China ist die führende Roboternation – kann Europa aufholen?
Roboter und Künstliche Intelligenz werden zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor der Weltwirtschaft. Beim globalen Wettlauf um die führende Roboternation gerät Europa ins Hintertreffen, wenn es vorhandene Stärken nicht besser nutzt.

Auf den Punkt gebracht
- Marktführer. Chinesische Roboter sind ein Drittel günstiger als europäische, die Exporte steigen jährlich um 65 Prozent.
- Potenzial. China bringt rund 3,5-mal so viele Naturwissenschafts-Absolventen hervor wie die EU und etwa 4,5-mal so viele wie die USA.
- Investitionen. Im ersten Halbjahr 2025 floss in China sechsmal und in den USA viermal so viel Kapital in KI-befähigte Robotik wie in der EU.
- Dilemma. Europas Robotik-Champions investieren selber zunehmend im Ausland, wo weniger reguliert wird und Energiepreise niedriger sind.
Europa hat traditionsreiche Unternehmen und viel Know-How in der Robotik. Leider ist es zu wenig gelungen, auf diesem Fundament aufzubauen. Darum hat im laufenden Wettrennen um die größte Roboternation aktuell China die Nase vorne: Laut der International Federation of Robotics entfielen im Jahr 2024 von rund 520.000 installierten Industrierobotern zuletzt 54 Prozent auf China, 17 Prozent auf die EU, acht Prozent auf Japan und nur sieben Prozent auf die USA.
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Während China auf hohem Niveau weiter zulegte, sank der Absatz in den anderen drei Regionen. Die Roboterdichte, eine wichtige Kennzahl zur Messung des Automationsgrades einer Volkswirtschaft, war in Deutschland vor zwölf Jahren mehr als zehnmal so hoch wie in China. Mittlerweile hat China die Bundesrepublik hier überholt; gegenüber dem EU-Durchschnitt liegt China mehr als doppelt so hoch. Aufgeschreckt von dem Szenario, dass intelligente, vernetzte Produktionsprozesse ein Reshoring in frühindustrialisierte Länder veranlassen könnte, hat kein Land seine Fabriken so entschlossen automatisiert wie die Volksrepublik.
Darum ist China die führende Roboternation
Unterstützt durch staatliche Maßnahmen und die Bereitschaft der Regierung, zur Erlangung technologischer Vorherrschaft kurzfristige wirtschaftliche Schmerzen in Kauf zu nehmen, hat China in den letzten Jahren ein höchst kompetitives industrielles Ökosystem aufgebaut. Der Anteil chinesischer Industrieroboterhersteller – große fixe Anlagen, die z.B. Autos fertigen – in ihrem Heimatmarkt stieg von unter 30 Prozent vor zehn Jahren auf heute über 50 Prozent. Bei kollaborativen Robotern – Maschinen mit geringerer Traglast, die mitunter auch mit Menschen gemeinsam arbeiten – sowie mobilen Robotern – etwa im Servicebereich oder selbstfahrende Transportmittel – liegt er bei über 90 Prozent.
Zahlen & Fakten
In Schlüsselbranchen wie Elektromobilität, Batterien, Photovoltaik und Drohnen definiert China die Weltspitze. Anwendungs-Know-how fließt hier zunehmend von China nach Europa. Beim autonomen Fahren liegt China Kopf an Kopf mit den USA. Laut der Investmentbank JP Morgan stammt mehr als die Hälfte der börsennotierten Unternehmen in der Lieferkette für humanoide Roboter aus China. In der mechatronischen Industrie kann heute niemand neue Produkte so schnell zur Marktreife bringen und in hoher Qualität und zu wettbewerbsfähigen Preisen herstellen. Roboter aus China sind etwa um ein Drittel günstiger als jene aus Europa oder Japan.
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, bauen deutsche Unternehmen im Automationsbereich ihre Forschungs- und Entwicklungskapazitäten in China weiter aus
Entsprechend sind chinesische Roboterexporte seit 2022 jedes Jahr um 65 Prozent gestiegen. Davon profitieren nicht nur einheimische Hersteller, sondern auch die internationale Konkurrenz. So soll ein beträchtlicher Teil der Hardware für den humanoiden Optimus-Roboter von Tesla aus China kommen.
