Aufessen statt wegschmeißen

Lebensmittelabfälle entstehen entlang der gesamten Kette – vom Acker bis zum Kühlschrank. Ihre Vermeidung schützt Klima, Ressourcen und das eigene Geldbörsel.

Lebensmittelabfälle in einem Mülleimer.
Die in Haushalten anfallende Menge an großteils vermeidbaren Lebensmittelabfällen wird für Österreich auf über 500.000 Tonnen pro Jahr geschätzt. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Wertschöpfungskette. Lebensmittelabfälle entstehen in allen Sektoren – vom Anbau über Handel bis zum Haushalt.
  • Klimakiller. Vier Prozent des gesamten europäischen Treibhauseffekts sind auf verschwendete Lebensmittel zurückzuführen.
  • Haushaltsverantwortung. Die Hälfte davon wird von privaten Haushalten verursacht– besonders bei Brot, Obst und Gemüse.
  • Verbesserungspotenzial. Richtiges Lagern, bewusster Konsum und digitale Lösungen helfen, Verluste zu vermeiden.

Die Problematik der Lebensmittelverschwendung ist heutzutage in aller Munde. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette – bei jedem Verarbeitungsschritt und auf jeder Ebene – entstehen vermeidbare Lebensmittelabfälle. Lebensmittel bleiben unter anderem aufgrund der Erntetechnik bereits bei der Ernte am Feld zurück oder werden im Laufe der Produktion aussortiert oder beschädigt. Ebenso entstehen Lebensmittelabfälle im Einzelhandel und in der Gastronomie sowie auf Ebene der Konsumentinnen und Konsumenten, wo Lebensmittel gekauft, jedoch nicht konsumiert werden. Die Entstehung von Lebensmittelabfällen ist daher kein Problem eines einzelnen Sektor – vielmehr zeigt sich eine kumulative Wirkung basierend auf miteinander verbundenen Bedingungen.

Allein die in Haushalten anfallende Menge an großteils vermeidbaren Lebensmittelabfällen wird für Österreich auf über 500.000 Tonnen pro Jahr geschätzt, wenn man Abfälle, die im Kanal oder Biomüll landen mitberücksichtigt. Insgesamt zeigen die Zahlen für Österreich, Deutschland und die Europäische Union, dass Haushalte für rund 50 Prozent aller Lebensmittelabfälle entlang der Wertschöpfungskette verantwortlich sind. Am häufigsten werden in Österreich Obst und Gemüse sowie Brot und Gebäck entsorgt.

Lebensmittelabfälle als Klimakiller

Die Gründe warum Lebensmittel in Haushalten entsorgt werden, sind vielfältig und können nicht auf einzelne Verhaltensweisen bzw. Einflussfaktoren reduziert werden. So gibt es in den Haushalten große Unsicherheit und Unwissenheit bezüglich der korrekten Lagerung von Obst und Gemüse. Es wird zu viel eingekauft, um auf alle Fälle vorbereitet zu sein, oder aber, weil entsprechende „Kauf mehr, zahl weniger“-Angebote genutzt werden. Aber auch ein falsch verstandenes Mindesthaltbarkeitsdatum führt dazu, dass Lebensmittel, die völlig in Ordnung sind, entsorgt werden. Hinzu kommt, dass Fertigkeiten wie das einfache Verkochen von Resten verloren gegangen sind.

Die Probleme, die mit der Verschwendung von Lebensmitteln auch für die Umwelt einhergehen, sind vielen Menschen nicht bewusst. Laut einer Metastudie von Quantis stehen global 28 bis 34 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen mit der Ernährung in Zusammenhang. 24 Prozent entstehen durch die Landwirtschaft, weitere fünf bis zehn Prozent durch die übrige Wertschöpfungskette inklusive Zubereitung und Abfallbehandlung. Innerhalb der Landwirtschaft ist die Tierhaltung für 60 Prozent der Klimawirkungen verantwortlich. Die Umweltauswirkungen der Lebensmittelproduktion und des Lebensmittelkonsums werden noch verstärkt, wenn Lebensmittel verschwendet und nicht konsumiert werden. Da weltweit etwa ein Drittel der produzierten Lebensmittel verloren geht, kann deren Vermeidung unsere negativen Auswirkungen auf das Klima um fünf bis zehn Prozent senken.

186 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente können auf die Lebensmittelverschwendung in der Europäischen Union zurückgeführt werden, was vier Prozent des gesamten europäischen Treibhauseffekts ausmacht. Vor dem Hintergrund dieser relativ hohen Auswirkungen sind die Einsparungen, die durch eine entsprechende Vermeidung von Lebensmittelabfällen erzielt werden können, besonders interessant.

