Warum wir eine CO2-Steuer brauchen
Um den Klimawandel zu bewältigen, muss die Verbrennung fossiler Energien vermieden werden. Eine CO2-Steuer trägt dazu bei, auch wenn sie wegen steigender Energiekosten jetzt wieder hinterfragt wird.
Auf den Punkt gebracht
- Gradwanderung. Die Klimakrise ist längst Realität. Jedes Grad Celsius, um das sich unsere Erde erwärmt, zählt – bis auf die Kommastellen.
- Handlungsbedarf. Europa will bis 2050 klimaneutral werden. Manche Länder möchten dieses Ziel schon früher erreichen, darunter auch Österreich.
- Ökologisierung. 2022 zieht Österreich bei der Einfuhr einer CO2-Steuer nach, wie sie schon in vielen anderen europäischen Ländern existiert.
- Gemeinwohl. Auch auf EU-Ebene wird die CO2-Bepreisung ausgebaut – zu Recht. Der verantwortungsvolle Umgang mit dem Planeten geht uns alle an.
Die Dringlichkeit, Maßnahmen gegen den anthropogenen Klimawandel zu setzen, ist zunehmend unübersehbar. Der IPCC-Sonderbericht aus dem Jahr 2018 bestätigte eindrucksvoll, um wie viel drastischer ein globaler Temperaturanstieg von 2 Grad Celsius im Vergleich zu 1,5 Grad Celsius für unsere Volkswirtschaften und Gesellschaften wäre. Für den Übergang zu Strukturen, die den Temperaturanstieg auf deutlich unter 2 Grad Celsius begrenzen, ist das Pariser Klimaabkommen eine wichtige Orientierungshilfe. Zugleich hat der jüngste Bericht des IPCC wiederum gezeigt, dass die Zeit zu handeln, immer knapper wird.
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Die Umsetzung von Wirtschaftsstrukturen innerhalb ökologischer Grenzen ist die große Herausforderung der nächsten Jahre. Eine solche grundlegende Transformation bestehender Strukturen in Richtung Klimaneutralität bedeutet zunächst, dass neue Infrastrukturen geschaffen werden müssen – sei es im Gebäudebereich, der Mobilität, der Industrie oder der Energiebereitstellung. Außerdem geht damit ein hoher Investitionsbedarf einher, da die bestehenden fossilen Infrastrukturen durch ressourceneffizientere, kohlenstofffreie Substitute ersetzt werden müssen.
Herausforderung Klimawandel
Entsprechende Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen wurden auf nationaler und europäischer Ebene festgeschrieben. So hat sich die österreichische Bundesregierung in ihrem Regierungsprogramm 2020 das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 gesetzt. Gleichzeitig hat sie sich dem gemeinsamen EU-Ziel verpflichtet, Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren und bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen.
Zahlen & Fakten
Sollen all diese Ziele bis 2030 umgesetzt werden, erfordert das einen Rückgang des derzeitigen Energiekonsums um mindestens ein Viertel. Treibhausgase müssten um die Hälfte reduziert werden. Das zieht entsprechende Veränderungen beim derzeitigen Energiekonsum sowie beim Energieträgermix unmittelbar nach sich. Der Politik stehen für die Erreichung der Klimaziele unterschiedliche Instrumente zur Verfügung, wobei in der klimapolitischen Diskussion das Instrument CO2-Bepreisung im Fokus steht.
Grundidee CO2-Steuer
Die Bepreisung von CO2, beispielsweise in Form von CO2-Steuern, wird in der klimapolitischen Diskussion schon lange als effizientes und effektives Politikinstrument diskutiert. Von (Umwelt-)Ökonomen wird es als unverzichtbares klimapolitisches Element in der wirksamen Dekarbonisierung unserer Wirtschaft und Gesellschaft gesehen.
