
Essen Sie doch, was Sie wollen!
Ein moderner Supermarkt wäre unseren Vorfahren vor hundert oder noch mehr Jahren wohl vorgekommen wie der Garten Eden: Alles – auch Essen – ist im Überfluss vorhanden, bis zu 40.000 verschiedene Produkte haben große Lebensmittelgeschäfte heute im Sortiment. Dagegen verblasst das bisschen Obst im Paradies.
Aber während im Garten Eden nur die Früchte vom Baum der Erkenntnis verboten waren, wird es im Supermarkt schnell kompliziert. Der Einkaufszettel wirkt wie ein Sündenregister: Rindfleisch? Die armen Viecherln. Avocado? Mit enormem Wasser- und Energieverbrauch kultiviert. Heidelbeeren? Aus dem fernen Chile importiert.
Die Angst vor dem leeren Teller
Längst vorbei sind die Zeiten, in denen man einfach kaufen konnte, was einem schmeckte (wenn man es sich leisten konnte). Die Nahrungsbeschaffung ist mittlerweile wieder fast so kompliziert wie bei den Jägern und Sammlern vor ein paar tausend Jahren: Was wir essen, soll gesund und ausgewogen sein. Bei der Herstellung dürfen keine Menschen ausgebeutet und keine Tiere gequält werden. Gut für Klima und Umwelt sollten die Mahlzeiten auch sein.
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Bleibt die Frage: Was kann man eigentlich noch guten Gewissens kaufen, kochen und verspeisen?
Zunächst einmal: Lassen Sie sich nicht verrückt machen. Essen Sie, worauf Sie Lust haben, und genießen Sie Ihr Mahl! Es ist eine enorme Errungenschaft, dass Menschen (zumindest im wohlhabenden Teil der Welt) heute keine Angst mehr haben müssen, bei der nächsten Missernte oder in einem langen Winter zu verhungern. Das riesige Angebot im Supermarkt ist ein Luxus, den man nicht hoch genug schätzen kann.
Und zweitens: Es schadet trotzdem nicht, die eigene Gesundheit und das Wohl des Planeten beim Einkaufen zu berücksichtigen. Aber Achtung: Die listige Schlange des Gartens Eden kommt heute in Form von Gütesiegeln, Slogans und Verheißungen daher, und sie säuselt: Regional! Bio! Nachhaltig! Doch sehr oft handelt es sich dabei nur um selektiv herausgepickte Fakten und schlaue Marketingstrategien. Wer als Konsument alles uneingeschränkt richtig machen will, sitzt am Ende vor einem leeren Teller.
1. Die Mär von der Regionalität
Unter all den Märchen, die erzählt werden, um Produkte als nachhaltig und klimafreundlich zu verkaufen, ärgert Nicholas Carter jenes von der Regionalität am meisten. Der Kanadier ist Director of Environmental Science beim Game Changers Institute, das sich mit dem Ernährungssystem beschäftigt und für Veganismus eintritt. Regionalität könne niemals die Nachteile des Fleischkonsums aufwiegen, sagt Carter:
Die Mär von der Regionalität
2. Gemüse ist auch böse
Sojaschnitzel aus Brasilien sind für die Umwelt (und wahrscheinlich auch für die Gesundheit) besser als Rindfleisch aus Österreich. Oder doch nicht? Der deutsche Ernährungswissenschaftler Malte Rubach dementiert nicht, dass Rindfleisch eine schlechte Klimabilanz hat. Allerdings gibt es seiner Meinung nach Faktoren, die das relativieren. Rubachs erster Einwand: Tierische Produkte haben, in Maßen genossen, durchaus einen gesundheitlichen Mehrwert:
Wie viel Wasser wirklich im Rindfleisch steckt
3. Nachhaltig essen
Tim Benton war bis vor kurzem Forschungsdirektor beim britischen Thinktank Chatham House. Er versteht das Gefühl der Überforderung sehr gut, das Kunden im Supermarkt beschleichen kann. Das Dilemma fängt schon damit an, dass verschiedene Menschen unter Nachhaltigkeit ganz unterschiedliche Dinge verstehen. Diese verschiedenen Aspekte der Nachhaltigkeit stehen oft in einem Konkurrenzverhältnis zueinander oder widersprechen sich sogar:
Nachhaltig essen: Leichter gesagt als getan
4. Und was ist mit mir?
Es ist also leider unmöglich, im Supermarkt die Welt zu retten. Selbst mit den besten Absichten kann man nicht alles richtig machen. Bleibt der Vorsatz, wenigstens der eigenen Gesundheit etwas Gutes zu tun. Aber auch das ist schwieriger als gedacht, weiß die deutsche Ärztin und Bestsellerautorin („Genial er- nährt“) Yael Adler:
Es darf auch schmecken
5. Gutes tun leichter als gedacht
Letzten Endes ist es also gar nicht so kompliziert, wenn man ein bisschen mehr auf sich selbst und ein bisschen weniger auf andere hört. Und wer beim Essen das Klima und die Umwelt schonen will, kann mit einer ganz simplen Übung anfangen: Einfach mal verspeisen, was man schon gekauft hat, empfiehlt Gudrun Obersteiner, stellvertretende Leiterin des Instituts für Abfall- und Kreislaufwirtschaft an der BOKU in Wien:
Aufessen statt wegschmeißen
6. Tausche Regionalität gegen Bauchgefühl
Unsere Ernährung braucht weniger Verbote und mehr Gebote. Deren oberste lauten: Eigenverantwortung statt Ernährungsreligion, Bauchgefühl statt Kalorien-Schiedsrichter – und bitte zwischendurch einfach genießen, so Salzburger Spitzenköchin Paula Bründl:
7. Pragmaticus-Umfrage zur Ernährung
Und wie stehen die Österreicher zum Thema Ernährung? Worauf wir beim Einkaufen und Essen achten und aus welchen Gründen auf bestimmte Lebensmittel verzichtet wird:
Ernährungsumfrage: Worauf achten Österreicher?
8. Was soll man denn nun essen?
Kuh- oder Mandelmilch, Rindfleisch- oder Veggie-Pattie? Die Entscheidung, was man – dem Klima zuliebe – essen sollte und wo man besser auf Ersatzprodukte zurückgreift, fällt nicht immer leicht. Ein paar – nicht immer ganz ernst gemeinte – Entscheidungshilfen:
Was soll ich essen?
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