Besser schlafen mit dem Smartphone

Eine App gegen den Schlafmangel: Das ist der wahr gewordene Traum des Salzburger Schlafforschers Manuel Schabus.

Der Salzburger Schlafforscher Manuel Schabus sitzt an einem Schreibtisch. Mit seiner App Sleep2 will er den Schlafmangel der Österreicher bekämpfen.
Der Salzburger Schlafforscher Manuel Schabus will den Schlafmangel der Österreicher via App bekämpfen. © Raphael Gabauer

Millionen Österreicher, leicht angetrunken am Arbeitsplatz. Alles ein bisschen verschwommen, die Reaktionsfähigkeit verzögert, die Reizbarkeit erhöht. Klingt beängstigend? Ist aber unser Alltag. „Zwei Nächte mit weniger als sechseinhalb Stunden Schlaf senken die Leistungsfähigkeit genauso wie 0,5 Promille Alkohol“, sagt Manuel Schabus, Leiter des Labors für Schlaf- und Bewusstseinsforschung an der Universität Salzburg. „Vermutlich sind achtzig Prozent der Menschen so unterwegs.“

Denn: Wir schlafen zu wenig. „Wir werden immer rastloser als Gesellschaft“, sagt Schabus. „Deshalb haben wir diese paradoxe Situation, dass die Leute müde und fertig sind, aber trotzdem nicht schlafen, weil sie nicht abschalten können.“ Dabei wäre Schlaf eigentlich eine Wunderwaffe des Körpers, erklärt Schabus: „Man lernt Fakten besser, genauso motorische Fähigkeiten wie Klaviersequenzen. Und wenn wir länger schlafen, wird das Immunsystem gestärkt.“

Schlafmangel ist immer noch ein Tabuthema

Umgekehrt hat der Schlafmangel auch ganz konkrete Folgen: „Arbeitsunfälle sind dreieinhalbmal häufiger, wenn ich schlecht schlafe und vor allem Sportler verletzen sich weit häufiger, wenn sie nicht genug schlafen“, sagt er. Dass der Schlafmangel im Grunde die ganze Gesellschaft betrifft, sollte eigentlich zur Folge haben, dass das Problem erkannt und behoben wird.

Doch es gibt zwar Nationale Aktionspläne für Bewegung und gegen Adipositas, doch keinen zum Thema „Gut schlafen“.  „Wir lernen in der Schule über die Wichtigkeit von Ernährung und Bewegung, aber nicht über jene von Schlaf. Ich vermute, weil Schlaf doch eher etwas Privates ist“, sagt Schabus.

Eine Frau schläft mit EEG-Haube im Salzburger Schlaflabor
Im Schlaflabor wird der Schlaf mittels EEG-Haube gemessen – die App soll ähnliches daheim leisten. © Raphael Gabauer

Für einen Schlafforscher ist das natürlich eher deprimierend. Weshalb Schabus neben seiner Tätigkeit als Universitätsprofessor nun auch eine Schlaf-App auf den Markt gebracht hat. „Ich war lange in der Grundlagenforschung, da fragt man sich oft, ob man damit etwas bewegt. Dank der App sehe ich, ob das den Menschen wirklich hilft, was ich tue.“ Sleep2 ist seit Ende März in Österreich als digitales Medizinprodukt zugelassen, in Deutschland gibt es bereits eine Krankenkasse, die die Kosten für die App übernimmt.

Alkohol hilft beim Einschlafen, nicht beim gut Schlafen

Die App soll helfen, Menschen das Schlafen wieder zu lernen. Denn das geht weder von heute auf morgen, noch helfen viele der vermeintlichen Hausmittel. „Das Glas Wein oder Bier vor dem Schlafengehen funktioniert vielleicht als Einschlafhilfe, weil der Alkohol das Gehirn betäubt. Aber man schläft danach nicht erholsam; unterdrückt Traum und Tiefschlaf“, erklärt Schabus. Im Gegenteil, es braucht – wieder eine Parallele zu Gewicht und Ernährung – langfristige Verhaltensänderungen.  „Wir Psychologen sagen gerne: Solange es dauert, bis eine Störung kommt, dauert es ja auch, bis sie wieder weggeht.“ Das bedeutet oft: Monate, nicht Tage.