Aber was ist eigentlich eine CO2-Steuer? Gemäß der ökonomischen Theorie zielt ein CO2-Preis darauf ab, die Diskrepanz zwischen privaten und sozialen Kosten dem Verursacher anzulasten. Das bedeutet, dass die mit den privaten Produktions- und Konsumprozessen verbundenen externen Kosten – zu denen die Umwelt- und Klimakosten zählen – einen Preis erhalten sollen, der einen monetären Anreiz setzt, klimaschädigendes Verhalten zu vermeiden. Weil er Flexibilität bei der Verhaltensanpassung erlaubt, ist ein CO2-Preis im Vergleich zu ordnungspolitischen Maßnahmen wie Standards effizienter.
CO2-Preise sollen Anreize setzen, klimaschädigendes Verhalten zu vermeiden.
Das Konzept einer ökologischen Abgabenreform ergänzt die CO2-Bepreisung um den Aspekt der Verwendung der Einnahmen. Es ist damit eng mit der Verteilungswirkung einer solchen CO2-Bepreisung verknüpft. Die einzelnen Gestaltungselemente und -merkmale einer ökologischen Abgabenreform sind Schlüsselfaktoren für ihre Effektivität, insbesondere mit Hinblick auf die Emissionsreduktion und die Abfederung von unerwünschten Verteilungseffekten. Zu letzteren zählen die Verlagerung von CO2-Emissionen ins Ausland (Fachbegriff: carbon leakage) und potenzielle Wettbewerbsnachteile.
Geld für Humus ist nicht genug
Der Klimawandel ist ein komplexes Phänomen. Aufgrund seiner Langfristigkeit und der zeitverzögerten Auswirkungen heutigen Handelns auf das Klimasystem entstehen Unsicherheiten, die durch die Unumkehrbarkeit dieser Auswirkungen noch verstärkt werden. Nicht nur deshalb ist ein breiterer Politikmix dringend nötig. Auch die Wechselwirkungen zwischen Energiebedarf und den zugrundeliegenden Kapitalstöcken – zum Beispiel Gebäude oder Verkehrsinfrastruktur – oder von Marktbarrieren machen eine Erweiterung der Perspektive über CO2-Preise hinaus notwendig.
Österreichs CO2-Bepreisung
In Österreich wird im Rahmen der „ökosozialen Steuerreform“ ab Juli 2022 eine CO2-Bepreisung in den Sektoren Gebäude und Straßenverkehr eingeführt, die mit 30 Euro pro Tonne CO2 beginnt. Dieser Satz wird bis 2025 schrittweise bis auf 55 Euro angehoben. Der Preiseffekt ist relativ moderat: Ein Liter Benzin wird 2022 um gut sechs Cent, 2025 um knapp zwölf Cent teurer; der Dieselpreis steigt 2022 um gut sieben Cent, 2025 um knapp 14 Cent pro Liter. Diese Preisanstiege liegen unterhalb der Preisschwankungen der Vergangenheit. Der österreichische CO2-Preis liegt verglichen mit den aktuellen CO2-Preisen in anderen europäischen Ländern im Mittelfeld.
Zahlen & Fakten
Grundsätzlich ist die österreichische CO2-Bepreisung aufkommensneutral konzipiert, sie verursacht also keine Kosten. Die Einnahmen werden an Haushalte und Unternehmen zurückgegeben; die Haushalte erhalten eine Kompensation in Form des Klimabonus, der gemäß der Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel und der Siedlungsdichte regional differenziert ist. Für Unternehmen sind Entlastungen vorgesehen, die für besonders energieintensive Betriebe sowie Sektoren, die dem Risiko von carbon leakage ausgesetzt sind, gelten. Die Landwirtschaft soll für die Zusatzbelastung für den Agrardiesel entlastet werden. Allerdings ist der Umfang der Kompensationsmaßnahmen in den kommenden Jahren größer als jener der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung, um die soziale Akzeptanz zu unterstützen.