Die gesamte Wertschöpfung wird weggeworfen

Die Auswirkungen der Behandlung und Entsorgung von Lebensmittelabfällen sind dabei nicht der treibende Faktor für die mit Lebensmittelabfällen verbundenen Auswirkungen, sondern vielmehr muss klar sein, dass jedes weggeworfene Lebensmittel die Umweltauswirkungen der gesamten Wertschöpfungskette in sich trägt, wenn es entsorgt wird. Die Primärproduktion von Lebensmitteln erfordert den Einsatz von Ressourcen wie Brennstoffen, Land, Wasser und Rohstoffen, die ihrerseits wieder mit entsprechenden Umweltauswirkungen verbunden sind.

Eine Hauptquelle für diese Auswirkungen sind landwirtschaftliche Prozesse wie die Ausbringung von Düngemitteln oder die Viehzucht, deren Emissionen genauso zum Klimawandel beitragen wie Emissionen im Zusammenhang mit Energie für Transport, Lagerung und Kochen von Lebensmitteln in anderen Schritten der Lebensmittelversorgungskette. Diese Umweltwirkungen sind völlig umsonst, wenn die Produkte in weiterer Folge nicht gegessen, sondern entsorgt werden. Durch die Vermeidung von Lebensmittelabfällen können demnach auch die damit zusammenhängenden Emissionen in allen Phasen der Lebensmittelversorgungskette vermieden werden.

Die Vermeidung von Lebensmittelabfällen auf Haushaltsebene hat den größten Effekt auf die Eindämmung der globalen Erwärmung.

Vergleicht man die gesamten Umweltauswirkungen auf Produktgruppenebene, trägt Brot aufgrund der hohen Entsorgungsraten mit 34 Prozent am meisten zu den durch die Verschwendung von Lebensmitteln zustande kommenden Treibhauseffekt bei. Vorrang sollte auch der Vermeidung von Lebensmittelabfällen bei Fleisch- und Milchprodukten eingeräumt werden, da diese die größten Treibhausgasauswirkungen je Kilogramm Produkt aufweisen. Die Vermeidung von Lebensmittelabfällen auf Haushaltsebene hat den größten Effekt auf die Eindämmung der globalen Erwärmung. Dies liegt zum einen daran, dass ein großer Teil der potenziell vermeidbaren Lebensmittelabfälle in Bezug auf die Masse auf Haushaltsebene anfällt, und zum anderen daran, dass die Auswirkungen auf Verbraucherebene alle kumulierten Auswirkungen aus früheren Phasen der Lieferkette umfassen.

Kauf 3, Zahl 2

Die Umsetzung von Vermeidungsmaßnahmen erfolgt in Österreich bereits in vielfältiger Art und Weise. Wesentlich ist, dass zu einer effizienten Lebensmittelabfallvermeidung immer die gesamte Versorgungskette zu betrachten ist. Es geht nicht nur um die Vermeidung im eigenen Bereich, sondern auch die Berücksichtigung von Optionen zur Lebensmittelabfallvermeidung in anderen Bereichen der Wertschöpfungskette. So kann der Konsument nicht nur im eigenen Haushalt Lebensmittelabfälle vermeiden, sondern durch den bewussten Einkauf von zum Beispiel aus der Norm geratenen Produkten die Landwirtschaft, durch Bestellen kleiner Portionen die Gastronomie oder durch bewussten Griff zu Produkten mit knappen Mindesthaltbarkeitsdatum den Handel bei der Lebensmittelabfallvermeidung unterstützen.

Das kann aber nur funktionieren, wenn entsprechende Rahmenbedingungen (zum Beispiel über den Preis oder das Marketing, aber vor allem durch ein entsprechendes Angebot) geschaffen werden. Auf der anderen Seite kann eine Einschränkung der Marketingmaßnahmen zu mengengebunden Sonderangeboten bei Lebensmitteln („Kauf 3 – Zahl 2“ oder günstigere Großpackungen) verhindern, dass zu viele Lebensmittel eingekauft werden.