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, bauen deutsche Unternehmen im Automationsbereich ihre Forschungs- und Entwicklungskapazitäten in China weiter aus. Jüngstes Beispiel: Die Ankündigung des deutschen Traditionsunternehmens Stihl, die Entwicklung seiner Mähroboter nach China zu verlagern. Im Oktober gab auch die europäische Hoffnung in der humanoiden Robotik Neura bekannt, eine Niederlassung im chinesischen Hangzhou zu etablieren – Registriertes Kapital: Beträchtliche 45 Millionen Euro.
Talente und KI‑Impulse
Was steckt hinter Chinas Erfolg? Die starke Gewichtung der Ausbildung in technischen Fächern (MINT) durch die chinesische Regierung zahlt sich aus: China bringt rund 3,5-mal so viele Naturwissenschafts-Absolventen hervor wie die EU und etwa 4,5-mal so viele wie die USA. Auf der renommierten KI-Konferenz NeurIPS kamen im vergangenen Jahr zwar weiterhin die meisten Forschungsbeiträge aus den USA, Wissenschaftler chinesischer Herkunft stellten jedoch die größte Einzelgruppe.
Auch wenn das Gefälle zwischen chinesischen Spitzenuniversitäten und weniger renommierten Einrichtungen groß ist, veranschaulichen diese Zahlen den riesigen Talentpool. Bei KI setzen Anbieter wie Deepseek neue Akzente: ein leistungsfähiges, ressourcenschonendes Open‑Source‑Modell befeuert Anwendungen, für die es davor keine kommerzielle Chance gegeben hätte. In der Robotik schafft der Zugang zu günstiger Hardware Raum zum Experimentieren und eröffnet neue Anwendungen.
Halbleiter und staatliche Förderung
Schwachpunkt bleibt der Mangel an leistungsfähigen heimischen Halbleitern. Fortschritte Richtung Autarkie kamen jedoch schneller als erwartet. US-Sanktionen schufen entlang der Lieferketten neue Chancen. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Rechenkapazität massiv: Modelle, die die physikalische Welt abbilden, sind deutlich komplexer als Sprachmodelle oder solche zur Bildverarbeitung. Huawei versucht, sich hier als Nexus zu etablieren.
Die Halbleiter-Götter
Nach mageren Jahren für Tech-Start-ups will Peking die Szene wiederbeleben: Im Februar traf sich Xi Jinping mit führenden Unternehmern. Im März folgte die Ankündigung eines Venture-Capital-Guidance-Fonds über 138 Milliarden US-Dollar für Robotik, KI, Quantencomputing und andere Zukunftstechnologien.
Physikalische KI als Treiber
KI verändert die Robotik fundamental: Entwicklungszyklen verkürzen sich, Programmierung wird einfacher, die Fähigkeiten wachsen. Physische KI ist derzeit der heißeste Sektor. Diese Modelle nehmen die Welt mit Sensoren wahr (sehen, hören, fühlen), verstehen Ziele oder Anweisungen und handeln dann mit Motoren bzw. Greifern zuverlässig in der realen Welt. Die chinesische Führung möchte hier das Playbook der Elektromobilität wiederholen und sich mithilfe der Mobilisierung massiver Ressourcen bei der Entstehung einer neuen Industrie weltweit an die Spitze setzen.
Zahlen & Fakten
Nach unseren Erhebungen floss im ersten Halbjahr 2025 in China etwa sechsmal so viel und in den USA etwa viermal so viel Kapital in junge Unternehmen in dem Bereich wie in der EU. Man hofft, mit den Produktivitätsschüben aus dieser Technologie in einigen Jahren Herausforderungen – wie etwa die demografische Entwicklung – besser bewältigen zu können. Durch das oben beschriebene Ökosystem sind die Voraussetzungen gut, dass China die Zukunft auf diesem Gebiet wesentlich gestalten wird.
USA: Softwarestärke und Industrieschwäche
Obwohl die USA den Industrieroboter erfunden haben, gibt es heute keinen amerikanischen Hersteller mehr, ausländische Anbieter bauen erst Montagekapazitäten im Land auf. Beim Know-how klafft eine Lücke einer Generation. Die Politik will industrielle Wertschöpfung zurückholen, doch Fachkräftemangel, ein hohes Kostenniveau und das ausgedünnte industrielle Ökosystem stellen nicht unerhebliche Hindernisse dar. Gleichzeitig sind die USA in Software und KI führend.
