Wie wir Krankheiten besiegen

Mehr Krankheiten werden besser behandelbar – mit medizinischen Werkzeugen und Wirkstoffen, die präzise auf die Krankheitsursachen im Erbgut der Patienten abzielen.

DNA-Molekularstruktur mit Sequenzierungsdaten der menschlichen Genomanalyse auf schwarzem Hintergrund. Das Bild illustriert einen Artikel über die Zukunft der Medizin.
Für viele monogenetische Erkrankungen könnte die Genschere ein gut einsetzbares Korrekturwerkzeug sein. Es ist absehbar, dass in fünfzig Jahren auch bei anderen Krankheiten des Menschen somatische Gentherapien, die auf bestimmte Gewebe oder Organe beschränkt bleiben, therapeutisch zum Einsatz kommen werden. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Mehr Wissen. Ärzte werden die Funktionsweise des menschlichen Körpers bis auf die Ebene der Molekularbiologie verstehen.
  • Zielgenaue Therapien. Wirkstoffe werden präziser als bisher auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmt.
  • Künstliche Intelligenz. Computer werden helfen, die Fülle an Patientendaten zu interpretieren und helfen, die besten Therapiemethoden zu wählen.
  • Reparierte Gene. Krankmachende Mutationen im Erbgut werden mit Hilfe neuer Gentherapien geheilt.

Menschen sind individuell und verschieden – und das ist gut so. Die Individualität jedes Menschen beruht auf dem Zusammenwirken seines individuellen Genoms (Erbgut, DNA), das mehr oder weniger von Geburt an festgelegt ein Leben lang gleich bleibt, und den spezifischen Umwelteinflüssen. Zusätzliche Bedeutung hat auch noch die Brücke zwischen biologischen und sozialen Effekten, die sogenannte Epigenetik, über die die Verwendung der Gene, ihre Übersetzung in Proteine, geregelt wird.

Medikamente wirken bei jedem Menschen individuell mit verschiedenen Wirkungen und Nebenwirkungen. In fünfzig Jahren werden die zugrunde liegenden Mechanismen viel besser verstanden sein, und die Pharmakogenetik wird es immer öfter möglich machen, Medikamente und andere therapeutische Konzepte ganz spezifisch bei Patientinnen und Patienten einzusetzen.

Maßgeschneiderte Therapien

Dem Gendern des Wortes „Patienten“ kommt hier eine besondere Bedeutung zu, weil auch die Relevanz des Faktors Geschlecht für Erkrankungen und medizinische Behandlungen in fünfzig Jahren wesentlich besser verstanden sein wird als heute. Der Begriff Präzisionsmedizin soll zum Ausdruck bringen, dass die Berücksichtigung einer Vielzahl von erhobenen Daten und Befunden neben dem genaueren Verständnis der vorliegenden Erkrankung auch eine ganz präzise personalisierte Therapie für die individuellen Patientinnen und Patienten ermöglichen wird.

KI als Segen für die Medizin

Das Zusammenführen vieler verschiedener Daten eines Patienten und speziell auch die Interpretation von Genomdaten-Analysen werden durch den in den nächsten Jahren stark zunehmenden Einsatz von künstlicher Intelligenz zu einem enorm verbesserten Verständnis von individuellen Krankheitsverläufen führen.

Ganz allgemein wird die künstliche Intelligenz immer mehr zu einem wertvollen und unverzichtbaren Instrument in der Humanmedizin werden. Erst im Jahr 2020 wurde die Entdeckung der Genschere CRISPR/Cas9 mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet, und jetzt stehen schon die ersten darauf basierenden Gentherapien für monogenetische Bluterkrankungen zur Verfügung: Ende des Vorjahres haben die britische und die US-Gesundheitsbehörde die ersten Gentherapien mittels Genschere zugelassen.

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Zahlen & Fakten

Es gibt tausende monogenetische Erkrankungen, bei denen Veränderungen in einem Gen krankheitsauslösend wirken, und für viele könnte die Genschere ein gut einsetzbares Korrekturwerkzeug sein. Es ist absehbar, dass in fünfzig Jahren bei vielen weiteren solcher Erkrankungen, aber auch bei anderen Krankheiten des Menschen somatische Gentherapien, die auf bestimmte Gewebe oder Organe beschränkt bleiben, therapeutisch zum Einsatz kommen werden. Auch für die Anwendung von mRNA-Impfstoffen, für deren Erforschung Katalin Karikó und Drew Weissman im Jahr 2023 den Medizin-Nobelpreis erhielten, sind Anwendungsfelder über die Entwicklung von Corona-Impfstoffen hinaus zum Beispiel in der Krebstherapie absehbar.

Neben vielen anderen innovativen Errungenschaften, die in fünfzig Jahren in der Humanmedizin zur Verfügung stehen können, werden sicher auch Stammzellen eine bedeutende Rolle spielen. Einerseits werden Stammzellen immer mehr zur Regeneration von geschädigtem Gewebe oder Organen zum Einsatz kommen. Andererseits ist es in den vergangenen Jahren gelungen, im Labor aus Stammzellen „Mini-Organe“, sogenannte Organoide, herzustellen.

Noch bessere Forschung

Hierbei geht es nicht darum, diese jemals direkt in der Therapie einzusetzen. Diese Herz-, Leber-, Darm-, Haut- oder zum Beispiel auch Hirn-Organoide sind biologische Modelle, um Krankheiten des Menschen besser verstehen und dadurch auch innovative Therapien entwickeln zu können. Und zusätzlich können an ihnen neue Medikamente getestet und dadurch Tierversuche ersetzt werden.

Es besteht kein Zweifel daran, dass die nächsten Jahrzehnte viele Innovationen in der Humanmedizin bereithalten werden. Um all diese neuen Entwicklungen zum Wohle der Patientinnen und Patienten einsetzen und dabei mögliche Nachteile vermeiden zu können, ist es von großer Bedeutung, dass die nächsten fünfzig Jahre auch von einer entsprechenden ethischen Diskussion geprägt sein werden.

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