Richtig lagern lernen

Eine wichtige Möglichkeit dem frühzeitigen Verderb einer Vielzahl unterschiedlicher Lebensmittelproduktgruppen aber vor allem auch bei Obst und Gemüse vorzubeugen, sind entsprechend optimierte Verpackungssysteme beziehungsweise optimierte Lagerung. Analysen am Institut für Abfall-und Kreislaufwirtschaft der Universität für Bodenkultur haben gezeigt, dass vor allem Obst- und Gemüse nach wie vor auch in Österreich nicht optimal gelagert werden. So gaben über 70 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Umfrage an, ihre Äpfel bei Raumtemperatur zu lagern, was deren Haltbarkeit verkürzt.

Auch Orangen weisen bei kühler Lagerung eine längere Haltbarkeit auf, werden aber nur von weniger als zehn Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Kühlschrank gelagert. Hinzu kommt eine deutliche Tendenz zur Lagerung außerhalb der Originalverpackung. So werden Salat, Gurken oder Tomaten zumeist eher ohne Verpackung (lose) gelagert, obwohl die Verpackungen dahingehend optimiert wurden, dass die Produkte möglichst lange halten. Es empfiehlt sich für die meisten Obst- und Gemüsesorten sie in der Originalverpackung zu belassen und soweit möglich im Kühlschrank aufzubewahren.

Neben dem vorrangigen Ziel, die Lebensmittelabfälle im eigenen Haushalt zu vermeiden können auch andere Stationen der Wertschöpfungskette bei der Vermeidung von Lebensmittelabfällen unterstützt werden. Dazu zählen zum Beispiel die freiwillige Arbeit bei mildtätigen Einrichtungen, wo durch die Weitergabe von überschüssigen Lebensmitteln aus Handel und Produktion an bedürftige Personen der soziale Aspekt im Vordergrund steht. Bei Aktivitäten wie Foodsharing ist der eigentliche Antrieb für viele der Umweltaspekt oder aber auch der persönliche ökonomische Nutzen.

Zu gut zum Wegwerfen

Bei der Nutzung der App „Too Good To Go“ sind es ebenfalls beide Beweggründe. So gaben 81 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer an, dass sie die App verwenden, um Geld zu sparen und 92 Prozent verfolgen primär das Ziel, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Too Good To Go hat es sich zur Aufgabe gemacht der Lebensmittelverschwendung in der Gastronomie und dem Einzelhandel entgegenzuwirken.

In Summe hat sich gezeigt, dass falsche Lagerung und ein falscher Umgang mit Verpackungen wesentlich zur Menge der anfallenden Lebensmittelabfälle im Haushalt beitragen.

Das Konzept der App ist es, Betrieben die Möglichkeit zu geben, Produkte, die bis Tagesende nicht verkauft wurden und noch genießbar sind, in Form eines Überraschungspakets zu einem billigeren Preis an App-Nutzerinnen und -Nutzer zu verkaufen. Analysen konnten klar zeigen, dass die Nutzung der App in Relation zu kaum einem höheren Abfallaufkommen bei den Konsumentinnen und Konsumenten führt, jedoch stark zur Abfallvermeidung in den Betrieben beitragen kann.

In Summe hat sich gezeigt, dass falsche Lagerung und ein falscher Umgang mit Verpackungen wesentlich zur Menge der anfallenden Lebensmittelabfälle im Haushalt beitragen. Die Ergebnisse einer Online-Umfrage zeigen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher das Potential von optimierten Verpackungen zur Lebensmittelabfallvermeidung nicht erkennen, sondern vielmehr dazu neigen, Produkte als überverpackt wahrzunehmen.

Sie sind sich nicht bewusst, dass die Lagerung von Lebensmitteln in ihrer Originalverpackung ihre Frische und Haltbarkeit verlängert. Apps zum Küchenmanagement unterstützen Einkauf und Vorratshaltung, sodass weniger Lebensmittelabfälle im Haushalt anfallen. Aber auch Apps zur Lebensmittelrettung funktionieren, indem sie Unternehmen mit überschüssigem Angebot und Haushalte mit Bedarf vernetzen. Entgegen früherer Vermutungen kommt es hier nicht zu einer Abfallverlagerung sondern zu einer tatsächlichen Abfallvermeidung.

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Conclusio

Energieverschwendung. Jeder weggeworfene Apfel, jedes Brot hat bereits CO₂ verursacht – von der Produktion bis zur Lagerung. Das summiert sich weltweit massiv.

Unwissen. Oft ist Unwissen die Ursache: Falsche Lagerung, Missverständnisse beim Haltbarkeitsdatum und unterschätzte Verpackungsfunktionen sind mitverantwortlich.

Aufessen. Bewusster Einkauf, clevere Apps und kleine Alltagsentscheidungen können Großes bewirken – für Klima, Ressourcen und Gerechtigkeit.

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