Die Universitäten des Landes ziehen weiterhin die führenden KI‑Wissenschaftler aus aller Welt an. Auch für chinesische Hersteller von humanoiden Robotern geht derzeit (noch) kein Weg an NVIDIA als Lieferant der zentralen Steuereinheit vorbei. Die Software des Unternehmens sowie die Grafikprozessor für das Training der KI sind weltweit erste Wahl.
Zahlen & Fakten
Googles Gemini Robotics und Physical Intelligence gelten international als Maßstab für Vision-Language-Action-Modelle mit denen Roboter ihre Umgebung erkennen, verstehen, was man ihnen sagt, und dann tun, worum man sie bittet. Chinesische Unternehmen wie etwa XSquare liegen hinter den amerikanischen Pionieren auf diesem Gebiet allerdings nicht weit zurück.
Die humanoiden Roboter von Figure, Agility und Apptronik wirken technologisch ambitionierter als viele chinesische Pendants. Die hochwertigere Hardware schlägt sich allerdings auch in höheren Kosten und längeren Entwicklungszyklen nieder.
Ein potenzielles Alleinstellungsmerkmal der USA sind Jahrzehnte an Erfahrung mit Risikokapital. In den vergangenen 20 Jahren hatten kapitalintensive Bereiche wie die Robotik allerdings eher das Nachsehen gegenüber schnell skalierenden Geschäftsmodellen wie etwa sozialen Netzwerken. Mit dem Durchbruch bei Large Language Models und dem Transfer von ihren Fähigkeiten in die physikalische Welt scheint sich das allerdings zumindest teilweise zu ändern. Aus demselben Grund arbeiten neben den bereits erwähnten Tech-Giganten Tesla und Alphabet auch Amazon und Meta an KI-befähigten Robotern. Und Google-Gründer Larry Page tüftelt mit „Dynatomics“ daran, Produktion mithilfe von KI neu zu denken.
Europa hat Handlungsbedarf
Europa verfügt traditionell über Stärken in der industriellen Robotik. Weltbekannte Hersteller wie ABB, KUKA, Stäubli und Universal Robots, Schwergewichte in der Industrieautomation wie Siemens sowie zahlreiche spezialisierte Zulieferer für die Branche stammen von hier. Die Forschungslandschaft bringt immer noch großartige Ideen hervor, allerdings entstehen aus diesen verhältnismäßig selten marktreife Produkte und Unternehmen.
EU-USA: China-Strategie in 5 Punkten
Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) vermerkt, dass Europas relativer Anteil an weltweiten Roboterinstallationen seit 2013 um gut ein Drittel zurückgegangen ist. Für 2025 erwartet der Verband für die Branche einen weiteren Umsatzrückgang von rund 10 Prozent. Eine wesentliche Ursache hierfür ist die Schwäche der deutschen Industrie. Laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) hat Deutschland Standortnachteile von etwa 30 Prozent gegenüber China. Im IMD-Standortranking fiel das Land von Platz 6 (2014) auf Platz 19, die Bundesbank sieht seit 2017 sinkende Exportmarktanteile.
Kulturell herrscht in Deutschland eine ungesunde Mischung aus niedriger Jahresarbeitszeit, Risikoaversion und Selbstzufriedenheit.
Kulturell herrscht eine ungesunde Mischung aus niedriger Jahresarbeitszeit, Risikoaversion und Selbstzufriedenheit. Ausländisches Kapital meidet Deutschland seit Jahren, etablierte deutsche Firmen investieren vermehrt im Ausland. Automationsspezialisten beklagen, dass die Mittel fehlten, um wie früher in Innovationen zu investieren, die einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz aus Fernost garantierten. Startups, die auf Kurzarbeit setzen, können nur schwer gedeihen. Gemessen am Tempo und Umfang der Aktivitäten liegt Europa im Zukunftssegment KI-befähigter Robotik zurück. Beim Zuliefer-Ökosystem moderner Robotik von Halbleitern über Batterien bis Cloud-Plattformen, ist der Kontinent wenig präsent.
Was tun?
