Wie wir Fake News in den Griff bekommen

Künstliche Intelligenz könnte bis 2074 dazu beitragen, demokratische Prozesse zu verbessern. Dazu müssen wir diese Technik aber erst bändigen.

Digital generiertes Bild eines Roboters mit künstlicher Intelligenz, der projizierte Bildschirme mit Daten vor schwarzem Hintergrund berührt. Das Bild illustriert einen Artikel über die Zukunft der Künstlichen Intelligenz.
Ewig amüsiert von künstlichen Intelligenzen, wird die Menschheit der Verblödung entgegentrudeln, fürchtet der Technologiephilosoph Mark Coeckelbergh. Noch aber sei Zeit, die Technik zu bändigen. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Schiefe Bahn. Medien und Soziale Medien können im Verbund mit Künstlicher Intelligenz und im Interesse großer Konzerne eine allgemeine Verdummung beschleunigen.
  • Kluge Bürger. In einem optimistischen Szenario wird das nicht passieren, weil Medienkonsumenten gelernt haben, Informationsangebote kritisch zu hinterfragen.
  • Neue Herausforderung. Generative Künstliche Intelligenz muss reguliert werden. Als Vorbild können die weltweit gültigen Vorschriften zur Nutzung der Atomenergie dienen.
  • Demokratie aus dem Computer. Verantwortungsvoll genutzt, kann Künstliche Intelligenz zu einem vernünftigen politischen Diskurs beitragen.

Ich habe eine optimistische und eine pessimistische Vision für die Welt im Jahre 2074. Die dystopische zuerst: Die Welt ist in diesem Fall in Händen einer kleinen Gruppe von Milliardären. Der Abstand von ihnen zum Rest von uns ist riesig. Wir werden manipuliert, damit wir auf die richtigen Anzeigen klicken, die richtigen Produkte kaufen und unsere Stimme für diejenigen abgeben, von denen die Reichen meinen, dass wir sie wählen sollten. Die Konflikte und Kämpfe, die wir überwiegend online austragen, passen den Herrschenden gut in den Kram, denn dadurch sind wir mit uns selbst beschäftigt, wir sind gut unterhalten.

Journalisten gibt es nur noch wenige. Ihre Arbeit wird von künstlichen Intelligenzen erledigt. Im Jahre 2074 ist der öffentliche Diskurs fragmentiert und von kommerziellen Interessen dominiert.

Okay, es ginge auch anders

Das jedenfalls könnte passieren, wenn wir nichts unternehmen. Es ist nämlich tatsächlich so, dass Menschen den Kurs technologischer Entwicklungen beeinflussen können. Wir können unsere Stimmen erheben und dafür sorgen, dass es ein gutes Verhältnis zwischen öffentlichen und privaten Interessen gibt.

Dafür nur ein kleines Beispiel: Wir können selbst bestimmen, was mit den Daten passiert, die wir online preisgeben. So können wir dazu beitragen, dass diese Daten den gemeinsamen Interessen der Gesellschaft dienen. Worauf ich hinauswill: Die Zukunft kann auch ganz anders aussehen. In meinem optimistischen Szenario haben alle Menschen eine gute Ausbildung genossen und in der Schule grundlegende Kompetenzen für den Umgang mit Medien erworben.

Sie nehmen daher Informationen aus Medien kritisch wahr. Sie wissen, wie sie diese Nachrichten einordnen können. Sie sind in der Lage, digitale Medien sinnvoll zu nutzen, ohne von ihnen völlig abhängig zu werden. Sie bilden sich ihre eigene Meinung und können mit großer Selbstverständlichkeit ihre Rechte und Pflichten als Bürger wahrnehmen.

Künstliche Intelligenz: Falsch informiert …

Auch die Künstliche Intelligenz kann sich bis 2074 in zwei Richtungen entwickelt haben: Sie könnte dazu beigetragen haben, dass wir nur noch mit Nachrichten von schlechter Qualität und voll von Fehlern versorgt werden. Derzeit werden die großen Sprachmodelle dieser sogenannten generativen künstlichen Intelligenz mit Texten trainiert, die im Internet besonders intensiv rezipiert und diskutiert werden. Also spucken diese Sprachmodelle auch Texte in diesem Stil aus. Und mit diesen Machwerken wiederum wird dann die nächste Generation vermeintlich intelligenter Algorithmen trainiert – und so fort.

Bleiben wir auf diesem Pfad, landen wir in einer Welt, in der wir nicht mehr wissen, was wahr ist und was nicht. Und auf dieser Grundlage ist es schwierig, das eigene Leben sinnvoll zu gestalten.

Auch Ansätze für eine solche Entwicklung sehen wir schon heute: Die Qualität der Debatte auf Plattformen wie Facebook oder X (ehemals: Twitter) sinkt – aber wir nutzen sie weiterhin, weil wir quasi süchtig danach sind. Dagegen wird es immer schwieriger, Informationen von verlässlicher Qualität zu finden.

In den USA sehen wir einen enormen Output von – zum Teil wissenschaftlich fundierter – hoch seriöser Information. Doch die wird nicht gehört, weshalb sie die Erosion der Demokratie nicht bremsen kann. Hier könnte uns eine robuste Regulierung der generativen künstlichen Intelligenz helfen. Europa sollte versuchen, einen Mittelweg zu finden zwischen der Regellosigkeit in den USA und der starken Zensur in China.

… oder wahrhaft aufgeklärt

Europa darf nicht länger einfach zuwarten, was als Nächstes im Silicon Valley passiert. Denn die Technologien, die dort entstehen, haben eine entscheidende Rolle für die Entwicklung unserer Gesellschaften. Die Regulierung der Atomenergie könnte ein Vorbild sein oder die weltweit gültigen Verträge zum Klimaschutz. Wenn das gelingt, könnte die Künstliche Intelligenz helfen, verlässliche Informationen zu verbreiten, um so demokratische Prozesse zu verbessern.

Sie könnte Meinungen und Interessenlagen strukturieren und dazu beitragen, etwa einen Deal zu vermitteln oder einen Konsens zu finden. Künstliche Intelligenz wäre in dieser Welt ein Werkzeug, partizipativere, beratende Verfahren zu moderieren, in denen es eine Rolle spielt, was Menschen sagen, wie sie argumentieren und wie sie miteinander sprechen. Derzeit bin ich aber nicht sehr zuversichtlich, dass wir die Dinge in diese Richtung lenken werden.

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