Wie wir unsere Freizeit verbringen

Ganz einfach: weiterarbeiten! Und zwar tiefenentspannt im Wellness-Resort, im Einklang mit uns und unserer Umwelt. Allerdings hat jedes Lächeln seinen Preis.

Auf einer mit KI generierten Illustration ist Wellness-Resort abgebildet, in dem ein Mann arbeitet. Das Bild illustriert einen Artikel über die Zukunft unserer Freizeit.
Alles in einem: Freizeit und Arbeit finden – zumindest für die Reichen – in coolen Resorts statt. © AI-Artist / Florence Wibowo
×

Auf den Punkt gebracht

  • Gleitzeit für immer. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen. Wer es sich leisten kann, erledigt Jobs online aus den schönsten Ecken der Erde.
  • Megatrend Place Making. Um solche Arbeiter anzulocken, werden Regionen ganzheitlich – auch für die Einheimischen – entwickelt und vermarktet.
  • Virtuelle Exzesse. Wilde Partys und Megaevents finden nur noch auf virtuellen Plattformen statt.
  • Und „das Leiwandste“? Skifahren wird in Österreich nur noch in drei Gletscherskigebieten und am Arlberg möglich sein.

Freizeit? Urlaub? Lange waren die Grenzen zwischen Beruf und Feierabend oder Wochenende klar gezogen. Mit der zunehmenden Digitalisierung im 21. Jahrhundert wurde diese Grenze obsolet, Arbeit und Freizeit vermischten sich immer stärker – wissensbasierte Jobs können ja von überall her erledigt werden. Multilokales Arbeiten wurde zur neuen Norm, hybride Formate entstanden: Workation (Work & Vacation) ist längst ebenso selbstverständlich wie eine private Verlängerung von Dienstreisen (Bleisure). Freizeit hat ihren Nimbus als „Gegenwelt zum Alltag“ längst verloren.

Fließende Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit

Im Jahr 2074 ist Freizeit noch flüssiger geworden – Liquid Leisure. Vom „Tourismus“ oder von „Touristen“ spricht schon lange niemand mehr. Tourismus-Organisationen? Können Sie 2074 vergessen – sie sind Regional-Agenturen gewichen, die einen Standort ganzheitlich für Einheimische wie Gäste entwickeln.

Bei diesem Place Making geht es vor allem um zwei Dinge:

1. Orte und Regionen müssen für junge Talente und kaufkräftige Gäste attraktiv werden. Eine künstliche Intelligenz setzt – vorausschauend – deren Vorlieben und Bedürfnisse (ressourcenkonform und klimaneutral) in wertige Freizeit-Infrastrukturen, -Angebote und -Produkte um.

2. Wir brauchen eine lebenswerte Umwelt und gesunde Lebensbedingungen, insbesondere für eine alternde Bevölkerung; in Österreich sind 2074 bereits mehr als ein Drittel der zehn Millionen Einwohner über sechzig Jahre alt. Gesundheit ist der Leitwert der Freizeitwirtschaft: Die Angebote sind regenerativ, sie drehen sich um Healthy Lifestyle, um holistische Gesundheit, um Mental Health. Was einst Kurorte waren, sind jetzt grün umwucherte Gesundheitsresorts, in denen in- und outdoor personalisierte Lebensstilmedizin, Sport und Life Science miteinander verschmelzen. Und in denen, natürlich, auch immer wieder – gemeinsam mit dem digitalen Butler und remote – gearbeitet wird.

Alles so schön sauber hier!

Eine klimaneutrale Ausgestaltung der Freizeitwirtschaft ist im Jahr 2074 selbstverständlich. Betriebe und Organisationen haben die Nachhaltigkeitsziele der UNO („Sustainable Development Goals“) längst umgesetzt. Hätten sie das nicht, würden sie keinen Zugang zu Finanzierungsmitteln erhalten.

Klimaneutrale Mobilität (überwiegend auf Sharing-Prinzip), eine intelligente Verschränkung von öffentlichem Verkehr und Mikro-Mobilität (E-Bikes und Ähnliches) sowie Zero-Waste-Konzepte in der Gastronomie sind längst Standard. Städtereisen innerhalb Europas erfolgen mit Hochgeschwindigkeitszügen. Flüge über Distanzen von weniger als 1.000 Kilometer werden – trotz synthetischen Kerosins für die Flugzeuge – kaum noch nachgefragt.

×

Zahlen & Fakten

Die zwei großen europäischen Airlines Lufthansa und KLM/Air France sind inzwischen die größten Bahnbetreiber des Kontinents. Skifahren ist in Österreich bis auf drei Gletschergebiete und die Arlberg-Region nicht mehr möglich beziehungsweise nicht mehr erlaubt. Große Freizeit- und Thermenresorts sind Plus-Energie-Betriebe, auch Hotels erzeugen in Energiegemeinschaften mit Nachbarn ihre Energie selbst.

Partys in der Plattform

Schöne neue Freizeitwelt: alles clean, alles gesund? Keine Adrenalin-Sportarten und wüsten Mega-Events mehr? Keine Exzesse? Aber ja doch, diese sind freilich vorwiegend ins Metaverse und auf virtuelle Gaming-Plattformen ausgewandert.

Reale Freizeit im Jahr 2074 bedeutet: in Resonanz mit sich selbst und seiner Umwelt zu kommen. Resilienz aufzubauen. Der Urlaub folgt dabei dem strategischen Dreiklang Erholung – Entfaltung – Transformation. Man will sich in erster Linie vom stressigen digitalen Alltag erholen – in familiären Gästehäusern und mit Naturaktivitäten, Soft Sports, in kuratierten sozialen Ritualen etc. Österreich beeindruckt seine Gäste mit seiner speziellen „Art of Hosting“, einer hybriden Gastgeberkultur, die menschliche Zuwendung zelebriert, mit KI-Performance verbindet und jeden Gast individuell umsorgt.

Aber: Diese persönliche Zuwendung kostet. Ohnedies wird alles monetarisiert und über Sensorik gemessen (das Internet der Dinge ist längst auch in die Natur eingewoben, smart nature eben), die Benützung von Wander- und Waldwegen, die Fahrt auf Bike-Trails und anderes sind kostenpflichtig. Das Paradies auf Zeit hat seinen Preis. Einatmen. Ausatmen. Resilienz ist ein kostbares Gut.

DErzeit meistgelesen

Unser Newsletter