In seinem Aktionsplan Robotik für Europa aus dem Februar 2025 fordert der VDMA, Robotik und Automation zur Top-Priorität zu machen:
- Talente ausbilden und anziehen
- Anreize für Automatisierung setzen; deutlich mehr Wagniskapital bereitstellen
- mit Forschungs- und Entwicklungszielen und Maßstäben technologisch an der Spitze bleiben
- die bessere Skalierung von Innovationen in die Breite/Serienproduktion ermöglichen
- Regulierung verschlanken und Verfahren beschleunigen, sowie
- die gesellschaftliche Akzeptanz von Automation aktiv fördern.
Tatsächlich plant die EU-Kommission 2025 eine umfassende Roboterstrategie. Wie wir in China und aus der Vergangenheit in Europa, Japan und den USA sehen, hat Industriepolitik immer wieder eine wichtige Rolle gespielt – in der Roboterindustrie, aber auch in Bereichen wie Halbleitern und Luftfahrt.
Im Hinblick auf zurückliegende Robotik-Initiativen der EU (z.B. Horizon Europe) kritisieren Investoren allerdings, dass sich diese Programme auf politisch populäre Themen wie Klimatechnologien konzentriert und versucht hätten, die Gewinner vorab auszuwählen. In der Realität habe sich das als eher hinderlich erwiesen, wenn es darum ging, tragfähige Startups zu fördern. Nicht wenige Investoren wären diesen Irrwegen gefolgt, was alles noch verschlimmert hätte.
Europa 2035: Innovation vs. Regulierung
Kooperation mit China auf diesem Gebiet ist komplex: Pekings Subventionen verschärfen den Wettbewerb, zugleich profitieren zahlreiche europäische Firmen von den niedrigeren Kosten und dem Tempo des chinesischen Ökosystems. Ausgleichszölle könnten einzelne Unternehmen schützen, würden aber auch hier zulande Automation verteuern und das Innovationstempo drosseln. Der Streit um Seltene Erden zeigt indessen, wie riskant Abhängigkeiten sind. Europas Kompetenzen in der Robotik dürfen daher nicht ausschließlich auf günstige Vorprodukte aus China bauen.
Wettbewerbsfähigkeit als Angelpunkt
Entscheidend sind Investitionsklima und Wettbewerbsfähigkeit. Ohne eine starke industrielle Basis fehlen wichtige Abnehmer, Sparringspartner und Synergien in der Lieferkette. Wir müssen es wieder einfacher machen, Fabriken zu errichten und zu betreiben. Dazu gehört auch eine wettbewerbsfähige Energiepolitik und weniger Klimaideologie.
Der Draghi‑Report aus dem Herbst 2024 skizziert die Agenda (Skalierung, Kapitalmarkt, Energie, Tempo, Level Playing Field), die Robotik‑ und Automationsanbieter brauchen, um gegen subventionierte Konkurrenz zu bestehen. Mehr Kapital ja, vor allem aber besseres Systemdesign und weniger Mikromanagement. Viel wäre gewonnen, wenn Politik Unternehmen mehr in Ruhe ließe, dem Markt als Entdeckungsinstrument vertraute und die Freude am technologischen Fortschritt wieder pflegte.
Conclusio
Quantität. China dominiert mit 54 Prozent der weltweiten Industrieroboter-Installationen den Markt, hat Deutschland bei der Roboterdichte überholt und kontrolliert über 90 Prozent des Marktes für kollaborative und mobile Roboter im eigenen Land, während Europa seinen Anteil seit 2013 um ein Drittel verlor.
Qualität. Diese Verschiebung ist nicht nur quantitativ, sondern markiert einen fundamentalen Technologiewandel: China baut durch massive Investitionen in KI-befähigte Robotik, ein skalierendes Zulieferer-Ökosystem und deutlich günstigere Preise eine Dominanz auf, die Europa bei der Schlüsseltechnologie der physikalischen KI den Anschluss kosten könnte.
Aufholjagd. Europa muss seine industrielle Wettbewerbsfähigkeit dringend wiederherstellen – durch entschlossene Deregulierung, wettbewerbsfähige Energiepreise und mehr Vertrauen in Marktmechanismen statt Mikromanagement, denn ohne starke heimische Industrie als Abnehmer und Innovationspartner werden auch die besten Robotik-Technologien nicht zur Marktreife gelangen.




