Das Ende der Bevölkerungsexplosion
Regionale Prognosen bei der Entwicklung der Weltbevölkerung fallen schwer. Klar ist aber: China und die Länder Afrikas werden einen dramatischen Wandel durchleben.
Auf den Punkt gebracht
- Weltbevölkerung. Bereits die Hälfte aller Menschen lebt in Ländern, in denen Frauen im Durchschnitt weniger als zwei Kinder haben.
- Wendepunkt. Erst in über 50 Jahren wird das Wachstum der Weltbevölkerung enden. Es werden dann 10,4 Milliarden Menschen auf der Erde leben.
- Lokale Unterschiede. Bis ins Jahr 2074 halbiert sich die Bevölkerung Chinas. Die Zahl der Afrikaner wird sich im gleichen Zeitraum verdoppeln.
- Und Europa? Hier sinkt die Zahl der Einheimischen bereits seit 2013. Ob Europa abgehängt wird, hängt von der Qualifikation der Zuwanderer ab.
Welches Wetter wir in drei Wochen haben werden, lässt sich für große Teile der Welt nicht beantworten. Aber wie viele Menschen in Zukunft auf unserem Planeten leben werden, ist relativ gut absehbar: 2054 dürfte die Weltbevölkerung die 10-Milliarden-Grenze überschreiten. Und bald nach 2074 wird das Wachstum der Weltbevölkerung bei etwa 10,4 Milliarden zum Stillstand kommen.
Mehr im Dossier „Die Welt in 50 Jahren“
Das erklärt sich so: 2024 werden etwa 134 Millionen Kinder zur Welt kommen und 61 Millionen Menschen sterben. Das bedeutet einen Zuwachs von 73 Millionen. Für das Jahr 2074 können wir mit 126 Millionen Geburten und 113 Millionen Todesfällen rechnen. Das Wachstum der Weltbevölkerung wird sich somit auf 13 Millionen reduzieren. Dies hat vor allem damit zu tun, dass es zukünftig viel mehr alte Menschen geben wird. Trotz voraussichtlich weitersteigender Lebenserwartung werden daher in Summe viel mehr Menschen sterben als heute.
Ab den 2080er-Jahren wird eine Überzahl an Todesfällen dann ein Schrumpfen der Menschheit einleiten. In einigen Ländern und Regionen der Welt ist dies heute schon der Fall.
Weltbevölkerung 2074: Mehr Alte, weniger Kinder
Solche Aussagen sind möglich, weil wir es mit einem – global gesehen – sehr trägen und somit gut absehbaren Prozess zu tun haben: Zum einen wird die Weltbevölkerung des Jahres 2074 zum Teil aus Menschen bestehen, die schon heute auf der Welt sind. Zum anderen verändern sich die beiden wichtigsten „Treiber“ der demografischen Dynamik nur langsam. Es sind dies die weiterhin steigende Lebenserwartung und die sinkende durchschnittliche Kinderzahl pro Frau. Schon heute lebt mehr als die Hälfte der Menschheit in Ländern, in denen Frauen weniger als zwei Kinder bekommen, wodurch die einheimische Bevölkerung (früher oder später) unausweichlich schrumpft.
Zahlen & Fakten
Gewagte Regional-Prognosen
Auf der Ebene von Regionen und Ländern ist die Prognose weniger sicher, denn da spielen auch die Zu- und Abwanderungen eine Rolle. Und die lassen sich viel schwerer vorhersehen. Dass 2022 innerhalb weniger Monate fast fünf Millionen Menschen – vor allem Frauen und Kinder – aus der Ukraine in die EU einwanderten, gehört zu den unvorhersagbaren Ereignissen. Trotzdem lassen sich für einzelne Staaten und Regionen Trends abschätzen.
China: Die Struktur der chinesischen Bevölkerung ist heute geprägt durch zwei Babybooms – der erste zu Beginn der 1960er-Jahre nach dem Ende von Maos katastrophalem „Großen Sprung nach vorne“ und der zweite nach der Machtübernahme durch die Reformer um Deng Xiaoping Ende der 1970er- Jahre. Zugleich gibt es nach mehr als dreißig Jahren Ein-Kind-Politik heute viel weniger Jugendliche und junge Erwachsene. Damit tut sich eine zukünftig rasch anwachsende „Lücke“ an Einwohnern und Arbeitskräften auf.
Einwanderung als Antwort scheidet sowohl wegen der notwendigen großen Zahl an Immigranten als auch aus kulturellen Gründen aus. Somit wird China bis 2074 fast die Hälfte seiner Bevölkerung verlieren.
Zahlen & Fakten
Europäische Union: Hier bilden die 50- bis 60-Jährigen heute die größte Altersgruppe. Sie wollen nun in Rente/ Pension gehen. Die auf den Arbeitsmarkt nachrückende Generation der 15- bis 25-Jährigen ist um ein Drittel kleiner. Daraus erklärt sich der von fast allen Branchen beklagte Arbeitskräftemangel. Dieser wird sich noch verstärken. Denn schon seit 2013 gibt es in den 27 EU-Ländern weniger Geburten als Sterbefälle, womit die Zahl der Einheimischen schrumpft.
Die Qualifikation entscheidet
Ob Europa an Bevölkerung verliert, hängt nur von der Zuwanderung ab. Ob Europa wettbewerbsfähig bleibt, hängt hingegen von den Qualifikationen ab, die Zuwanderer mitbringen, und von der Möglichkeit, diese Fähigkeiten auch einzusetzen. Eine abgeschottete EU hätte im Jahre 2074 um 60 bis 70 Millionen weniger Einwohner als heute.
USA: Die Vereinigten Staaten sind seit ihrer Gründung eine Einwanderungsgesellschaft. Erst ab 2043 ist mit einem Überhang an Sterbefällen zu rechnen. Ab dann wird auch hier die Einwohnerzahl vom Ausmaß der Einwanderung abhängen. Derzeit rechnen Statistiker damit, dass die Einwohnerzahl kurz nach 2074 mit 370 Millionen ihr Maximum erreichen und dann schrumpfen wird.
Afrika: Der Kontinent hat heute die jüngste Bevölkerung der Welt. Die Hälfte aller Menschen hier ist unter zwanzig Jahre alt. Das erklärt, warum sich die Zahl der Afrikaner in den kommenden fünfzig Jahren mehr als verdoppeln wird: von heute 1,5 Milliarden auf 3,5 Milliarden im Jahr 2074. Wir wissen allerdings nicht, wie viele von ihnen auswandern und dann in anderen Teilen der Welt leben werden.