Schlaf kann ganz grob in zwei Phasen unterteilt werden: In der ersten Hälfte schlafen wir tiefer, um uns zu erholen, in der zweiten Hälfte träumen wir und verarbeiten den Tag. „Jeder Schlaf ist zwar individuell“, sagt Schabus, aber grundsätzlich schlafen wir alle nach demselben Muster. Wenn auch nicht unbedingt zur selben Zeit: „Es gibt auch in der Forschung die Unterscheidung zwischen Frühaufstehern – wir nennen sie Lerchen – und den Eulen, die später müde werden.“

Eine Frau mit EEG-Haube
Nur wer weiß, wie er schläft, kann seinen Schlaf auch verbessern. © Raphael Gabauer

Das sei evolutionär auch so gewollt: „Damit unser Rudel immer beschützt ist, weil immer jemand wach ist.“ Unsere Gesellschaft heute funktioniert anders. „Weil alles auf Arbeits- und Schulbeginn acht Uhr morgens getaktet ist.“ Dazu kommt, dass länger schlafen auch immer „mit Faulheit und nichts tun in Verbindung gebracht wird – vermutlich auch der Grund, warum wir keine Mittagschläfchen halten.“

Der Körper gewöhnt sich an den Schlafmangel

Deshalb wissen viele Menschen gar nicht mehr, wie es wäre, gut und gesund zu schlafen – also nach der Nacht „erholt aufzuwachen“, wie Schabus sagt. Denn auch wenn viele Menschen behaupten, mit weniger Schlaf auszukommen: „Wir brauchen im Normalfall sieben bis neun Stunden. Und wir wissen, dass mehr als 95 Prozent der Menschen am Wochenende nachschlafen“.

Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sie unter der Woche zu wenig Schlaf bekommen haben. Leider stellt sich auch der Körper auf zu wenig Schlaf ein: „Wer sein Leben lang nur fünf Stunden schläft, dessen innere Uhr wird ihn auch nach fünf Stunden wecken.“ Das hat zur Folge, dass „viele Menschen seit zwanzig Jahren zu wenig schlafen und gar nicht mehr wissen, wie leistungsfähig sie wären, wenn sie genug Schlaf bekommen würden.“

Ein Smartphone mit der App Sleep2.
Die App Sleep2 misst die verschiedenen Schlafphasen. © Raphael Gabauer

Viele andere wissen jedoch um ihren Schlafmangel, denn immer, wenn Manuel Schabus irgendwo einen Vortrag hält, „steht danach eine Traube Menschen bei mir, die über ihre Schlafprobleme klagt.“ Weder könnte er sie selbst alle behandeln, noch gibt es in Österreich genug Spezialisten und Schlaflabore. „Deshalb war unser Gedanke, dass wir die Smartphones, die wir immer so verteufeln, gegen sich selbst verwenden – also um Entspannung ins Schlafzimmer zu bekommen.“ Die App misst deshalb nicht nur den Schlaf – und zwar genauer, als es Smartwatches und andere Wearables im Normalfall tun –, sondern zeigt auf, wie sich das individuelle Schlafproblem im Idealfall lösen lässt.

Rituale gegen schlechten Schlaf

Denn schlechter Schlaf ist nicht gleich schlechter Schlaf: Manche Menschen können nicht einschlafen, andere wachen während der Nacht zu oft auf, wieder andere produzieren zu wenig Tiefschlaf. „Es gibt jetzt nicht den einen Tipp, wie man tiefer schläft, aber wir können aufgrund unserer Forschungen zehn Punkte nennen, die den Tiefschlaf beeinflussen.“ Und natürlich ist auch jeder Mensch anders. „Viele nerven beispielsweise Atemübungen zunächst einmal. Aber es geht darum, Ruhe und Einschlafrituale zu finden. Wenn das ein Hörspiel ist, ist das auch okay.“

Der Salzburger Schlafforscher Manuel Schabus im Interview.
Manuel Schabus: „Das Ziel wäre, dass wir bei der Schlafforschung auch in Richtung Präzisionsmedizin kommen.“ © Raphael Gabauer

Letzten Endes soll die App nicht nur den Menschen, sondern auch der Forschung helfen – und damit im nächsten Schritt noch einmal den Menschen: „Wenn wir einmal Hunderttausende Nutzer haben, dann können wir mittels Künstlicher Intelligenz sehr spannende Dinge aus den Daten herauslesen – auf welche Therapie spricht eine Person mit bestimmtem Alter und Geschlecht am besten an? Das Ziel wäre, dass wir bei der Schlafforschung auch in Richtung Präzisionsmedizin kommen.“

Über diese Serie

Unter dem Titel „Forschungsreisen“ präsentieren wir spannende Forschungsprojekte aus ganz Österreich. Der Pragmaticus war bereits zu Gast bei Peter Turchin vom Complexity Hub, der die USA vor einem Bürgerkrieg sieht, hat mit Stefan Mayr von der Uni Innsbruck über die Zukunft der Alpenwälder unterhalten und sich von Lisa Bugnet am ISTA erzählen lassen, wie die Sterne klingen. Alle Forschungsreisen können Sie hier nachlesen.

Mehr zum Thema Gesundheit

Unser Newsletter