Optimierungsmöglichkeiten
Die ökosoziale Steuerreform 2022/24 setzt somit einen ersten nationalen Schritt zur Etablierung einer CO2-Bepreisung in den Sektoren, die nicht durch das EU-Emissionshandelssystem abgedeckt werden. Dabei sind die geplanten CO2-Preise deutlich geringer als der aktuelle CO2-Preis im EU-Emissionshandelssystem, der im Dezember 2021 auf einen Rekordwert von über 90 Euro je Tonne CO2 gestiegen ist und auch künftig weiter steigen wird – auch wenn der Preis aufgrund des Ukraine-Krieges aktuell abgesackt ist. Kurzfristig werden die Lenkungseffekte eines CO2-Preises begrenzt sein. Um die CO2-Reduktionsziele zu erreichen, muss die CO2-Bepreisung in weitere klimapolitische Maßnahmen eingebettet werden. Entsprechend werden in den kommenden Jahren die thermische Gebäudesanierung sowie Investitionen in klimafreundliche Heizsysteme durch direkte Förderungen sowie steuerliche Anreize gefördert.
Darüber hinaus sollten vier Hebel zur Förderung der Dekarbonisierung stärker genutzt werden:
- Ein höherer Einstiegspreis, der sich am aktuellen CO2-Preis im EU-Emissionshandel orientiert, sowie ein ambitionierterer Preispfad.
- Eine zielorientiertere Rückverteilung der Einnahmen durch Stützung von niedrigen Einkommen und die Stimulierung von Leuchtturmprojekten für verschränkte Mobilität, energieautonome Quartiere, integrierte Energienetze und Recycling in der Sachgüterproduktion.
- Die zeitliche Befristung und striktes Monitoring für den Klimabonus und für die vorgesehenen Ausnahmen bei Unternehmen und in der Landwirtschaft.
- Die Abschaffung beziehungsweise Ökologisierung bestehender klimaschädlicher Subventionen, etwa der Pendlerpauschale, des Dienstwagen- und des Dieselprivilegs.
CO2-Bepreisung auf EU-Ebene
Auch auf EU-Ebene wird im Rahmen des Europäischen Green Deal eine stringentere CO2-Bepreisung angestrebt. Die Europäische Kommission hat im Juli 2021 ihr „Fit für 55“-Paket vorgelegt. Neben ambitionierteren Zielvorgaben und einer Reihe von Regulierungen enthält das Paket auch mehrere Initiativen, die den CO2-Preis erhöhen und seinen Anwendungsbereich erweitern sollen. Vorgeschlagene Reformen im Emissionshandelssystem umfassen eine schnellere Reduktion der Emissionsobergrenzen, das Auslaufen von Gratiszuteilungen von Zertifikaten, die Miteinbeziehung des internationalen Flug- und Schiffsverkehrs sowie der Bereiche Gebäude und Straßenverkehr.
Auch soll ein CO2-Grenzausgleichssystem eingeführt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie bei steigenden europäischen CO2-Preisen zu schützen. Zudem ist eine Aktualisierung der Energiesteuerrichtlinie vorgesehen: Die Besteuerung von Energieträgern soll nach Nutzungsart und Nachhaltigkeitskriterien vereinheitlicht und die Mindeststeuersätze angehoben werden; Steuerbefreiungen für die Luft- und Schifffahrt sollen entfallen.
Conclusio
Die Bepreisung von CO2 ist eines der wichtigsten Instrumente im klimapolitischen Instrumentarium. Eine wachsende empirische Evidenz zeigt, dass die Bepreisung von CO2 – bei entsprechender Höhe des CO2-Preises – ein effektives Instrument zur Eindämmung von CO2-Emissionen ist, das auch positive Innovationseffekte hat. Mögliche negative Effekte auf Wachstum und Beschäftigung sind vernachlässigbar. Unerwünschte Verteilungseffekte können durch eine Rückverteilung der Einnahmen vermieden werden, die auch die soziale Akzeptanz stärkt. Die stärkere Nutzung dieses zentralen klimapolitischen Instruments auf nationaler wie internationaler Ebene ist ein entscheidender Ansatzpunkt zur Erreichung der Klimaziele und zur Bewältigung der Klimakrise.