Das ziellose Zögern des Westens
Der Westen weiß nicht, welches Ziel er im Ukraine-Krieg hat, sagt der Politikwissenschaftler Gerhard Mangott. Nicht nur die Zukunft der Ukraine steht damit auf dem Spiel.

Das Zögern des Westens was Waffenlieferungen betrifft oder auch ein OK für den Einsatz von Langstreckenwaffen haben einen gemeinsamen Grund: Der Westen hat kein klares, realistisches Kriegsziel.
Der Podcast über den Ukraine-Krieg
Mit dem Laden des Inhalts akzeptierst du die Datenschutzerklärung von Spreaker.
Der Westen hat kein realistisches Kriegsziel.
Gerhard Mangott, Politikwissenschaftler
Ohne westliche Hilfe wäre die Ukraine bereits in Teilen erobert und wirtschaftlich bankrott, so der Politikwissenschaftler Gerhard Mangott im Podcast. Die dennoch fehlende Luftabwehr macht sich schmerzhaft bemerkbar, wenn es Russland immer wieder gelingt, zivile Infrastruktur zu zerstören. „Die Ukraine braucht noch mehr Waffen, um die Russen wirklich zu vertreiben.“
Das Rückgrat der Demokratie
Während osteuropäische Staaten, skandinavische Staaten und auch Großbritannien bereit sind, mehr Waffen zu liefern und das Ziel der Ukraine Russland zu besiegen, um die Ukraine in den Grenzen von 1991 wiederherzustellen, unterstützen, zögern andere Staaten und auch die NATO.
Georgien auf dem Weg nach Ungarn?
Für Mangott verweist dies auf ein tiefer liegendes Problem: „Was ist eigentlich das westliche Ziel?“ Eben auf dieses könne sich der Westen nicht verständigen. Oft regiere die Angst, zu sehr in den Krieg hineingezogen zu werden.
Ein russischer Angriff auf einen Mitgliedsstaat der NATO sei in den nächsten sechs bis zehn Jahren nicht wahrscheinlich, da Russland dazu (noch) nicht in der Lage sei, so Mangott. Die Zeit müsste die NATO nutzen, um sich militärisch vorzubereiten. Die Verteidigungsausgaben seien in den meisten Mitgliedsstaaten zu niedrig, um die Aufrüstung zu leisten.
Moldau – die nächste Ukraine?
Russland setzte im Krieg derzeit alles daran, zivile Infrastruktur zu zerstören: Die Angriffe von Raketen, Gleitbomben und Drohnen richteten sich gegen die Wasser- und Energieversorgung, damit es im Winter schwierig werde, die Ukraine und insbesondere die ukrainischen Städte, mit Strom und Wasser zu versorgen.
Die Klimafolgen dieses Krieges
Russland konnte bisher vom Krieg profitieren, sagt Mangott. Das gute Wirtschaftswachstum gehe auf die boomende Rüstungsindustrie zurück und auf Transferzahlungen, die die Binnennachfrage erhöht haben. Auch China profitiere: Zum einen vom russischen Öl, zum anderen vom russischen Markt, auf dem immer mehr chinesische Produkte verkauft werden. In diesem Sinne sei es verständlich, dass sich China sehr bei den Parallel-Importen engagiert hat. Die Drohung, diese mit Sekundärsanktionen zu ahnden, verpuffte wirkungslos.
China wäre dabei am besten in der Lage, Russland an den Verhandlungstisch zu zwingen, habe aber aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus daran kein Interesse, argumentiert Mangott.
Unabhängig davon, ob Donald Trump oder Kamala Harris die US-Wahlen gewinnen, werden die EU und die NATO-Staaten mehr Mittel in die Aufrüstung investieren müssen, als sie es jetzt tun. Auf die USA kann sich Europa in Zukunft nicht mehr in gleichem Maße wie früher stützen: „Der eigentliche Rivale der USA ist der Pazifik. Darauf wollen die USA sich konzentrieren, damit China keine hegemoniale Machtstellung in Ostasien erreicht.“
Möchten Sie mehr hören? Sie finden alle bisherigen Podcasts hier.
Über Gerhard Mangott
Gerhard Mangott ist Politikwissenschaftler und Professor für Politikwissenschaft mit der Spezialisierung auf Internationale Beziehungen und Sicherheitsforschung im post-sowjetischen Raum an der Universität Innsbruck. Er hat für den Pragmaticus eine Analyse des Systems Putin geschrieben. Er war bereits mehrmals Gast in unserem Podcast: 2021, kurz vor der Vollinvasion Russlands in die Ukraine analysierte er die Interessen Russlands. Er zog für uns 2023 nach einem Jahr Krieg eine Bilanz und gab eine Einschätzung als Putin das Getreideabkommen im Sommer 2023 wiederholt aufhob und mit einem Nuklearschlag drohte. Ein Szenario, wie dieser Krieg enden könnte, hat er hier beschrieben.