitig dazu, dass er jetzt, also er, Georgescu in Umfragen auf einmal bei fast schon 40 Prozent steht, weil hier nicht unbedingt die Leute glauben, dass er ein guter Präsident wäre. Aber einfach sagen, das politische Establishment hat hier eingegriffen und die haben versucht, diese Wahlen zu beeinflussen und da wiederum auf diese von außen gesteuerte Desinformation mit Sicherheit auch hereinfallen. Wobei das auch ein bisschen hausgemacht ist.
Vielleicht warum, und das hat man auch in den letzten Wochen gesehen, warum ist es für jemand wie Elon Musk so wichtig, rechte Parteien wie etwa die AfD zu unterstützen? Was erwartet man sich davon? Ist es eine Businessstrategie?
Ja, und hier sehr konkret, as können wir dann auch übertragen auf die Seite des Kremls, hier geht es darum, proeuropäische Parteien in Europa in der EU zu schwächen, weil dann kann man eben nicht koordinieren und gemeinsam gegen diese Desinformation vorgehen. Dann kann man nicht gemeinsam eine gewisse Resilienz im digitalen Raum aufbauen. Und wenn die Länder innerhalb der EU, aber auch auf dem europäischen Kontinent fragmentiert sind, nur noch für sich arbeiten, dann ist es viel einfacher, hier Einfluss zu nehmen. Und das ist im Endeffekt der Grund, warum will man hier insbesondere euroskeptische bis hin zu, eben, und das ist ja fast fast deckungsgleich, extrem rechte Parteien fördern.
Das heißt der Brexit war eigentlich der erste große Erfolg davon.
Absolut. Ich würde jetzt nicht behaupten, dass Putin das Vereinigte Königreich aus der EU hat austreten lassen, aber mit Sicherheit ist das etwas, was in die Agenda passt, weil je schwächer der europäische Kontinent, und das sieht man ja jetzt auch, desto einfacher wird es sein, dann halt auch Einfluss physisch zu nehmen, indem ich ein anderes Land überfallen kann und dann wird halt eben nichts unternommen oder halt nicht so koordiniert unternommen, dass ich das nicht machen kann, was ich möchte.
Also wenn man den großen Block EU sprengt, dann schafft man einfach einen Raum für viele kleine Business Unternehmungen.
Auch das. Es ist durchaus natürlich so zu sehen, und da unterscheiden sich Putin und Musk auch gar nicht so viel, ebenso Trump, die glaube ich, wenig ideologisch (...) sind, sondern einfach kapitalistisch. Und wenn es keine starke EU-Opposition gegen diese Einflussnahme, sei es jetzt über direkte Gewalt oder über hybride Kriegsführung gibt, dann kann ich da viel einfacher wieder Deals machen. Ich kann Nord Stream wieder aufmachen, ich kann mein Gas wieder verkaufen, ich kann mein Öl wieder verkaufen und damit den Zirkel im Kreml weiter bereichern.
Danke vielmals für diese Einsichten und ich hoffe, wir werden bald eine Gangart finden, um einfach zu sensibilisieren, was ein Narrativ ist, was nicht, was man erkennen kann und was nicht. Ich denke, das ist wichtig, auch wichtig für die Demokratie. Den Hörerinnen und Hörer innen danke ich fürs Dabeisein. Tschüss.
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